3.0 Die Balalaika - ein Lauteninstrument
Instrumentenwissenschaft:
Die Einordnung der Balalaika
in der Hornbostel-Sachs-Systematik
Die Hornbostel-Sachs-Systematik von 1914 ist der Versuch einer Klassifizierung
der Musikinstrumente. Obwohl viele Instrumente sich einer eindeutigen Klassifizierung entziehen, hat sich diese Systematik durchgesetzt.
Die Balalaika ist, gemäß dieser Systematik, ein Saiten-instrument (Chordophon), bestehend aus einem Saitenträger ( Stab, "Hals" ) und einem fest mit diesem verbundenen Resonanzkörper.
Hornbostel und Sachs verwendeten für diesen Instrumententyp nicht den historischen persischen Namen "Tanbur", auch nicht den bis Ende des 19. Jhds. verwendeten Namen "Zither" (auch die Gitarre wurde als Zither bezeichnet), sondern den Namen "LAUTE", der vom arabischen Wort "el ud" (= "das Holz")
abgeleitet ist.
Laut der Hornbostel-Sachs-Systematik ist die Balalaika eine "Halslaute".
Halslauten haben die Klassifizierung 321.32.
Die Hornbostel/Sachs-Systematik unterscheidet zwischen Halslauten mit
Kasten-Korpus und Halslauten mit Schalen-Korpus.
Schalenhalslauten haben die Klassifizierung 321.321
(z.B. Laute, Baglama, Bouzouki, Rundbauch-Mandoline)
Kastenhalslauten haben die Klassifizierung 321.322
(z.B. Gitarre, Ukulele, Geige, Flach-Mandoline)
Die Hornbostel/Sachs-Systematik ordnet die Balalaika in die Gruppe
der SCHALENHALSLAUTEN ein.
Für die überwiegende Anzahl der Balalaiken ist diese Einordnung korrekt.
Es gibt jedoch Balalaiken, die alle Merkmale einer Kastenhalslaute haben.
Bei einigen Balalaikaformen sind die Übergänge zwischen Schale und Kasten fließend.
Auch andere Instrumenten-Korpora können sowohl schalig als auch kastig ausgebildet sein, so z.B. der lange schmale Resonanzkörper der Harfe, der
wegen seiner pyramidenförmigen Dreiecksform eine gewisse Ähnlichkeit mit
dem Balalaika-Korpus hat. Es gibt Harfen mit Kastenkorpus und auch Harfen
mit gewölbtem Rundbauchkorpus.
Die Einordnung der Balalaika nach Hornbostel/Sachs :
Die Balalaika - eine Laute
Die beiden Musikwissenschaftler Hornbostel und Sachs erstellten im Jahr 1914 eine "Systematik der Musikinstrumente". Nach dieser Systematik ist die Balalaika in die Familie der L a u t e n - I n s t r u m e n t e eingeordnet.
Curt Sachs gilt als der Begründer der wissenschaftlichen Musikinstrumentenkunde.
Die Hornbostel/Sachs-Systematik ist - trotz mancher Schwächen - gut fundiert und hat sich bewährt.
Nicht nur die wissenschaftliche Systematik verbindet Balalaika und Laute miteinander, sondern auch der handwerkliche Musikinstrumentenbau. In Deutschland wurden Balalaiken meist im Vogtland ("Musikwinkel"), dem größten europäischen Standort für Musikinstrumentenbau, gefertigt.
Viele Musikinstrumentenbauer bezeichneten sich als "Lautenmacher".
So z.B. fertigte Karl Höland, der im Gewerbeverzeichnis die Berufsbezeichnung "Lautenmacher" angab, in Markneukirchen Balalaiken in allen Größen an.
Das Lauteninstrument Balalaika ist, genauer definiert, eine H a l s l a u t e :
Die nachfolgende Grafik "Systematik der Lauteninstrumente" ist entnommen dem Wikipedia-Artikel "Lauteninstrumente".
Sie macht den Aufbau der Lautenfamilie auf gute anschauliche Art deutlich.
Zum Vergrößern, bitte, auf die Grafik klicken.
S c h a u b i l d : S y s t e m a t i k d e r L a u t e n
Zum Vergrößern, bitte, auf die Grafik klicken !
Quellenangabe des Schaubildes:
URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Lauteninstrumente_Systematik.png&filetimestamp=20101206131430
Urheber der Grafik: Dirkjot
Eine Halslaute ist ein Instrument, bei dem ein Resonanzkörper mit einem Hals, über den die Saiten laufen, fest verbunden ist.
Die Formenvielfalt der Lauten
Das Wort "Laute" bezeichnet hier die Lauten-Familie gemäß der Hornbostel/Sachs-Klasssifikation - nicht Lauteninstrumente im engeren Sinn (arabische Laute, Renaissancelaute), also ein Instrument mit großem rundbauchigen kartoffelkäferartigem ovalen Korpus und einem kurzen, abgeknickten Hals.
Zur Lautenfamilie gehören z.B. die Gitarren und die Geigen.
Lauten können sein:
Zupfinstrumente ( z.B. Gitarre, Mandoline, Balalaika) als auch
Streichinstrumente ( z.B. Violine ).
Der Name "Laute" sagt nichts über die Korpusform aus.
Lauten können eine taillierte Form (Lemniskat) haben: Gitarre, Geige.
eine ovale Form: Mandoline, Bouzouki
eine runde Form: Domra, Banjo
eine dreieckige Form: Balalaika
oder jede andere Form.
Lauten können einen kastigen Zargen-Korpus haben, entweder mit flachen Boden oder mit gewölbten Boden: Gitarre, Vihuela, Cister, Violine, portugiesische Mandoline.
Oder sie können zargenlos sein und eine Korpus-Schale besitzen: italienische Mandoline, Dombra, Domra, Kürbiskorpus-Instrumente.
Oder sie können Zwischenformen haben zwischen Zargen- und Schalenkorpus: Roundback-Gitarren, Balalaika.
Hals-Laute und Spießlaute
Halslaute und Spießlaute
Gemeinsames Merkmal dieser Instrumente: An einem Resonanzkörper (Schale oder Kasten) ist am vorderen Ende ein Hals befestigt (angeleimt, angeschraubt, festgeklemmt oder festgebunden).
Ist der Hals durch den Korpus durchgesteckt, spricht man von einer Spießlaute.
Die Saiten laufen über dem Instrumentenhals und können durch Niederdrücken gegen den Hals verkürzt werden.
Ausnahme: Der Hals als Haltestab
Es gibt Instrumente mit dem Aussehen einer Halslaute, bei denen aber der Hals
nur als Haltestab dient. Die Saiten laufen nicht über den Hals, sondern nur über den Korpus.
