5.3.  FORMEN  DES  PSALTERIUMS

        Psalterium  - Brettzither  - Cythara  -  Harfe

 

Psalterium. Strahlenförmiger Saitenverlauf. Prinzipform der finnischen Kantele und der russischen Flügel-Gusli (Гусли крыловидные). Korpusform der Andrejew-Balalaika.

Dreiecks-Psalterium

nach Virdung


Im  Jahre  1511 veröffentlichte  der

kath. Pfarrer und Musiktheoretiker Sebastian Virdung

sein  Werk

 

"Musica getutscht

         und

  außgezogen"

 

(getutscht = in tutscher, also in deutscher Sprache

(nicht in Latein),

außgezogen  =  als  Auszug (excerpt), also:  in  konzentrierter  Kurzfassung).

 

Er beschreibt und skizziert darin  u. a.  drei verschiedene Arten von halslosen Saiteninstrumenten in Dreiecksform:

Harpffen

Psalterium

Cythara

Die oben stehende (in Anlehnung an die Darstellung von Virdung) skizzierte Instrumentenform  benennt Virdung einmal als

 

Cythara, ein andermal als

Psalterium.

 

Ob hinter dem dreieckigen Rahmen ein  Resonator (Brett oder Kasten) angeleimt ist oder ob es sich um eine offene "luftige" Harfen-Konstruktion handelt, ist bei den Abbildungen von Virdung nicht ersichtlich.

Die Skizzen von Virdung sind Prinzipzeichnungen. Die Art der Saitenbefestigung ist aus den Skizzen nicht ersichtlich. Auch hat Virdung dazu keine Angaben gemacht.

 

Die nachfolgenden Skizzen sind in Anlehnung an Virdung entstanden. Bei sämtlichen Zeichnungen sind die Saitenwirbel ("Zithernägel") auf der Oberfläche sichtbar.

Bei Harfen würden sie nicht sichtbar sein.

Bei den Darstellungen handelt es sich hier also um Psalterien (Rahmenpsalterien, Brettpsalterien, Kastenpsalterien).

 

Saitenklang  ohne Resonanzkasten

Saitenklang  mit  Resonanzkasten

 

Nur das Material der Saite strahlt den Schall ab:  sehr schwacher Klang

Saiten können auch klingen ohne die Hilfe einer  Resonanzdecke. Die Saite selber bringt mit ihrer eigenen Fläche die Luft zum Schwingen. Da die dünnen Saiten eine sehr geringe Fläche haben, klingen die Saiten sehr leise.

Der massive Holzrahmen schwingt mit:   es wird etwas lauter

Saiten müssen irgendwie befestigt und eingespannt werden. Die Skizzen zeigen einen Rahmen, der aus massiven starken Holzleisten besteht.

Dieser Rahmen wird durch die schwingende Saite ebenfalls in Schwingung versetzt.

Da er aber sehr starr ist, verstärkt er den Saitenklang nur geringfügig.

Der Holzrahmen wird hohl gebaut:   es wird noch lauter

Wird der Rahmen hohl gebaut, so ist auch die Brettstärke geringer . Die dünneren Bretter wirken als Membran.Diese ist allerdings im mer noch sehr starr, verstärkt aber den Saitenklang sehr effektiv.

Der Holzrahmen erhält eine Resonanzdecke:  ein guter lauter Klang

Einen großen Zuwachs an Schallverstärkerwirkung erreicht man, wenn die gesamte Rahmenkonstruktion mit einem Schalldecke versehen wird.

Der Holzrahmen erhält Resonanzdecke und  Resonanzboden:  sehr lauter Klang

Erhält der entstandene offene Schallkasten zusätzlich zur Decke ein Bodenbrett,

so wird eine sehr gute Schallverstärkung erreicht. verbunden wird, so wie es bei der heutigen Zither der Fall ist.

Der Schallkasten erhält in der Decke eine Schallöffnung:  bester Klang

Eine Konstruktion dieser Art sind fast alle heute bekannten akustischen Saiteninstrumente: Zither, Gitarre, Mandoline, Violine , Balalaika u.s.w.

 

Anmerkung:

 

Gleichseitiges Dreieck:

geometrische, nicht historische Ausgangsform

Die Muster-Psalterien von Virdung stellen gleichseitige Dreiecke dar, ähnlich wie der  Korpus der heutigen Balalaika.

Das gleichseitige Dreieck ist  auch zu Grunde gelegt bei den Skizzen im folgenden Teil, die die verschiedenen Saitenfelder und Saitenverläufe demonstrieren. 

