4.3 B A L A L A I K A U N D M A N D O L I N E
KURZE HÄLSE UND LANGE HÄLSE
KALEBASSEN UND ZWIEBELN
Die Balalaika - Eine "dreieckige Mandoline" ?
Balalaika und Mandoline werden oft wegen (angeblich) vieler Gemeinsamkeiten miteinander verglichen, gerne miteinander verwechselt oder sogar einander gleichgesetzt (Balalaika = "russische Mandoline", "dreieckige Mandoline"), trotz verschiedener Saitenzahl und -stimmung. Schuld daran ist wohl das Tremolospiel, das beu Mandoline und Balalaika häufig angewandt wird.
Die Balalaika - eine Sonderform der Mandoline ?
Im Reclams Musikinstrumentenführer, herausgegeben 1992,
verfaßt von Ermanno Briner ist auf Seite 272 folgender Text zu lesen, der doch eher verwirrt als Klarheit schafft:
"Das russische Volksinstrument Balalaika wird als dreieckige Sonderform der Mandoline aufgefaßt; auch ihre Saiten werden mit dem Plektrum angerissen.
Ihres flachen Bodens wegen darf man sie hingegen kaum zu den Lauten-
instrumenten zählen, auch wenn in Italien die Laute oft fast dreieckig gebaut wird, aber unter Beibehaltung der bauchigen Unterseite. Der Boden der Balalaika ist flach, dafür die Decke (mit einer oder mehreren Rosetten) leicht gewölbt. Die drei Darmsaiten gehen über einen Steg zum Sattelknopf am unteren Rande (was wieder an die Mandoline erinnert)."
Wesentliche Unterschiede von Balalaika und Mandoline:
Form, Stimmung, Spielart
Mandoline: Kurzhals + Quintenstimmung
Die Mandoline ist im 17. Jhd. in Süd- bzw. Westeuropa entwickelt worden. Ihr Merkmal: die Kurzhalsigkeit. Weiteres Merkmal: sie besitzt in der Regel vier Saiten, die doppelchörig ausgeführt sind. Die Saiten sind wie bei der Violine in einer Quintenreihe gestimmt: g d’ a’ e’’ (Violine und Mandoline).
Balalaika: Langhals + Quartenstimmung
Die Balalaika ist ein Langhalsinstrument. Als solches hat sie sich ihre persisch-asiatische Herkunft bewahrt und zeigt damit ihre Verwandschaft mt ähnlichen "exotischen" (d.h. orientalisch-asiatischen) Instrumenten wie: persische Tanbur, kasachische Dombra, türkische Baglama, griechische Bouzouki (und davon abgeleitet irische Bouzouki).
Die Balalaika hat 3 Saiten und besitzt Quartstimmung. Die Doppelchörigkeit stellt nur eine Ausnahme dar.
Eine Sonderform der Balalaika, die Domra ("runde Balalaika") zeigt dagegen viele Gemeinsamkeiten mit der Mandoline, weshalb sie auch hier in den Vergleich mit einbezogen wird.
Die Domra (runde Balalaika) hat sich parallel zur dreieckigen Balalaika aus der persischen Tanbur entwickelt.
Die mit der Prim-Balalaika vergleichbare Domra, die "Domra Prima" ist zwar - wie die Balalaika ein Langhalsinstrument, besitzt aber eine kleinere Mensur und tendiert wegen ihrer kleineren Größe eindeutig zur Kurzhalsigkeit der Mandoline. Die Domra Prima kann eine Mensur haben von 42 cm bis 35 cm, so daß sie die 33 cm-Mensur der Mandoline fast erreicht.
Die vielgespielte viersaitige Domra hat wie die Mandoline und die Violine eine Stimmung in Quinten ( g - d’ - a’ - e’’ ).
Die dreisaitige Domra ist in Quarten gestimmt ( Domra Prima: e´ - a´ - d´´ )
Balalaika: Klammergriff und Daumenspiel
Die Sonderstellung der Balalaika ist auch in ihrer Spielart ersichtlich: die e-Saite, die am äußeren Rand des Griffbretts verläuft, wird bei der Balalaika mit dem Daumen gespielt. Das erfordert einen Klammergriff: Der Hals der Balalaika muß beim Greifen der Außen-e-Saite mit der linken Hand umklammert werden. Da dies für mache Hände schwierig ist, wird bisweilen der Balalaika-Hals sehr schmal und dünn gestaltet. Eine solche Balalaika kann nur dreisaitig ausgeführt werden: eine Doppelchörigkeit (mit 6 Saiten) würde wegen der starken Saitenspannung den Instrumentenhals verbiegen.