Solche Instrumente sind keine Lauten, sondern Psalterien. Man kann ein solches Instrument als "Stab-Psalterium" bezeichnen.
Eine 3.Version eines solchen Psalteriums mit Hals ist die ukrainische Bandura.
Hier laufen einige Saiten zwar über dem Hals, werden aber nicht gegriffen.
Der Hals dient der Korpusverlängerung zum Zweck der Aufhängung von Bass-Saiten. (Hals-Psalterium).
Halslauten sind Zupf- und Streichinstrumente wie:
Gitarre
Ukulele
Banjo
Violine
Cello
Mandoline
Laute im engeren Sinn ("Barock-Laute", "Renaissance-Laute", Arabische Laute)
Bouzouki
Baglama
Dutar
Setar u.s.w.
Balalaiken, die einen aus einem Kürbis bestehenden Resonanzkörper besaßen - Nikolai Gogol beschreibt diese Bauart - waren gewiß Spießlauten:
Der Instrumentenhals war durch den Korpus hindurchgeführt und ragte auf der anderen Seite über den Korpus hinaus, so daß das kurze überstehende Ende als Saitenhalter diente.
Dieses Prinzip war sehr praktisch, do dass es bei Lauten in der Holzschnitzversion übernommen wurde. Beim russischen Gudok und bei der bulgarischen Gadulka
ist dieser kurze überstehende "Dorn" heute noch vorhanden.
Die Balalaika und der Gudok wurden später aus gleichem Holz geschnitzt und waren gewiß auch in der Korpusform sehr ähnlich, nur mit dem Unterschied, daß der Gudok einen sehr kurzen Hals hatte, die Balalaika dagegen einer überaus langen Hals besaß.
War der Hals der Balalaika am Ende des Korpus so abgeschnitten, daß er bündig mit dem Korpus war, dann war diese Balalaika keine Spießlaute mehr, sondern - nach der Hornbostel/Sachs-Systematik - eine Binnenhalslaute .
In der Kürbisausführung war dies sehr unpraktisch: wo sollten die Saiten an der empfindlichen Kürbisschale befestigt werden?
In der Holzausführung machte das Binnenhals-Prinzip keine Probleme. Die Saitenbefestigung geschah hier - wie beim dornlosen Nowgoroder Gudok - an einem senkrecht am Ende des Korpus von oben nach unten eingeschlagenen Holzpflock.
Der Name "Balalaika" vermutlich erst ab 12. / 13. Jhd.
(Epoche der mongolisch-tatarischen Herrschaft über Russland)
Die Balalaika, so wird vermutet, ist bei den Slawen bereits seit ihrem frühesten geschichtlichen In-Erscheinungtreten, also seit dem 6. Jahrhundert bekannt, allerdings noch nicht in ihrer dreieckigen Form und noch nicht unter dem Namen "Balalaika". Es handelte sich um die aus Persien stammende Langhalslaute "Tanbur", die aus Persien über das Kaspische Meer und den Kaukasus ihren Weg nach Russland gefunden hat. Die Wege waren Flüsse, die Kaspisches Meer und Ostsee miteinander verbanden.
Tanbur = Holzstab mit Sehne (= ursprünglich Jagdbogen), dann:
Tanbur = Holzstab mit Sehne und angesetztem Resonator
"Musikbogen", "Musikstab", "Laute"
Die "Tanbur" ist ein "Musikbogen", ein "Musikstab": über einen langen Holzstab läuft wie beim Jagdbogen eine Saite (Bogensehne). Am Ende des Stabes ist ein kleiner Resonator (Kürbis, Holzschale) angebracht, der den Klang der angezupften Saite verstärkt.
"Musiklöffel"
In einer späteren Entwicklung wurden Holzstab und Resonatror in 1 Stück geschnitzt: es entstand ein langstieliger "Holzlöffel". Die Öffnung des Löffels
wurde mit einer Holzdecke versehen. Auf der Holzdecke stand der Saitensteg.
Im heutigen Afghanistan gibt es diesen 2000 Jahre alten Tanbur-Typ immer noch: Das Instrument hat eine Länge von 125 cm. Der Hals ist 105 cm lang, der Korpus 20cm lang. Seine Breite beträgt ebenfalls 20 cm, die Höhe 16 cm. Die Korpusform konnte rund, oval, paddelförmig oder fächerförmig sein.
Die Tanbur hatte anfangs nur 1 Saite, so wie heute noch die indische Ektara
("Ektara" von persisch ek =1 und tar= die Saite).
Später gab es Tanburen mit 2 Saiten ("Dutar") und mit 3 Saiten ("Setar").
(persisch "ek"=1; "du"=2; "se"=3).
Vielerorts (z.B. in Afghanistan) wurden 7 und mehr Saiten aufgezogen.
Die 2 bzw. 3 unterständigen Saitenwirbel wurden durch eine Anzahl
seitenständiger Wirbel ergänzt. Oft wurden die zusätzlichen Saiten nicht
gegriffen, sondern klangen als Resonanzsaiten sympathetisch mit.
Um den Klang zu verstärken und um ihm mehr Volumen zu verleihen, wurde im Laufe der Zeit der Resonator, also der Tanbur-Korpus, mehr und mehr vergrößert. Die türkische Baglama-Saz schuf nicht nur eine Vergrößerung des Korpus, sondern sie vertiefte ihn kesselpaukenartig.
In Russland blieb der Tanbur-Korpus relativ flach, eber er erfuhr eine flügelartige Verbreiterung und entfaltete sich zu einem Dreieck nach den Vorbild der Gusli, des alten russischen Nationalinstrumentes.
Die Umbenennung der Tanbur in "Balalaika"
Die Bezeichnung "Balalaika" bekam die ostslawisch-russische Tanbur durch mongolisch/tatarischen Sprach-Einfluß.
Im 12.Jahrhundert begannen die Eroberungszüge durch mongolische Steppen-völker, die dazu führten, daß das erste russische Reich, das 862 in Nowgorod gegründet wurde, seine Unabhängigkeit verlor. Im 13. Jhd. geriet es endgültig
für lange Zeit fast 250 Jahre) unter die Herrschaft der Mongolen und Tataren.
Diese als "Tatarenjoch" bezeichnete Fremdherrschaft dauerte von 1223 bis 1480. Eine Folge davon war, daß zahlreiche Worte der russischen Sprache durch tatarische Bezeichnungen ersetzt wurden. Je nach Region war die Einflußnahme
der Tataren auf das russische Alltagsleben von unterschiedlicher Intensität.