 

Die Verwendung der geometrischen Figur des gleichseitigen Dreiecks darf nicht so mißverstanden werden, als ob diese Form die historische Urform des Psalteriums sei und alle anderen Formen sich aus dieser entwickelt hätten.

Welche Form die frühesten Psalterien hatten, ist nicht belegbar, es gab bestimmt regional verschiedene "Ur-Psalterien" mit einer großen Bandbreite der Formen.

Die Skizzen sind Ausgangszeichnungen, Prinzipzeichnungen, die das "Prinzip Psalterium" verdeutlichen sollen.

 

Psalterium  ohne  Hals

 

Die in Folgenden dokumentierten Instrumente sind Psalterien. Das Saiten- instrument Psalterium in seiner Ursprungsform ist ein "Klang-k a s t e n".  Das Saitenfeld  füllt ganz oder teilweise die Umrißform des Kastens aus.

 

Psalterien besitzen in der Regel  keinen Hals. (Ausnahme: die ukrainische Bandura)

 

Ein Hals kann aber angesetzt werden

1) als  Haltegriff  ( Es werden über ihn keine Saiten geführt )

2) als Korpusverlängerung  zum Anbringen einiger langer Bass-Saiten, deren Länge die Korpusdimension überschreitet. Für diese Saiten wird an den Korpus ein Hals angesetzt. (So bei der ukrainischen Bandura.)

3) als Griffbrett, über das die Saiten über den Korpus hinaus geführt werden und durch Greifen "befingert", d. h. verkürzt  und in der Tonhöhe verändert werden können.  In diesem Fall gibt das Psalterium seine Identität auf und wird zur Laute.

 

Wie und in welche Richtung die historische Entwicklungsgeschichte verlief, wird wohl letztlich nicht zu klären sein  ( vom Psalterium zur Laute oder von der Laute zum Psalterium ),  auch in welchem Zeitraum sich die Entwicklung vollzogen hat, wird schwer zu beantworten sein.

Dennoch kann in einem besonderen Fall eine präzise zeitliche Angabe gemacht werden: "Übergang vom Psalterium zur Laute an 1 Tag !"

 

Psalterium  mit  Hals:   Gudok,  Balalaika


Eine traditionelle uralte (und auch heute noch praktizierte) Art der Instrumentenherstellung ist das Herausschälen des Instruments aus einem einzigen Stück Holz.

Ob dieses Instrument zu einem Psalterium oder zu einer Laute wird, entscheidet der Instrumentenbauer zu Beginn oder während seiner Arbeit an 1 Tag:

 

Aus der Birke ein Psalterium

Er beginnt seine Arbeit, indem er einen  einen schmalen paddelförmigen Korpus aus dem Holz schnitzt.

Beendet er jetzt seine Arbeit, dann hat er die Rohform einer Kantele (Gusli-Psalterium) geschaffen.

 

Aus dem Psalterium eine Geige

Führt er seine Arbeit aber weiter und schnitzt an den Korpus einen kurzen Hals mit einem dreieckigem Wirbelbrett an, dann hat er die Rohform einer Geige: Rebec, Gudok geschaffen.

 

Aus dem Psalterium eine Balalaika

Schnitzt er aber einen langen Hals mit einem schaufelförmigen Wirbelbrett am Ende, dann hat er den Rohbau einer Balalaika in Händen.

 

Zum Thema  "Balalaika - Psalterium mit Hals"  siehe auch:

2.2. Balalaika und Birke  und

3.1. Trogzitherformen

Schmales langes Dreieck: Grundform der Balalaika. Als rechtwinkliges Dreieck: Grundform der Kantele

Dreieck-Psalterium

in gestreckter Form

Die nebenstehende Abbildung ist eine Modellskizze, die eine veränderte Form des gleichseitig-dreieckigen Psalterium zeigt.

Das Instrument ist  im Vergleich zum oben gezeigten Instrument verschmälert und in die Länge gezogen. Aus dem gleichseitigen Dreieck ist ein gleichschenkliges Dreieck geworden: in der Querriegel-Saitenaufhängung ist bereits der Varras der finnischen Kantele erkennbar.

 

Die skizzierte Lang-Form ist bereits eine Vorform der finisch-karelischen Kantele.

Die Skizzen der Virdung-Form und der gestreckten Form sind hilfreich, um den Zusammenhang zwischen Psalterium und Balalaika zu verstehen:

Die Spitze des Psalteriums verlängere man durch einen angesetzten Hals. Von den 5 Saiten behalte man nur die 3 mittleren, führe sie parallel, rücke sie zusammen  und spanne sie über den Hals: erkennbar ist die Form der Balalaika.