Mandoline: Kein Daumenspiel
Bei Domra und Mandoline ist das Daumenspiel nicht üblich. Die äußere tiefe Saite wird - genau wie die anderen Saiten - mit den Fingern gegriffen.
Balalaika - Mandoline - Domra
Mandoline und Balalaika
Die Balalaika ist keine Mandoline
Warum wird die Balalaika "die russische Mandoline" genannt?
Der Grund für diese Bezeichnung ist nicht so sehr das Äußere ihrer Instrumentenform ( ihre Formen sind eigentlich sehr unterschiedlich: die Balalaika ist dreieckig, die Mandoline oval, die Domra rund), sondern vielmehr ein einziges Merkmal ihrer Spielart:
Beide Instrumente sind bekannt als Tremolo-Instrumente mit hoher Stimmung.
Aber dieses gemeinsame Merkmal ist zu wenig,um beide Instrumente gleichzusetzen. Die Balalaika ist keine Mandoline.
Mandoline und Domra
Die Domra - eine "russifizierte" Mandoline
Für die Bezeichnung "russische Mandoline" ist die dreieckige Balalaika der falsche Adressat. Der richtige Adressat ist die runde Balalaika, die Domra.
Diese wird bisweilen auch als "russifizierte italienische Mandoline" bezeichnet. Beide haben einiges miteinander gemeinsam:
Domra und Mandoline werden mit dem Plektrum gespielt. Die Balalaika wird mit den Fingern gespielt. (Siehe dazu: 1.8 Der Fingeranschlag)
Die Domra setzt wie die Mandoline die Tremolospielart sehr häufig ein.
Die Balalaika ist im Tremolo zurückhaltender.
Es gibt noch fünf andere Gemeinsamkeiten zwischen Mandoline und Domra.
Siehe dazu: 2.4. Balalaika und Domra
Kein Querriegel-Steg ("Knüpfsteg") bei der Balalaika
Bei der Mandoline ist - im Unterschied zur Balalaika - eine von der Gitarre her bekannte Art der Saitenhalterung gebräuchlich: der Querriegelsteg, an dem die Saitenenden festgeknüpft werden.
Dieser "Knüpfsteg" ist fest auf der Decke aufgeleimt. Man findet ihn außer bei Gitarren auch bei vielen Renaissance- und arabischen Lauten.
Der Knüpfsteg (Querriegel-Steg) ist Saitenhalter und Steg zugleich. An ihn werden die Saiten angeknüpft bzw. angeknotet.
Bei der Balalaika kommt dieser Knüpfsteg nicht vor. Die Saiten sind stets am unteren Instrumentenrand befestigt, entweder am metallenen Saitenhalter, der an das Hinterbrett (sadinka) aufgeschraubt ist, oder oder an Pins, die direkt in die Sadinka gesteckt sind.
Der Steg der Balalaika ist nicht auf der Decke festgeklebt
Vom Saitenhalter aus laufen die Saiten über die 90 Grad-Kante des Untersattels und von dort über den Steg. Dieser ist nicht - wie oft von vielen Anfängern vermutet - auf der Decke festgeklebt, sondern ist lose auf der Decke aufgestellt. Er wird nur durch die Saitenspannung auf die Decke festgedrückt.
Mandoline und Balalaika
Beide Instrumente sind miteinander verwandt: sie gehören zur gleichen Instrumentenfamilie:
zur Familie der H a l s l a u t e n . Es gibt jedoch einen Unterschied:
Die Balalaika ist eine Langhals - Laute
Langer Hals: asiatische Tradition. Bis heute ist die Langhalsigkeit ein Merkmal vieler asiatischer Saiteninstrumente. Sogar die Kurzhalsausführung (kisa sap) der türkischen Baglama ist eine Langhals-Laute!
Die Mandoline ist eine Kurzhals - Laute
Kurzer Hals: europäische Tradition. Italien, Portugal!