(Siehe dazu auch: Balalaika - Herkunft und Name)
Es sei daran erinnert, dass bereits vor der mongolisch-tatarische Eroberung Russland bzw. einzelne russische Fürstentümer viele nicht-kriegerische Verbindungen zu Turk- und Mongolenvölkern hatten. Mit den Reiternomaden
(Kotschewniki) gab es Bündnisse und Handelsaustausch, so mit dem Turkvolk
der Petschenegen und mit den Kiptschaken (Kumanen, Polowzer)
Die Balalaika
und ihre viertausendjährige (Vor-)Geschichte
Die Geschichte der in Russland als "Balalaika" bezeichneten Langhalslaute "Tanbur" läßt sich bis zum 2. Jahrtausend v.Chr. zurückverfolgen. "Tanbur" bezeichnet hier die Langhalslaute ganz allgemein, egal welche Korpusform sie besitzt.
In Russland hat diese Langhalslaute ihre spezifisch dreieckig-breite Ausformung erfahren.
Das persische Weltreich vor Alexander dem Großen hat dieses Instrument, dessen Normalform ein Oval war (gefertigt aus einem Kürbis oder geschnitzt aus einem Stück Holz nach Art eines Holzlöffels), besonders gefördert.
Eine solche Langhalslaute war in Persien unter dem Namen Tanbur sehr
verbreitet.
Dennoch ist die Tanbur kein spezielles persisches Musikinstrument, sondern war schon vorher bei den Sumerern bekannt. Dort trug sie den Namen "Pantur".
Die Namen "Pantur, "Tanbur" bezeichnen den Instrumententyp "Langhalslaute" ganz allgemein.
Durch Alexander den Großen, der im Jahre 331 v. Chr. mit seinem Sieg über
die Perser bei Gaugamela das griechisch/persische Weltreich schuf (mit Babylon
als Hauptstadt), wurde die bei den Persern verbreitete Langhalslaute auch zum griechischen Instrument, d.h. zu einem Musikinstrument des griechisch regierten griechisch-persischen Weltreiches. Sie wurde Teil der hellenistischen Kultur.
Allerdings konnte sich das antike Griechenland, das griechische Kernland, mit diesem Instrument nicht so recht anfreunden: die Vorliebe der Griechen galt der Lyra und der Harfe. Zeugnisse über Langhalslauten sind in Griechenland sehr
selten (siehe das Foto einer griechischen Tanburspielerin aus den 2.Jhd.v.Chr.
im Trailer dieser Website).
Das Alexanderreich grenzte an das Schwarze Meer und an das Kaspische Meer.
In das Schwarze Meer münden der Dnepr und der Don , in das Kaspische Meer mündet die Wolga. Über diese Flüsse, die wichtige Handelsstraßen waren, gelangte auch die Langhalslaute in das spätere russische Gebiet.
Von der Tanbur zur Balalaika
Die Gleichsetzung von Balalaika und Tanbur in der Überschrift bezieht sich auf den Instrumententyp: Tanbur bezeichnet den Urtyp der Langhalslaute.
Die Balalaika als Langhalslaute ist eine Weiterentwicklung dieses Instrumententyps.
Es gibt eine historische Verbindung mit der persischen Langhalslaute "Tanbur".
Es ist sogar anzunehmen, dass "Tanbur" im ersten russischen Staat (gegründet
862 in Nowgorod) dasselbe Instrument war, das später "Balalaika"
genannt wurde.
Gestützt wird diese Annahme durch eine schriftliche arabische Quelle aus dem
10. Jahrhundert, deren Verfasser der Sekretär des Kalifs von Bagdad ist.
Er verzeichnet in seinen Notizen, dass in der Begräbniszeremonie bei den
„Russen“ neben Nahrungsmittel auch eine "Tanbur" mit ins Grab gelegt wurde.
( Das russische Musikquartett "Exprompt" weist auf ihrer Website explizit auf
diese Quelle hin. Die Mitglieder von "Exprompt" sind Absolventen des Konservatoriums in Petrosavodsk und informieren auf ihrer Website über
russische Musikinstrumente: http://www.exprompt.ru)
Siehe auch im Litaraturverzeichnis dieser Website folgende Quelle:
Ibn Foszlan's und anderer Araber Berichte über die Russen älterer Zeit.
St. Petersburg 1823
Tanbur-Instrumente
In vielen Regionen Asiens ist der Name "Tanbur" zur Bezeichnung der Langhalslaute bis heute lebendig. So bei den Uiguren in China ( "Tünbür" ), bei den Kurden ("Tembur"), bei den Tschetschenen im Kaukasus (Pondar), in Aserbaidschan (Shirvan tambur), in Afghanistan (Tambur) und vielen anderen.
Siehe in der Bildleiste links die tschetschenische Pondar (Pandur, Tanbur).
Die Bezeichnung "Balalaika" ist bei den Tschetschenen - trotz der seit dem 16. Jhd. bestehenden russischen Einflußnahme - für die Langhalslaute nicht gebräuchlich.
Von der Tanbur zur Mandoline
In Westeuropa wurde das Wort "Tanbur" bzw. "Pandur" zu "Pandurina", woraus sich die Bezeichnung "Mandolina" und "Mandoline" entwickelte.
Exkurs: Persien und Europa
Als Alexander der Große 331 v. Chr. das persische Großreich der Achämeniden besiegte, begann eine Verschmelzung der Kulturen größten Ausmaßes.
Das durch Alexander begründete griechische Weltreich läutete die Epoche des Hellenismus ein: östliche und westliche Kultur verschmolzen miteinander.
Das persische Weltreich selber hatte schon vorher die Kulturen Babylons und Ägyptens mit seiner eigenen Kultur verbunden. Persien, das erste Weltreich der Geschichte, kann deshalb als ein Quellort der modernen Kulturgeschichte betrachtet werden. Durch die politische Verbindung mit Griechenland wurde diese Quelle auch für Europa erschlossen. Persien hat nicht nur Griechenland beeinflußt, sondern darüber hinaus große Teile Asiens und viele Nachfolgekulturen, z.B. die arabische.
Die griechisch/persische Kultur des Alexanderreiches ist eine Lichtquelle, die nicht erloschen ist und die bis in unsere heutige Zeit ausstrahlt. Sogar die heutige deutsche Sprache ist persisch beeinflußt.
Eine Auswahl von Worten der deutschen Sprache, die persischen Ursprungs sind:
Baldachin
Basar
Diwan
Kaftan
Karawane
Kaviar
Khaki
Kiosk
lila
Jasmin
Joch
Magie
Mord
Maus
Orange
Paradies
Pfirsich
Pistazie
Pyjama
Rochade
Schach
Schal
Scheck
Spinat
Stern
Tasse
Tulpe
und
warm
Zucker
Drei historische persische Musikinstrumente:
Tanbur - Barbat - Santur
Im Kapitel "Balalaika und Birke" wurde ein russisches Vokslied zitiert, in dem von einem Mädchen erzählt wird, die zwei Musikinstrumente aus einer Birke herausschält: Gudok ( ein Streichinstrument) und Balalaika (Zupfinstrument).