Dies ist zwar nicht der historische belegte Weg zur Entwicklung der Balalaika (der verlief ganz anders), aber er zeigt doch, wie sehr Balalaika und Gusli aufeinander bezogen und einander ähnlich sind.



Blickt man auf die Anordnung der Saiten bei dem skizzierten Instrument, so fällt auf, daß sie alle fast gleich lang sind.  Deshalb ergibt sich eine Dreiecksform des Rahmens nicht als Folge einer stetig zunehmenden Saitenlänge.  Die Dreiecksform des Rahnmens (bzw. Korpus) nimmt Maß am strahlenförmig-dreieckigen Saitenfeld.

Kantele. Finnisch-karelisches Psalterium. Grundform-Schema. Geschlossene Korpusdecke. Saitenaufhängung am Querstab "Varras"

Dreieck-Psalterium:

Die  finnische  Kantele

 

Gestrecktes  Dreieck

Die finnisch-karelische Kantele in ihrer historischen traditionellen Ausführung  besitzt 5 Saiten  verschieder  Länge. 

 

Saitenhalter:  Varras

Die Saiten sind an einem gemeinsamen Querstab befestigt: dem Varras (finn.: Spieß)

Von diesem aus streben sie strahlenförmig auseinander zu den Stimmwirbeln.

 

Asymmetrisches Saitenfeld

Asymmetrischer Korpus

Die oben gezeigten Skizzen sind lediglich Funktionsbilder: ein gleichseitiges symmetrisches Dreieck (nach Virdung), kombiniert mit einem strahlenförmigen Saitenfeld.

 

In der Realität wurde diese Form verändert. Die traditionelle 5-saitige Kantele bekam eine doppelte Asymmetrie.

1) Das symmetrische Dreieck wurde zu einem rechtwinkligen Dreieck: der Varras 

steht rechtwinklig zu einer Dreiecksseite.

2) Das symmetrische Saitenfeld bekam durch Verwendung von unterschiedlich

langen Saiten eine asymmetrische Verformung nach unten: Die Grundlinie ist schräg gestellt. Die Korpusform ist nach diesen asymmetrischen Feld ausgerichtet. (Siehe Skizze).

Es gibt auch Kantele-Ausführungen, die parallel verlaufende Saiten haben. Die meisten Ausführungen der russischen Flügel-Gusli  jedoch folgen dem Vorbild der Kantele. Die nachfolgende Skizze zeigt eine solche Gusli: eine Flügel-Gusli, die in dieser Form in Russland sehr beliebt ist. Andrej Kabanow spielt eine solche. Spielhaltung: Quer zum Oberkörper. Die gebogene Seite weist zum Körper hin.

 

Psalterien  in  rechteckiger  Form

 

Mittelalter-Psalter (Westeuropa)

Gusli  (Russland)

Harpeleik (Schweden)


Psalterien sind nicht immer notwendigerweise dreieckig und mit strahlenförmigem Saitenverlauf. Es gibt auch anderere Formen und Bauweisen.

Der parallele Saitenverlauf ist bei Psalterien (wie z.B. bei der heutigen Zither) sogar meist die Regel. Bezeugt sind auch Psalterien mit rechteckigem Korpus und mit Saiten gleicher Länge.

Solche Psalterien mit rechteckiger oder sogar quadratischer Form gab es vielfach. Sie waren nicht nur in Russland verbreitet und  in Gebrauch, sondern auch in Westeuropa. Beispiele sind zu finden in der mittelalterlichen westeuropäischen Buchmalerei.

 

Zu rechteckigen Psalterien allgemein:

Die Saiten besitzen alle die gleiche Länge. Verschiedene Tonhöhen werden auf folgende Weise erzeugt:

 

a) Verschiedene Saitenstärken

b) Verschiedenes Saitenmaterial

c) Unter die Saiten gelegte Agraffenleisten


Agraffenleisten sind unter die Saiten gelegte (geleimte) Holzleisten, oft mit eingelegtem Druckstab aus Messing. (Vergleichbar mit dem Saitensteg bzw. Untersattel einer Laute)

Die Saiten, die auf den Agraffenleisten aufliegen, werden dadurch verkürzt.

Agraffenleisten sind aus dem Klavierbau bekannt.

 

Harpeleik-Zither

In heutiger Zeit trifft man das rechteckige Psalterium in Schweden und Norwegen an:

den Harpeleik, eine reine Akkordzither ohne Melodiesaiten. Harpeleik-Zithern besitzen 7 bis 10 Akkorde, je Akkord ca. 9 bis 11 Saiten verschiedener Saitenstärke. Der Harpeleik ist quer-rechteckig, längs-rechteckig oder quadratish.