Ein zweites:
Die Kurzhals-Laute "Mandoline" gibt es in zwei Bauformen: die sog. italienische (neapolitanische) mit schaligem Rundbauch, und die kastige portugiesische Mandoline mit flachem Bauch. Nachfolgend die Spezifikation.
Die zwei Bauformen der Mandoline:
Italienisch und portugiesisch
Die Mandoline ist seit dem 17. Jhd. bekannt. Es gibt sie in 2 Bauformen:
A. Rundbauch-Mandoline (Bowl back mandolin)
Italienische Form (neapolitanische Form)
S c h a l e n halslaute
B. Flachbauchmandoline (Flat back mandolin)
Portugiesische Form
K a s t e n halslaute
Beide Formen sind sehr unterschiedlich, es gibt keine Übergänge zwischen beiden. Anders bei der Balalaika. Bei ihr finden sich Mischformen zwischen Schale und Kasten.
Die italienische Mandoline
Ein Vergleich mit der Balalaika
Der gestreifte Korpus:
der "Kartoffelkäfer"
Die italienische Mandoline besitzt eine ovale Korpusform und einen aus Spänen zusammengesetzten schalenförmigen
R u n d - Rücken.
Die Späne (Streifen) sind farblich voneinander abgesetzt wie die Rückenmusterung eines Kartoffelkäfers. Deshalb wird sie in Amerika gern "Kartoffelkäfer" genannt.
Kartoffelkäfer
Auch im Balalaikabau werden die Späne gern aus verschiedenfarbigen (hellem und dunklen Holz, im Wechsel miteinander verleimt) gefertigt, so daß ebenfalls das gleiche Streifenmuster entsteht wie bei der Kartoffelkäfermandoline. Wegen der Dreiecksform der Balalaika erinnert das Streifendekor aber weniger an einen Käfer als - wegen des strahlenförmigen Verlaufs - an eine Jakobsmuschel.
Die Gemeinsamkeit des "Kartoffelkäfer"- Späne-Musters des Instrumentenrückes rechtfertigt nicht eine Gleichsetzung der Mandoline mit der Balalaika.
Schmetterling
Nicht nur das streifige Flügel-Dekor des Kartoffelkäfers findet sich bai Mandoline und Balalaika, sondern auch der Schmetterling flattert bisweilen auf beiden Instrumenten herum. Der bevorzugte Lieblingsplatz des Schmetterlings ist allerdings die Mandoline.
Die Spielplatten-Intarsie vieler Mandolinen des 19. und 20. Jhds. wurde gern in Form eines Schmetterlings gestaltet, auch als Deckendekor war der Schmetterling ein beliebtes Motiv.
Das Vorbild dieser Mandolinen hat im Balalaikabau dazu geführt, den Schmetterling als Motiv auf der Schlagplatte und/oder Untersattel anzubringen. Allerdings ist dieses Dekor auf der Balalaika sehr selten anzutreffen.
DIE KORPUSGEOMETRIE
Schalenwölbung und Scheitelpunkt
Auch wenn Mandoline und Balalaika sehr verschiedene Instrumente sind, gibt es doch eine gewisse Übereinstimmung in der Korpus-Geometrie.
Diese wird sichtbar in der Seitenansicht der Instrumente.
Beide, Balalaika und Mandoline, gehören in die Kategorie von Rundbauch-Instrumenten mit asymmetrischer "Bauchkurve". Die Domra , die eine Halbkugel ist, hat eine symmetrische Bauchkurve.
Bei Balalaika, Baglama, (ital.) Mandoline und anderen Rundbauch-Instrumenten ist der Scheitelpunkt zum Korpusende hin verschoben: das Lot ist hier keine Symmetrieachse mehr.
Domra: Symmetrische Schale ( Bogen-Teilung 1:1 )
Die Domra ist das bekannteste Beispiel einer Schalenlaute mit einer symmetrischen runde Kurpusform. (In der Familie der Kastenlauten ist das vergleichbare Instrument das Banjo.) Die Domra hat als Bogenform einen Halbkreis. Beim Halbkreis liegt der Scheitelpunkt der Bogens exakt in der Mitte. Das Lot vom Scheitelpunkt auf die Instrumentendecke ist zugleich die Symmetrie-Achse. (Beim Banjo ist der Scheitelpunkt häufig durch einen Knopf markiert.)