Beide russische Instrumente haben ihre Vorfahren in zwei Zupfinstrumenten des alten Persien: Barbat und Tanbur.
Der Barbat wurde zwar in Persien als Zupfinstrument gespielt, seine Form aber wurde zum Vorbild für die kurzhalsige Rebec, aus der viele Instrumente der Geigenfamilie entstanden sind:
z.B. bulgarische Gadulka, russischer Gudok, kretische Lyra und unzählige andere, die alle miteinander formverwandt sind.
In dem genannte Volkslied wird es nicht erwähnt, aber ebenfalls aus dem Holz der Birke wurde ein anderes, in Nordrussland, Karelien und Finnland sehr verbreitetes Musikinstrument geschnitzt: die finnisch/karelische Kantele, ein schmal-dreieckiges Psalterium bzw. die russische krylovidnyje gusli.
Kantele und Gusli sind Psalterien. Wie Tanbur und Barbat hat auch das Psalterium seine Vorfahren in Persien. Das Psalterium ist eine dreieckig-trapezförmige Kastenzither. Die persische Bezeichnung lautet: SANTUR.
Dem Wort "Santur" liegt das griechische Wort "Psalterium" zu Grunde. Seit der Hellenisierung Persiens durch Alexander den Großen wurden viele persische Worte "vergriechischt". Umgekehrt wurden
viele persische Worte in die griechische Sprache aufgenommen. Wie die alte vorhellenistische Bezeichnung der persischen Kastenzither lautete, ist nicht bekannt. In Russland wurde das Psalterium
"Gusli" genannt.
Zusammenfassung:
Gudok (russisch) = Barbat (persisch)
Balalaika (russisches Wort tatarischen Ursprungs) = Tanbur (persisch)
Gusli (russisch) = Psalterium ( griechisch) = Santur (persisch)
Zwei Lautentypen des alten Persien:
Tanbur und Barbat
Sichere historische Beweise gibt es - wie fast immer in der Instrumentenkunde - nicht, aber es ist anzunehmen, daß die Perser die Langhalslaute Tanbur sehr wahrscheinlich von den Ägyptern übernommen haben. Ägyptische Grabmalereien aus dem 15.Jhd. v.Chr. ( "Neues Reich" ) belegen die Verbreitung der Langhalslaute in Ägypten. (Siehe Bild unten)
Aber es ist auch möglich, daß die persische Langhalsauten-Tradition ihre direkten Wurzeln bei den Sumerern und Babyloniern hat - ohne Umweg über Ägypten. Das wäre sogar "naheliegend".
Die Kurzhalslaute Barbat - so wird angenommen - ist in Persien selber (im iranischen Hochland) entwickelt worden, wahrscheinlich bereits zur Zeit der Achämeniden (4.Jhd. v.Chr.), nachweislich aber zur Zeit der Sassaniden (3. - 7.Jhd. n.Chr.). Der erste russische Staat wurde 862 n.Chr. gegründet mit Handelsverbindungen nach Persien.
Wie und wo auch immer die beiden Instrumente entstanden sind, es gilt:
Die alte persische langhalsige T a n b u r und die alte persische kurzhalsige
B a r b a t repräsentieren zwei "Grundmodelle" aller Lauteninstrumente.
Das k u r z h a l s i g e Zupfinstrument Barbat
ist das Grundmodell für die gestrichenen Lauten (Geige, Rebec, Gudok, Gadulka);
Dass Zupfinstrumente als Streichinstrumente verwendet werden, dafür gibt es außer dem Barbat viele andere Beispiele. Die keltische Chrotta war anfangs ein Zupfinstrument; ab dem 11. Jhd. wurde sie auch als Streichinstrument benutzt und dazu baulich verändert: Streichinstrumente benötigen einen höheren Steg, der zudem eine Wölbung aufweist.
Das russische Ensemble Rusichi tritt seit 2013 mit einer zum Gudok (Geige) umgebauten Krylovidnyje Gusli (schmal-dreieckige Kantele mit Spielfenster) auf, einem Instrument nach dem Vorbild der finnischen Jouhikko-Geige.
Das l a n g h a l s i g e Zupfinstrument Tanbur
ist das Grundmodell für die die gezupften Lauten, auch für die Balalaika.
Lauten mit kurzem und mit langem Hals:
Beispiele historischer Lauten
Beispiel 1:
Persischer Barbat -
Laute mit kurzem Hals
Die Darstellung zeigt einen Kurzhalslautenspieler. Die Zeichnung wurde angefertigt nach einer Terrakottafigur, die in Khotan in Nordwestchina, an der Seidenstraße gelegen, gefunden wurde. Bei dem Instrument handelt es sich um eine Laute, eine Rebab vom Typ der persischen Barbat. Über das Alter der Figur finden sich leider keine Angaben. Aus der Darstellung ist nicht ersichtlich, ob der
Lautenkorpus aus einem Stück Holz herausgeschält ist oder ob er aus einem der Länge nach halbierten Kalebassen-Kürbis besteht, dessen Öffnung mit einem Holzbrett abgedeckt wurde: beides sind uralte Fertigungsmethoden der Laute.
Als Vorgängerin der Balalaika kommt dieser Lautentypus nicht in Frage, denn die Balalaika gehört zu einem anderen Grundtyp der Laute:
der Langhalslaute.
Bildnachweis: (aus wikipedia "Barbat".)
http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ABritannica_Rebab_Pear-shaped_Rebab_from_Khotan.jpg
Der originale Bildtext lautet:
Möglicher Vorläufer der sassanidischen Kurzhalslaute barbaṭ und der chinesischen pipa. Umzeichnung nach einer im zentralasiatischen Khotan ausgegrabenen Terrakottafigur.
Weiteres Zitat aus dem genannten Wikipedia-Artikel:
"Die Kurzhalslaute dürfte nach Lage der Fundstätten zu urteilen im Bereich vom Iranischen Hochland bis nach Nordindien entwickelt worden sein."
Beispiel 2:
Ägyptische Langhalslaute 15. Jhd. v. Chr.
Die Darstellung zeigt drei Musikantinnen: Flötenspielerin, Lautenspielerin und Harfenspielerin.
