DIE PERSISCHE LANGHALSLAUTE TANBUR:
IHRE DIREKTEN NACHKOMMEN
INSTRUMENTE IHRES TYPS
IHRE VARIANTEN ( Decke aus Holz oder Tierhaut )
Russische Balalaika aus Holz
Russische Balalaika mit Kürbis-Korpus
Ukrainische Domra
Kasachische Dombra
Ungarische Tambura
Bulgarisch/Mazedonische Tambura
Tamburica (Bosnien, Kroatien, Serbien, Slowenien, Ungarn)
Cifteli (Ciftelia, Qifteli), (Albanien)
Sizilianische Colascione
Griechische Bouzouki
Gusle (Bulgarien, Serbien, Bosnien, gesamter Balkan)
Turkestanische Kopuz
Türkische Baglama
Aserbaidschanische Shirvan tambur
Uigurische Tänbür
Uigurische Dutar
Indische Tanpura
Nachfolgend eine (unvollständige) Aufzählung von Instrumenten,
die alle auf den sumerisch/persischen TANBUR-TYP zurückgehen.
Lauteninstrumente mit flachem und mit rundem Bauch:
Russische Balalaika und türkische Baglama, beides Nationalinstrumente des jeweiligen Landes, beides Schalen-Langhalslauten in unterschiedlicher Form, gehen auf das selbe historische Instrument zurück: die persische Langhalslaute Tanbur. Die türkische Baglama hat den Halbkugel-Korpus der Tanbur vertieft, die russische Balalaika hat ihn verflacht.
Die ältesten Tanburen besaßen einen Kürbiskorpus. Später wurde der Korpus aus einem Stück Holz herausgeschnitzt, noch später aus einzelnen Holzspänen zusam- mengesetzt. Die Balalaika hat den gleichen Weg beschritten. Doch während die meisten Schalenkorpus-Lauten der Tanburfamilie ihre bauchige Form behielten und sogar immer stärker in der Tiefe ausprägten, orientierte sich die russische Balalaika am flachen Kasten des Psalteriums, das in Russland Gusli hieß und dort als "Königin der Saiteninstrumente" das Klangideal darstellte. Die flache Korpusform der Balalaika setzte auch Maßstäbe für die größeren Instrumente der Balalaikafamilie. Obwohl sie auf Bassgewinn hin ausgelegt sind, haben nicht etwa eine tiefbauchige voluminöse Form, sondern sind von erstaunlich flacher Bauart. Eine Alto-Balalaika hat oft eine Tiefe von nur 10 cm: das ist weniger als bei mancher Prim-Blalaika.
Die Abbildung oben zeigt eine Prim-Balalaika in betont kastiger Form. Ihre Korpus-Tiefe beträgt 9,5 cm, ihre Deckenbreite 40 cm.
Bei allen Balalaikagrößen ( Piccolo bis Subkontrabass ) beträgt Verhältnismaß Korpustiefe : Korpusbreite fast immer 1 : 4.
Die ukrainische Domra hat das Maß 1 . 2 (das ist das Maß einer Halbkugel)
Die kasachische Dombra hat das Maß 1 : 2 (hier aber ist der Korpus ein Oval)
Bei der türkischen Baglama ist das Maß 1 : 1
Das Verhältnismaß der griechischen Bouzouki liegt zwischen dem der Dombra und der Baglama.
Die russische Balalaika (Andrejew-Balalaika) ist also die flachste bekannte Tanbur-Form, bezogen auf die Korpusbreite. Oft wird das Verhältnismaß sogar noch unterschritten.
Beispiel Alto-Balalaika: Breite: 47 cm. Höhe: 10 cm. ( Tendenz zu 1 : 5 ! )
Auch wenn die Balalaika sich an dem flachen K a s t e n des Psalteriums orientiert, so blieb sie dennoch eine Schalenlaute. Zargige Ausführungen sind eher die Ausnahme. Sehr viele Balalaiken weisen eine betont schalig-gewölbte Form des Korpus auf, die fast einen Kreisbogen einbeschrieben ist und deshalb einen Kreisabschnitt (= Kreissement) darstellt. Das oben-stehende Bild zeigt eine solche Ausführung.
Doch diese Schalenbalalaiken erreichen nie die fast exakte halbrunde Form etwa der ukrainischen Domra. Die Bodenwölbung der dreieckigen Balalaika tendierte nie zum Halbkreis, sondern war stets auf eine geringe Tiefe und einen flachkurvigen Verlauf bedacht.
In ganz andere Richtung verlief der Entwicklungsweg der türkischen Baglama. Der "Bauch" der Baglama wurde mehr und mehr gerundet und vertieft.
Das ging sogar den Griechen zu weit. 400 Jahre standen sie unter osmanischer Herrschaft, aber sie haben ihre "Baglama", die griechische Bouzouki, nie mit einem so tiefen Bauch versehen wie die Osmanen bzw. später (ab 1923) die
Türken. Die Bauchwölbung der griechischen Bouzouki entspricht ungefähr der Form der italienischen Rundbauch-Mandoline.
Das Bildmaterial, das im Internet verfügbar ist, zeigt immer nur die Deckenform der Bouzouki, nie die Ansicht von der Seite, so daß man die Bodenwölbung nicht sieht. Diese einseitige ungenügende Art der "Dokumentation" ist leider auch bei der Balalaika
beobachten.
Die nebenstehend abgebildete Domra mit einem 7 Späne-Holz-Korpus weist einen halbkugelförmigen Bauch auf.
Höchstwahrscheinlich wollte der Holzbau dieser "runden Balalaika" die ursprüngliche Kürbis-Form des Instruments bewahren. Die Domra wurde bis hinein in das 19.Jhd. in den ländlichen Bereichen aus einem halbierten runden Kürbis hergestellt.
Das größte Bauchvolumen hat die türkische Baglama aufzuweisen. Ein tiefer, stark gerundeter Bauch bedeutet mehr Volumen, bedeutet mehr Bässe und größere Lautstärke. Bei der türkischen Baglama war eine solche Klang-
gewaltigkeit angestrebt, bei der Balalaika nicht. Sie mußte flach bleiben, damit der "Kastenklang" des Psalteriums, der sich u.a. auch durch seine direkte Ansprechbarkeit auszeichnete, wieder zu erkennen war. Je flacher ein Instrument, desto direkter spricht der Ton an.
Die rund-vertiefte Schalen- form der Baglama scheint ihr Vorbild in der Form der Kesselpauke zu haben. Deren Urform, die mesopotamische Pauke Lilissu, ist seit dem 2. Jahrtausend v.Chr. bekannt und in vielen Kulturen verbreitet.
Auch heute noch ist die Kesselpauke (russ. Литавры) mit ihrem großen tiefen halbrunden Kupferkessel und mit über die Öffnung gespanntem Trommelfell ein wichtiges, unverzichtbares und imposantes Orchesterinstrument.