Einen Halbkreis haben auch die jüngere persischer Tanbur (Setar) und die usbekische Rebab.
Rundbauchmandoline: Asymmetrische Schale ( Bogen-Teilung 1:2 )
Die Achse, die durch den Scheitelpunkt geht, ist eine Symmetrieachse und teilt den Körper im Verhältnis 1:1.
Eine symmetrische "Bauchkurve" besitzen Schalenlauten mit halbkugelförmigem Korpus.
Baglama: Asymmetrische Schale ( Bogen-Teilung 1:3 )
Eine noch größere Verschiebung des Scheitelpunktes in Richtung Korpusende weist die türkische Baglama auf.
Balalaika: Asymmetrische Schale ( Bogen-Teilung 1:4 bis 1:5 )
Ein Vergleich von Balalaika, Mandoline und Baglama ergibt, daß die Balalaika mit der Baglama die größere geometrische Übereinstimmung besitzt, mehr als mit der italienischen Mandoline.
SCHEITELPUNKT-POSITIONEN
In der Tabelle oben sind die Scheitelpunkt-Maße angegeben.
Die angegebenen Zahlen sind die Teilstrecken-Längen.
Domra (Halbkugel) 1 : 1 ( = Scheitelpunkt in der Mitte )
Ital. Mandoline 1 : 2 ( = Scheitelpunkt im Drittel der Länge )
Baglama 1 : 3 ( = Scheitelpunkt im Viertel der Länge )
Balalaika 1 : 4 ( = Scheitelpunkt im Fünftel der Länge ) und
Balalaika 1 : 5 ( = Scheitelpunkt im Sechstel der Länge )
Bei den meisten Balalaiken ist der "Buckel" im Rundbogen näher zum Rand hin und deshalb viel deutlicher ausgeprägt als bei der Baglama.
Für den optischen Eindruck ist die Tiefe des Instruments entscheidend. Die Baglama mit ihrer großen Tiefe wirkt "buckliger" als die Balalaika, obwohl die Zahlen das Gegenteil belegen.
Hinweis: Die angegebenen Maße sind Durchschnittsmaße, jedes Instrument besitzt individuelle Abweichungen.
Anmerkung 1: Korpuslänge
Die Korpuslänge wird immer gemessen vom Untersattel bis zum Halsansatz. Das gilt für das K o n s t r u k t i o n s - Schema.
Hier jedoch gilt das g e o m e t r i s c h e Schema, in dem die Decke des Instruments als Bogensehne definiert ist. Es wird gemessen die gesamte Bogensehne vom Untersattel bis zum (virtuellen) Endpunkt auf dem Griffbrett.
Anmerkung 2: Scheitelpunkt und Kurvenradius
Der Scheitelpunkt ist eine nur messtechnische Größe. Für den optischen Gesamteindruck der Instrumentenschale ist entscheidend der Bogenverlauf vom Scheitelpunkt bis zum Untersattel. Die Baglama hat hier bisweilen einen extremen Kurvenanstieg zum Untersattel hin: Decke und Schalenrand scheinen einen fast rechten Winkel zu bilden.
Der Deckenknick
Eine Besonderheit weist die Decke der italienischen Mandoline auf: sie hat im unteren Drittel einen quer über die Korpusdecke verlaufenden "Knick", der deutlich sichtbar
ist.
Dieser Knick markiert auf der ovalen Decke eine Dreiecksform. Er bildet die Grundlinie eines symmetrischen Dreiecks.
Hätten die Italiener den Mut gehabt, die Mandoline an diesem markierten Knick abzusägen und die entstandene Korpusöffnung mit einem Brett zu verschließen, dann hätten sie u. U. eine italienische Rundbauch-Balalaika geschaffen. Die dreieckige Form der Korpusdecke hätte sowohl an die Dreiecksform der Balalaika als auch an die gerundete Dreiecksform der Schlemowidnye Gusli erinnert. (Zur Erinnerung: die Balalaika hat keine geraden, sondern gerundete, bogenförmige Seiten.)