Auffällig bei der dargestellten Langhalslaute ist der wirklich sehr lange und sehr dünne Hals der Tanbur. Das Instrument besitzt keine Saitenwirbel. Die Saiten wurden, wie es bei frühen Saiteninstrumenten üblich war, am Halsende festgebunden und durch Aufwickeln bzw. Abwickeln der Bünde in ihrer Tonhöhe verändert. Bei der afrikanischen Kürbisharfe Cora ist dies oft heute noch üblich. Ob der Korpus der ägyptischen Tanbur aus Holz oder aus Kürbis bestand, ist aus der Darstellung heraus nicht erkennbar.
Ob Kürbis- oder Holzschalenkorpus: der Instrumentenhals wird durch den Korpus hindurchgesteckt worden sein: dieser Instrumententypus heißt Spießlaute.
Beispiel einer Spießlaute
Kürbis mit langem Stab: Die türkische Kemane
Frühe Form der Balalaika ?
Die historische Kalebassen-Balalaika -
eine Spießlaute ?
Kalebassen-Lauten waren meist Spieß-Lauten: so werden Instrumente genannt, bei denen ein hölzerner Instrumentenhals gänzlich durch den Kalebassenkorpus hindurchgeführt ist. das war die einfachste Art, an den Kalebassenkorpus einen Instrumentenhals anzubringen. Der halbierte Kürbis wurde sozusagen "aufgespießt".
Eine solche Kürbis-Balalaika, wie sie auch bei Gogol erwähnt wird, wird vermutlich so ähnlich ausgesehen haben wie die heutige türkische Kemane.
Ein Merkmal dieser Spießlauten ist die am Ende des Korpus herausragende Spieß-Spitze: der Stachel. Er dient aber nicht - wie der Stachel beim heutigen Kontrabass - zum Aufstellen auf den Fußboden, sondern zum Befestigen der Instrumentensaiten.
Bei zweisaitigen Instrumenten wurden die beiden Saiten direkt um den Stachel geführt. Bei den dreisaitigen Geigen wurde ein Saitenhalter mittels einer Schnur am Stachel befestigt. Siehe nachfolgendes Foto.
Von der Kalebasse zum Holzkorpus
Als später viele Kürbisinstrumente in Holzbauweise hergestellt wurden, wurde dieser praktische Stachel übernommen und aus dem Holz herausgeschnitzt. Bei der Holz-Balalaika wird dies anfänglich auch so gewesen sein. Die russische Geige, der Gudok, besitzt heute noch diesen Saitenstachel, ebenfalld die bulgarische Gadulka, die oben auf dem Foto zu sehen ist.
Vom Stachel ausgehend laufen die Saiten über Decke und Hals zu den Stimmwirbeln.
Heutige Balalaiken besitzen keinen Stachel mehr zur Saitenaufhängung, sondern Holzstecker, die in das Hinterbrett (Sadinka) eingestöpselt sind, oder einen metallenen aufgeschraubten Saitenhalter aus Metall mit Einhängehaken für die Saitenschlingen.
Die Saite schwingt zwischen OBERSATTEL ( bzw. 0-Bund) und STEG ("Brücke"). Die Strecke zwischen diesen beiden Schwellen (porogi) ist die Mensur.
Der Hals kann bundlos sein ( wie bei vielen arabischen Lauten) oder verschiebbare bzw. fest-eingelassene Bünde tragen. Verschiebbare Bünde hatten noch Balalaiken des 19.Jhds.: siehe Dokumentation.
Heute gibt es bei der Balalaika nur fest eingelassene Metallbünde.
Verschiebbare Bünde haben aber die heutige persische Tanbur, die türkische Baglama und verschiedene zentralasiatische Tanbur-Lauten , z. B. die kasachische Dombra.
Das Mensurverhältnis
Das Verhältnis von Halsmensur zur Korpusmensur
Das Mensurverhältnis setzt den Bereich der Saite, der über dem Hals verläuft, in Beziehung mit der Saitenstrecke, die über den Instrumentenkorpus bis zur Brücke (Steg, Pferd, Kobylka) verläuft.
An diesem Verhältnis kann man erkennen ob es sich um ein Kurzhals- oder um ein Langhals-Instrument handelt.
Ist die Halsmensur gleich lang oder länger als die Korpusmensur, handelt es sich um ein Langhals-Instrument.
Ist die Halsmensur kürzer als die Korpusmensur, handelt es sich um ein Kurzhals-Instrument.
Oft ist das Mensurverhältnis schwer zu bestimmen, besonders bei Instrumenten, die einen stetigen Übergang zwischen Hals und Korpus aufweisen, wie z.B. bei der Gudok.
Die Einteilung der Lauten:
Kurzhals-Lauten und Langhals-Lauten
Lauteninstrumente werden unterschieden in Langhalslauten und Kurzhalslauten. Eine allgemeine einheitliche Definition dieser Aufteilung gibt es jedoch nicht. Oft geschieht die Einordnung sehr subjektiv und nach Augenschein.
Eine Methode der Einteilung in Langhals- und Kurzhalstyp bezieht sich auf das Mensurverhältnis.
Das Mensurverhältnis
Halsmensur und Korpusmensur
Das Mensurverhältnis setzt den Bereich der Saite, der über dem Hals verläuft, in Beziehung mit der Saitenstrecke, die über den Instrumentenkorpus bis zur Brücke (Steg, Pferd, Kobylka) verläuft.
An diesem Verhältnis kann man erkennen ob es sich um ein Kurzhals- oder um ein Langhals-Instrument handelt.
Ist die Halsmensur gleich lang oder länger als die Korpusmensur, handelt es sich um ein Langhals-Instrument.
Ist die Halsmensur kürzer als die Korpusmensur, handelt es sich um ein Kurzhals-Instrument.
Oft ist das Mensurverhältnis schwer zu bestimmen, besonders bei Instrumenten, die einen stetigen Übergang zwischen Hals und Korpus aufweisen, wie z.B. beim Gudok.
Oktave = halbe Mensur.
Die Position des Oktav-Bundes
Da die halbe Mensur eine Oktave beträgt, kann man bei einer chromatischen Bundierung schnell erkennen, ob es sich um ein Langhals- oder ein Kurzhalsinstrument handelt:
Langhals = 12. Bund a u f dem Hals oder auf der Naht Hals/Korpus
Kurzhals = 12. Bund h i n t e r der Nahtstelle Hals/Korpus auf dem Korpus
Die Mensur wird in wechselnden Verhältniszahlen angegeben, zB. wird die Geigenmensur mit dem Zahlenbild 2 : 3 angegeben, das Violoncello = 7 : 10.
Es empfielt sich aber - wegen der besseren Vergleichbarkeit - den Wert der Korpus-Mensur konstant auf den Nennerwert "1" zu setzen. Man kann so (auch ohne Taschenrechner) am vorangestellten Zählerwert sofort die Halslänge ableiten und diese mit anderen Instrumenten vergleichen.
Beispiele:
Laute mit Mensurverhältnis (Hals:Korpus) 1,00 : 1 = Typ Langhalslaute.
Laute mit Mensurverhältnis (Hals:Korpus) 1,10 : 1 = Typ Langhalslaute.
Laute mit Mensurverhältnis (Hals:Korpus) 0,90 : 1 = Typ Kurzhalslaute.
Anwendung:
Geige. Mensurverhältnis 2 : 3 = 0,67 : 1 Geige = Kurzhalslaute
Violoncello. Mensurverhältnis 7 : 10 = 0,70 : 1 Cello = Kurzhalslaute
Ukulele. Mensurverhältnis 17 : 17 = 1,00 : 1 Ukulele = Langhalslaute(!)
Balalaika. Mensurverhältnis 26,3 : 17 = 1,54 : 1 Balalaika = Langhlslaute
Bei der türkischen Baglama unterscheidet man zwischen Kurzhals-Baglama und Langhals-Baglama. Vom Mensurverhältnis her gehören jedoch b e i d e Instrumente zum Typ der Langhals-Lauten: Stets liegt der Oktav-Bund a u f dem Hals.
Die Balalaika: eine "1,54er -Langhalslaute"
Die heutige Balalaika hat ein Mensurverhältnis von ca. 1,54 : 1 .
Die Balalaika ist also ein Langhalsinstrument. Kennzeichen der "Langhälser":
Die gegriffene Oktave (der Oktavbund) befindet sich a u f dem Hals - und es sind in der Regel sogar noch mehrere darüber a u f d e m H a l s untergebracht.
Bei der chromatischen Balalaika sind es 4 Bünde = 4 Halbtöne.
Diese zusätzliche Strecke über dem Oktavbund macht den Wert von "- ,54" aus.
Der 16. Bund: die Grenzlinie
Die chromatische Balalaika, die es seit Andreyev 1888 gibt, besitzt in der Regel 16 Bünde auf dem Hals.
Der 16. Bund ( das "gis" auf der A-Saite = das "dis" auf der E-Saite) markiert zugleich den Übergang (die Nahtstelle) vom Hals zum Korpus.
Manche Instrumentenbauer setzen bei 16-bündigen Balalaiken den 16.Bund praktischerweise direkt in die Stoßfuge zwischen Hals und Korpus hinein.
Die Stabilität der Hals-Korpus-Verbindung leidet darunter nicht, denn hier herrscht eine D r u c k - Kraft.
Frühe Formen der Balalaika (vor 1883) hatten einen sehr langen Hals und ei-
nen sehr kleinen Korpus:
das Mensurverhältnis Hals-Korpus betrug hier = 1,7 : 1 !
Das ist das Mensurverhältnis der alten persischen Dutar, der "Urgroßmutter" der Balalaika und zugleich Urtyp der heutigen türkischen Baglama-Saz.
Bei letzterer beträgt die Länge der Halsmensur 51 cm, die Länge der Korpus-Mensur 29 cm. ( 51 : 29 entspricht dem Mensurverhältnis von 1,76 : 1 )
Langhalslaute und Kurzhalslaute:
Einteilung nach dem Längenverhältnis von Hals und Korpus
Eine zweite Methode der Bestimmung, ob es sich um eine Langhals- oder eine Kurzhalslaute handelt, ist das Nachmessen der Länge von Hals und Korpus:
Langhalslaute:
Gesamt-Halslänge (mit Wirbelbrett) gleich oder größer als die Korpuslänge
Kurzhalslaute:
Gesamt-Halslänge (mit Wirbelbrett) kleiner als die Korpuslänge.
Auch nach diesem Bemessungskriterium ist die Balalaika eine Langhalslaute:
Beispiel:
Gesamtlänge der Balalaika = 68 cm
Länge des Halses = 40 cm
Länge des Korpus = 28 cm
Der Langhalsfaktor beträgt hier 1,42 (statt 1,54)
Auch die Ukulele ist nach dieser Berechnungsmethode eine
Langhalslaute:
Gesamtlänge Ukulele = 53 cm
Länge des Halses = 30 cm
Länge des Korpus = 23 cm
Der Langhalsfaktor beträgt hier 1,76 (statt 1)
Das Ergebnis dieser Bestimmungsmethode wird oft verfälscht durch die Länge des Wirbelbretts, die nicht immer funktional bestimmt ist, sondern vom Instrumentenbauer willkürlich festgelegt und frei künstlerisch gestaltet wird.
Der lange Hals wird verkürzt
Als die Balalaika noch 2-saitig war, war die Spielweise eine andere als heute.
Es wurde nur auf e i n e r Saite die Melodie gespielt.
Die M e l o d i e s a i t e war die hohe A-Saite, die tiefere E-Saite klang ungegriffen als Bordunsaite mit.
Als die Spieler begannen, auch die tiefere Saite mitzugreifen, um Akkorde zum Klingen zu bringen, erwies sich der lange Hals der von der persischen Dutar abgeleiteten Balalaikaform als
ungünstig: die Akkordgriffe erforderten einen Fingerspagat, den nicht jeder beherrschte - oder der von vornherein anatomisch unmöglich war.
Als die Balalaika in der 1. Hälfte des 19.Jahrhunderts dreisaitig wurde und
D r e i k l ä n g e zu greifen waren, wurden diese Probleme noch größer
(Ein " D r e i - Finger-Spagat !" auf weit auseinander leigende Bünden war noch schwerer zu beherrschen als ein Zwei-Finger-Spagat.)
So ergab sich von selber - wegen der besseren Greifbarkeit der Akkorde und Dreiklänge - im Lauf der Entwicklung die Notwendigkeit einer Verkürzung des Halses.
Dennoch ist die Balalaika - im Gegensatz zur Mandoline - ein eindeutiges Langhals-Instrument geblieben, denn der Hals beherbergt eine Tonstrecke, die länger ist als eine Oktave:
hinter der gegriffenen Oktave ( dem 12. chromatischen Bund) liegt - immer noch auf der Halsmensur - eine große Terz bereit, d.h. 4 chromatische Bünde. Erst nach diesem 4.Bund oberhalb der Oktave beginnt der Korpus und die Korpus-Mensur.
Die Mandoline - ebenfalls ein Lauteninstrument - hat diese Langhals-Disziplin nicht eingehalten. Sie hat ihren Hals so stark verkürzt, daß noch nicht einmal 1 Oktave auf ihm Platz hat. Die Oktave liegt meist auf dem 2. Bund der Korpus-Mensur.
Bei der russischen Mandoline beträgt das Verhältnis Halsmensur : Korpusmensur = 15,5 cm : 20cm. Das entspricht einem Mensurverhältnis von 0,75 : 1.