Allerdings wäre eine solche entlang des Deckenknicks abgesägte Mandoline etwas klein geraten, der Bauch zu dick und das Dreieck sehr schmal, der Hals zu kurz.
Ein "kastiger" Gusliklang wäre auch nicht zu erwarten gewesen.
Die Italiener haben nicht zur Säge gegriffen und den schrägen Schnitt nicht gewagt, also bleibt die Balalaika konkurrenzlos.
Nachtrag zum Deckenknick:
der Berliner Balalaikabauer Andreas Gerth baut nach dem Vorbild der Mandoline Balalaiken mit Deckenknick, um - wie er mir mitteilte - "mehr Druck zu erhalten".
Die portugiesische Mandoline
Die Korpusform der portugiesischen Flachmandolone erinnert an eine Kalebasse.
In der portugiesischen Mandoline leuchtet ein Stück "Jugendzeit" der Balalaika auf. Balalaiken wurden bis ins 19. Jhd. auch aus Kalebassen hergestellt.
Lev Tolstoi berichtet in seiner Erzählung "Die Kosaken" davon, wie der Kosak Jeroschka aus dem kaukasischen Tatarengebiet jenseits des Terek für sich eine Flaschenhalskürbis-Balalaika (Travyanka) mitbringt.
Vielleicht hatte diese Balalaika die Umrissform der nebenstehend abgebildeten Flachmandoline, jedoch aber mit dem schaligem
Bauch der Kalebasse.
Heute ist diese Kürbis-Bauart bei der Balalaika ungebräuchlich, die Holzbau-Balalaiken gestalten ihre Korpusumrißform nicht nach dem Vorbild der Kalebasse.
Anders die rundbauchige persische Tanbur, die halbkugelförmige ukrainische Domra und die flache portugiesische Mandoline: deren Holzkorpus´ haben die Kürbisform bewahrt.
Die Deckenform der heutigen Balalaika ist dreieckig. Die runde Form der Kalebassenbalalaika hat sich nicht durchsetzen können:
ihr Klang war ungenügend und zu "mandolinig". Dagegen war die dreieckige Balalaika imstande, an den dem russischen Ohr vertrauten "Dreiecks-Kastenklang" des alten russischen Nationalinstrumentes, der
Gusli, anzuknüpfen.
Natürlich ist die portugisische Mandoline kein Kürbisinstrument, sondern - wie der italienische "Kartoffelkäfer" - aus Holz gefertigt, aber ihr Korpusumriss knüpft an die alte Flaschenkürbisform an. Haben die Spanier hier eine alte maurische Tradition bewahrt?
Die Kalebassenform kann von Mandoline zu Mandoline sehr verschieden sein. Es gibt Ausführungen, bei denen der "Flaschenkürbis h a ls " sehr stark ausgeprägt ist, bei anderen Formen ist er nur angedeutet.
Jedenfalls kann uns diese Bauform der Mandoline einen Eindruck vermitteln, wie Kalebassen-Balalaiken nach Tatarenart damals ausgesehen haben, nur daß sie einen kleineren Korpus hatten und aus einer echten Kalebasse (unten mit rundem Bauch und oben mit einem flachen Brett angedeckt) gefertigt waren.
Siehe zu "Kalebasse" das Kapitel Balalaika und Kürbis
Die russische Mandoline: Zwiebel statt Kürbis
Die Lukowitza-Mandoline
Russische Zwiebelmandoline
Das nebenstehende Bild zeigt eine russische Mandoline in ihrer typischen weit verbreiteten Korpusform.
Die russische Bezeichnung lautet " Мандолина "
(португальская форма).
Es handelt sich um eine Flachmandoline, also eine Mandoline in der sog. "portugiesischen" Bauart (португальская форма) , bestehend aus flacher Decke, umlaufender Zarge, flachem Boden. (Decken-, Zargen-Bauweise nach Art des Gitarrenkorpus.
Bei dieser russischen Flach-Mandoline ist keine Ähnlichkeit mehr mit der Kalebassenform erkennbar. Es fehlt die schmale flaschenhals-förmige Ausstülpung des Korpus zum Instrumentenhals hin. Der "Flaschenhalskürbis" ist hier durch eine Zwiebel ersetzt worden.
In Russland ist diese Mandoline neben der Gitarre in vielen Gegenden ein sehr verbreitetes Zupfinstrument. Es gibt bekannte russische Mandolinenorchester.
Gartenzwiebel: Zwiebelmandoline - Zwiebelkuppel -
Zwiebelgiebel
Lukowitza
Die Mandoline erinnert an die Form der Zwiebelturmkuppel einer russischen Kirche. Das russische Wort Lukowitza (луковица) bedeutet Zwiebelknolle und Zwiebelturm.
Zwiebel und Träne
Die englische Terminologie verwendet einen anderen Vergleich für diese Form. Man spricht dort von einem "Wassertropfen",
genauer einer Träne ("teardrop").
Zwiebel und Träne liegen thematisch nicht weit auseinander: Zwiebeln verursachen Tränen.
Wo beim russischen Zwiebelturm das Kreuz aufgesetzt ist, befinden sich bei der Mandoline der Hals mit dem Griffbrett.
Jeder kennt die Basilius-Kathedrale auf dem Roten Platz in Moskau. Ihre Zwiebelkuppeln sind typisch für Russland.
Von daher müßte eigentlich - von der Form her - die russische Mandoline mit ihrem "Zwiebelkuppel-Look" das russische Volksinstrument sein. Es ist aber die Balalaika, die diesen Rang hat. Nicht die architektonische "typisch russische" Form ist hier entscheidend, sondern eine Form, die imstande ist, einen "typisch russischen" Klang hervorzubringen. Diese Form ist das Dreieck. Es ist die Form des russischen Psalteriums und der russischen Balalaika.
Zwiebelkuppeln auf Türmen sind bauchige dreidimensionale Architekturelemente.
Die russische Mandoline jedoch ist eine unbauchige flache Mandoline mit Kastenkopus: eine Mandoline portugiesischen Typs.
Sie entspricht mehr dem "Kokoschnik", der flächigen Ausführung
der Zwiebelkuppelform der Lukowitza.
Kokoschnik
Der russische "Zwiebelgiebel"
Der Kokoschnik ist ein beliebtes Architekturelement an Wänden und Fassaden, besonders an Kirchen. Meist werden mehrere Reihen Kokoschniki in stufiger Anordnung angebracht.
Der Kokoschnik kann als Kielbogengiebel oder "Zwiebelgiebel" bezeichnet werden. Kokoschniki finden sich sehr häufig und in großer Zahl an russischen Kirchen, im Bereich unterhalb der Zwiebelkuppel. Benannt ist diese Giebelform nach dem traditionellen Kopfschmuck der russischen Frauen, dem Kokoschnik.
Sehr viele Flachmandolinen - auch außerhalb Russlands - weisen die spitz zulaufende breite Tropfen- bzw. Kokoschnikform auf. Die Zwiebel- bzw. Taerdrop-Form findet sich bei vielen Instrumenten der Cister-Familie, z.B. bei der in Deutschland bekannten Waldzither.
Dazu die sehr informative Website der Uni Leipzig: Zistern
Das Tremolo
Spielart von Mandoline und Balalaika
Oft wird der Klang der Balalaika mit dem einer Mandoline verglichen.
Der Grund hierfür ist die Tremolo-Spielart, die bei beiden Instrumenten gerne angewendet wird.
Geübte Ohren hören aber, ob eine Balalaika spielt oder eine Mandoline.
Die Mandoline klingt "süßlicher", dünner.
Die Balalaika klingt herber, holziger, eindringlicher.
Bei der Balalaika ist der "dreieckige""kastige" unverwechselbare Klang des Psalteriums hörbar! Ihr hybrider Charakter macht die Balalaika so unverwechselbar.
Die Mandoline ist eine reine Laute.
Die 2 russischen Mandolinenformen:
Runder Kürbis und flache Zwiebel
Die beiden Bauarten der westeuropäischen Mandoline
1. italienische Rundbauch-Mandoline
2. portugiesische Flachmandoline
haben ihre Entsprechung in den beiden russischen Instrumenten:
1. Domra (russische Rundbauch-Mandoline "halber Kürbis")
2. Mandolina (russische Flach-Mandoline "Zwiebelmandoline")
Die Balalaika ist keine Mandoline, sondern ein Instrument von eigener Art:
ein Tanbur mit der dreieckigen Form des Psalteriums.