Die russische Mandoline ist also ein typisches Kurzhalsinstrument.
Ein anderes russisches Instrument, der Gudok (die Geige), ist noch kurzhalsiger.
Ihr Mensurverhältnis ist 0,7 : 1.
Eine andere Ausführung des Gudok, die Pontos-Lira (Kemence), die ebenfalls in Russland verbreitet war, und die heute noch in der Türkei gespielt wird, besitzt den wohl kürzesten Hals, den ein Lauteninstrument aufzuweisen hat:
ihr Mensurverhältnis beträgt 0,3 : 1 . Ihre Halsmensur beträgt 8 cm, die Korpusmensur 26 cm.
Für die Spielbarkeit eines Instrumentes entscheidend ist nicht nur das Mensurverhältnis, sondern - was das Saitenfeld angeht - viele andere Faktoren,
z.B. die absolute Länge der (Gesamt-)Mensur, die Saitenqualität, der Abstand zwischen den Saiten und den Bünden, und vieles mehr.
Die Balalaika:
Schalen-Halslaute oder Kasten-Halslaute?
Man unterscheidet Kastenhalslaute und Schalenhalslaute.
Der Korpus der Kastenhalslaute besteht aus d r e i Teilen:
einer Decke oben und einem Bodenbrett unten und einer umlaufende Zarge, die Deckenbrett und Bodenbrett miteinander verbindet.
Die Gitarre ist das typische Beispiel für eine Kastenhalslaute.
Der Korpus der Schalenhalslaute besteht aus z w e i Teilen:
eine Schale, aus einem Holzstück herausgeschnitzt oder aus Holzspänen (Planken) zusammengesetzt und einer Decke, die die Schalenwölbung verschließt. (Decke aus Holz oder aus Tierfell ,-haut wie beim Banjo)
Die Balalaika besitzt stets eine H o l z decke.
Die heute hergestellten Balalaiken sind in ihrer Korpusform sehr variabel.
Nicht immer liegt eine reine Schalenform vor. Es gibt sehr kastige Exemplare.
Die beiden nachfolgenden Bilder dokumentieren beide Formen.
Weitere Bildbeispiele am Ende von 3.0 Balalaika und Gusli
Gibt es reine K a s t e n - Balalaiken?
Reine Kastenhalslauten sind z.B. Gitarre und Geige. Bauart: Flache Decke und flacher Boden (beide können auch schwachgewölbt sein), umlaufende senkrechte Zarge, im 90 Grad-Winkel zu Decke und Boden stehend. Auch die mongolische Pferdekopfgeige Morin chuur ( морин хуур ) ist eine reine Kastenlaute.
Gibt es Kasten-Balalaiken ähnlicher Bauart?
In Werk- und Bastelbüchern sind solche Kastenbalalaiken die Normalform, denn
ein Kastenkorpus ist einfacher zu bauen als eine Schale mit stark gewölbtem Boden.
Selbstbau-Balalaiken, die nach der Anleitung von Werkbüchern für Jugendliche
und im schulischen Werkunterricht gebastelt werden, sind aus Gründen der Einfachheit der Herstellung immer als Kastenhalsinstrumente konstruiert:
Man nehme ein dreieckiges Brett oben, ein dreieckiges Brett unten und verbinde beide mit einer umlaufenden 4 cm breiten Holzleiste, der Zarge. Dann folgt das Anleimen des Halses, Saiten drauf, fertig!
Zahllose Pfadfinder-Balalaiken sind so gebaut worden.
Auch in Russland sind solche Kastenbalalaiken bisweilen gebaut wurden.
Es handelt sich hier aber um "Dorfbalalaiken".
Reine Kasten/Zargen-Balalaiken in gezimmerter Bauart und professioneller Ausführung sind sehr selten anzutreffen.
In meiner SYSTEMATIK der Balalaika ( in 1.2.) habe ich diesen Kastentyp als
eine von vielen Korpusvarianten aufgeführt.
H e u t e wird keine Meister-Balalaika weder in Russland noch anderswo so gebaut.
Abbildungen historischer Balalaiken in der Musikinstrumenten-Fachliteratur
und in Instrumentenkatalogen legen die Annahme einer reinen Kastenkorpus-Balalaika-Konstruktion nahe. Die Crux ist, daß Balalaiken fast immer nur in der Decken-Ansicht gezeigt werden und sehr selten in der Ansicht Korpusboden
und Sadinka (Hinterbrett).
Im Buch von Michael Goldstein "Michael Ignatieff und die Balalaika", sind auf
einer Bildtafel (auf Seite 12) Balalaiken abgebildet, die eine Zargen-Kasten- Bauform erkennen lassen.
Für e i n d e u t i g e Hinweise in dieser Richtung wäre ich dankbar.
Vielleicht ist in einem russischen Musikinstrumentenmuseum ein solches Instrument vorhanden. Wenn jemand davon weiß, bitte ich um eine Nachricht.
Die heutige Balalaika: ein Hybrid-Instrument.
Nur theoretisch sind zwei Wege hin zu dieser Hybridform möglich:
1. Die Ausgangform ist eine Schalenhalslaute, die in Richtung dreieckiger Kastenzither umgeformt wurde,
(z.B. um einen bestimmten Klang zu erreichen).
2. Die Ausgangsform ist eine dreieckige Kastenzither (Gusli), die durch Ansetzen eines Halses zu einer Laute umgebaut wurde.
(z.B. um die Saiten durch Greifen verkürzen zu können).
Vielleicht gab es in der Entwicklung der Balalaika beide Wegbeschreitungen.
Die größte historische Wahrscheinlichkeit besitzt die Aussage 1:
Eine Schalenhals-Laute ( persische Tanbur, asiatische Dombra) stellt die Urform für die heutige moderne Balalaika dar.
Tatarische Dombra, russische Balalaika
Noch einmal zurück zur Frage des Ursprungs der Balalaika. Nur weil der Name "Balalaika" einen tatarischen Ursprung hat, bedeutet dies nicht, daß auch der Ursprung des Instruments tatarisch ist.
Eine Unsicherheit bei der Namensherleitung gibt es: Wurde die Langhalslaute (wahrscheinlich eine Kalebassen-Spießlaute) bei den Tataren selber mit dem Namen "Balalaika" bezeichnet, oder ist dieses Wort eine russische Sprachschöpfung? Zur Zeit des Tatarenjochs (und schon vorher in russisch-tatarischen Grenzgebieten) sprachen viele Russen auch tatarisch. Sie übernahmen freiwillig Wörter aus der tatarischen Sprache; sie wurden nicht dazu gezwungen.
Vergleiche die vielen Anglizismen im Wortschatz der deutschen Sprache.
Bei den Tataren selber war die Langhalslaute unter dem Namen Dombra bekannt und verbreitet.
In Russland waren Langhalslauten, die auf die persische Tanbur zurückgehen, gewiß seit der Zeit der Kiewer Rus ( seit 862 ) bekannt, jedoch unter anderen Namen. Der tatarische bzw. tatarisch beeinflußte Name "Balalaika" wird frühestens seit dem 13. Jhd. auf die russische Langhalslaute übertragen worden sein.
Nicht nur in Russland, sondern bei vielen anderen Volksgruppen ( tatarischen, turko-tatarischen, mongolischen ) zwischen dem Baltischen und dem Kaspischen Meer war dieses alte persische Instrument verbreitet und in Gebrauch.
Russland lag an wichtigen Handelsstraßen, es war kein abgeschottetes Gebiet.
Von 1240 bis 1480 hatten die Tataren die Oberhoheit über Russland.
Natürlich gab es Beziehungen zwischen beiden Völkern. Neuere Forschungen aber zeigen, dass der Einfluss der Tataren auf die russischen Gebiete geringer war als bisher angenommen. Die Tataren hatten ein militärisches Interesse, sie wollten keine Assimilation der Kulturen nach dem Beispiel Alexander des Großen, der eine Verschmelzung von griechischer und persischer Kultur anstrebte.
Der Mongolensturm und das "Tatarenjoch" von 1223 - 1480 war eine Zeit politischer Unterdrückung, unter der das russische Volk litt.
Aber es gilt auch: Wie es bei allen Kulturen der Fall ist, hat aber auch die russische Musikkultur fremde Vorbilder übernommen und an diese angeknüpft.
Musikinstrumente der Nachbarvölker wurden den eigenen Traditionen, Bedürfnissen und dem eigenen Musikempfinden entsprechend verändert.
Tatarische Bauweisen der Langhalslaute werden vielleicht auch auf russische Bauweisen eingewirkt haben. Ebenso wahrscheinlich ist aber auch der umgekehrte Weg.
Der umgekehrte Vorgang hat stattgefunden zur Zeit der Sowjetunion, als viele asiatische Musikinstrumente "sowjetisiert" wurden, d. h. dem russisch-europäischen Standard angeglichen wurden: chromatische Bundierung, Wirbelmechanik u.a.
Es gab viele Varianten der persischen Tanbur. Sie wurde entweder als Spießlaute bestehend aus einem halbierten Kürbis und einem Holzstab gebaut, oder aus einem Holzstück herausgeschält und hatte eine ovale bis schaufelähnliche Form.
In Russland wurde das Instrument kurzhalsiger gebaut und bekam einen größeren und breiteren Korpus als die Langhalslauten der Nachbarvölker.
Das 12. Jahrhundert: Die Gusli als Vorbild der Balalaika
Vermutlich im 12. Jahrhundet wurde in Russland die "Ehe" mit einem dreieckigen Instrument angebahnt: dem aus Europa bekannten, aber aus Persien stammenden Psalterium, dessen dreieckig-trapezförmiger Korpus eine größere Klangfülle hatte als der kleine Korpus der asiatischen und kaukasischen Tanbur-Lauten.
Das Psalterium war in Russland bereits zur Zeit der Kiewer Rus verbreitet, wurde dort Gusli genannt und war das russische Nationalinstrument. An der Form der Gusli nahm die Tanbur/Dombra/Balalaika Maß: die Entwicklung zur heutigen Balalaikaform war eingeleitet.
Die eine "Ur-Balalaika" -
oder mehrere frühe Balalaikaformen ?
Von einer "Urbalalaika" zu sprechen (wie es oft getan wird) ist problematisch.
Es gab verschiedene Instrumente, die "Balalaika" genannt wurden. Sie alle trugen ihren Teil zur heutigen Balalaika bei.
Bezieht man den Begriff "Ur-Balalaika" auf den Instrumententyp, also: "die Balalaika als Langhalslaute", dann ist die persische Tanbur als Urbalalaika zu bezeichnen.
Bezieht man "Ur-Balalaika" auf die Dreiecksform der Langhalslaute, dann wird die Definition schwierig: ab wann ist ein Dreieck ein Dreieck? Ist die Paddel/Schaufelform bereits als Dreieck zu bezeichnen?
Bezieht man "Urbalalaika" auf die erste nachweisbare Erwähnung des Namens "Balalaika", dann wird es erst recht schwierig. Denn mit dem Wort "Balalaika" wurden nachweislich viele unterschiedliche Langhalslautenformen bezeichnet.
Es gab 2 Bauformen der frühen Balalaika:
1. Die Kürbis-Balalaika
2. Die Holz-Balalaika
Beide Instrumente sind verwandt mit der zentralasiatischen Dombra, die wiederum auf die persische Dutar (die zweisaitige Tanbur) zurückgeht.
Das W o r t "Balalaika" ist tatarisch. Die Mongolen/Tatarenherrschaft über Russland dauerte von 1223 - 1480. Wann das tatarisch geprägte Wort "Balalaika" auf die russische Langhalslaute(n) übertragen wurde, ist nicht zu ergründen.
Die frühen Balalaiken hatten nicht drei, sondern nur 2 Saiten: wie die persische Dutar. Die persische Dutar ( Du = zwei , tar = Saite) wurde aus zwei verschiedenen Materialien hergestellt wurde:
1. Kürbis (Kürbis-Laute)
Korpus aus einer Kalebasse bestehend, mit separatem angesetzten Hals.
: Indische Dotara (2-saitige gezupfte Kürbis-Spießlaute, fellbespannt)
: Türkische Kabak-Kemane( 4-saitige gestrichene Kürbis-Spießlaute, fellbespannt)
: nordindische Dotara. Kalebassen-Zupflaute, fellbespannt
: Indonesische Kalebassenlaute, holzgedeckt
2. Holz (Holz-Laute)
Korpus aus einem ausgehöhlten Holzstück bestehend. Hals an Korpus angeleimt (angeschäftet) oder Korpus und Hals aus einem Stück.
Der Korpus ist meistens aus einen einzigen Stück Holz herausgeschält. Die Öffnung oben kann mit einem dünnen Holzbrett oder mit Tierhaut gedeckt sein.
Aus der Fülle dieser Instrumente hier nur ein einige Beispiele:
a. Lauten mit Holzdecke
: Persische Tanbur
: kasachische Dombra
: türkische Baglama (und die kleine Baglama = Cura)
b. Lauten mit Decke aus Tierhaut, - fell.
: bulgarische Gusla, 1-saitig (Streichinstrument)
: usbekische Rebab, 4-saitig (Zupfinstrument)