Гусли крыловидные. Gusli krylovidnye. Dreieckskorpus mit Deckbrett in Flügelform

Dreieck-Psalterium:

Russische  Flügel-Gusli.

 

Geschwungenes  Deckbrett

 

Die russische Gusli hat - verglichen mit dem Ideal-Entwurf  des Virdung-Psalteriums (= gleichseitiges Dreieck) - eine ähnliche Streckung der Form durchgemacht wie die finnische Kantele,  besitzt aber einen anderen Decken-Umriß.

 

(siehe Skizze)

 

Auch bei ihr sind die Saiten (meist sind es 9 bis 10 Saiten) an einem  Varras ("Spieß") befestigt, von dem aus sie strahlenförmig  zu  den Stimmwirbeln führen. Da die Saiten verschieden lang sind, verlaufen die Stimmwirbel nicht parallel zum Varras, sondern bilden eine schräge Linie.

 

Wie die Kantele hat auch der Klangkörper der russischen Gusli eine lange schmale dreieckige Form.

Der Klangkörper ist aber mit einem   rechteckigen Deckbrett  versehen, das  über dem Dreieckskorpus übersteht.

 

Гусли  крыловидные.


Der  obere  überstehende Teil des Brettes (die Brettschräge zum Varras hin)  ist  am Rand in einer Wellenlinie ausgesägt, so daß eine geschwungene Vogelflügelform entsteht:

Гусли  крыловидные (Flügel-Gusli).

 

Diese Form der Gusli ist eine in Russland sehr beliebte Ausführung - neben der großen halbkreisförmigen Helm-Gusli (Gusli schlemovidnye).

 

Spielweise:

Die gewellte Breittseite zeigt zum Spieler: Beim Akkordspiel  dämpft der Spieler  seiner   linken  Hand die Saiten; mit den Fingern der rechten Hand werden die Saiten gezupft. Beim Melodiespiel werden beide Hände eingesetzt.

ГУСЛИ ПРЯМОУГОЛЬНЫЕ

Der russische Buchstabe " Г "

(" Г " wie "гусли") :

Eine  rechteckige  Gusli in Russland

 

Eine  rechteckige Gusli  ( ГУСЛИ ПРЯМОУГОЛЬНЫЕ ) war im Russland des 19. Jhds.wohl sehr häufig anzutreffen.

Auf einer Alphabet-Bildertafel der russischen Künstlerin Елизавета Меркурьевна Бём (1843-1914) (Elisabeth Böhm) zum Erlernen des ABC  für Kinder sind beim Buchstaben "G"  typische Gegenstände aus dem Alltag  abgebildet.

Zum Inhalt der Bildtafel gehören u.a.:  Pilze (griby), ein Kamm (grebenj) und eine Gusli, und zwar in rechteckiger (!) Form.  Eine solche gusli ist in Bild 4 der folgenden Bilderreihe skizziert. Auch die folgende Buchmalerei zeigt rechteckige Psalterien.

Die folgende Abbildung ist entnommen einem Psalmenbuch aus dem Jahr 1594. Unten im Bild in der Mitte ist zu sehen ein Domra-Spieler. In der linken Bildhälfte 4 Guslispieler.

Давид-псалмопевец Годуновская псалтирь 1594. Bildnachweis: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:%D0%94%D0%B0%D0%B2%D0%B8%D0%B4-%D0%BF%D1%81%D0%B0%D0%BB%D0%BC%D0%BE%D0%BF%D0%B5%D0%B2%D0%B5%D1%86_%D0%93%D0%BE%D0%B4%D1%83%D0%BD%D0%BE%D0%B2%D1%81%D0%BA%D0%B

Nachfolgend  verschiedene  Psalteriumsformen:

A. Rahmenzithern

B. Brettzithern

Psalterium. Dreiecksform. Saitenverlauf: waagerecht parallel (Schematische Zeichnung)
Psalterium. Dreiecksform. Saitenverlauf: schräg parallel (Schematische Zeichnung)
Psalterium. Dreiecksform mit 1 verlängerten Rahmen ( für Bass-Saiten ). Ukrainische Bandura
Psalterium. Dreiecksform. Saitenverlauf: strahlenförmig. (Schematische Zeichnung)
Psalterium. Dreiecksform. Saitenverlauf parallel.Saitenfeld nur auf einer Korpushälfte. Nach Beseitigung der anderen Hälfte erhält man ein rechtwinklig-dreieckiges Psalterium bzw. eine Winkelharfe
Psalterium. Rechteckform. Saitenfeld: waagerecht parallel (Schematische Zeichnung).
Psalterium, rechteckig, gedeckter Kasten. Verschiedene Tonhöhen durch unterschiedliche Saitenstärken und -spannungen. Form ähnlich wie die Harpeleik-Zither (64 Saiten)
Psalterium. Trapezförmige Brettzither. Die Korpusform der Balalaika ist hier vorgebildet. Dies ist eine alte persische Form (Santur). Saitenzahl: 9, 10, 11, 12, heute oft 30 Saiten.
Trapezförmiges Psalterium mit der Proportion (spitzes Trapez) der indischen Santur.
Trapezformen der Gusli, des russischen Psalteriums.
Gusli-Psalterium in Trapezform. Die das Trapez umschreibende Rahmenform ist ein Dreieck.
Psalterium, halbrunde Brettzither. Schlemovidnye gusli. ( Schlem = der Helm, die Kappe ). Saiten parallel. In Udmurtien (Ural-Gebiet) wird dieses Psalterium "крезь" genannt.
Kresj (крезь)(произносится «крежь»). Udmurtische (finno-ugrische) Formvariante der Gusli. Крезь - король удмуртских народных инструментов
Halbkreisförmiges Psalterium (Ukraine). Fächerförmiges Saitenfeld
Halbkreisförmiges Psalterium (Ukraine) in der praktischen Ausführung mit 2 Saitenstegen

5.3.1. Harfe  oder  Brettzither?

 

Bei den skizzierten Instrumenten könnte es sich sowohl um Harfen als auch um Zithern handeln. Entscheidend ist, ob die Skizzen einen offenen Rahmen oder eine

Kastenkonstruktion darstellen.

Eine Harfe besitzt einen offenen Saitenrahmen, bei dem eine Rahmenseite als hohler Resonator ausgebildet ist, an dessen Schalldecke die Saiten befestigt sind.

Eine Winkelharfe besitzt 2 Rahmenteile, eine Rahmenharfe hat drei Rahmenteile.

 

Eine Zither besitzt einen Brett- oder Kasten-Resonanzkörper,  ü b e r  den und parallel zu dessen Oberfläche die Saiten gespannt sind.

Manchmal ist der Übergang von Harfe zu Zither (Psalterium) fließend:

 

Wird eine Rahmen-Harfe flach auf einen Holztisch gelegt und auf diesem liegend gespielt, dann ist die Tischplatte der Resonator und die Harfe wird zu einem Psalterium, genauer: zur Brettzither bzw. Kastenzither, je nachdem, wie der Resonator beschaffen ist.

Das abgebildete Psalterium besteht - für sich genommen - nur aus einem (Hohl-) Rahmen, der als Resonanzkörper dient. Die Saiten streben, wie bei einer Harfe, von diesem weg. Über die Art der Saitenbefestigung hat Virdung keine Angaben gemacht.



 





Гусли-псалтырь

3.6. Symmetrisches Trapez


Die Gusli, also das russische Psalterium, begegnet heute meist in der Form eines symmetrischen Trapezes (siehe die bemalte Kinder-Gusli). Ein solches Trapez tendiert zum gleichschenkligen Dreieck.

Eine trapezförmige Gusli, deren höchste Saite sehr hoch gestimmt, also sehr kurz ist, weist eine sehr spitze Trapezform auf, die fast schon ein Dreieck  ist. Die oben stehende Skizze zeigt eine solche Form.

 

Die Saitenzahl der Gusli beträgt mindestens 5, üblich sind 7, 8, 9, 10, 11, 12 und mehr. Die traditionelle Kantele hat 5 Saiten. Es gibt Psalterien, deren Saitenzahl so groß ist, daß sie mehrere Oktaven umfasst. Solche Instrumente mit großem Tonumfang werden meist für den Konzerteinsatz gebaut.

 

Die Tonerzeugung beim Psalterium geschieht durch 


1) Zupfen

2) Streichen

3) Schlagen

 

Weitere Arten der Tonerzeugung durch

4) Sympathetik     (passives Mitschwingen  mit einer aktiv tönenden Saite)

5) Luftströmung   ("Äolsharfe")

6) Elektromagnetisches Feld

 

Die  Balalaika  -  ein  Psalterium  mit  Hals

 

Das Wort "Psalterium" ist abgeleitet vom griechischen psallein = zupfen.

Von der Wortbedeutung her ist also   jedes  Zupfinstrument ein Psalterium, egal, welche Form sie hat, auch die Balalaika.

Die Balalaika ist also ein Psalterium im etymologischen Sinn.

Die Instrumentenkunde aber verwendet das Wort "Psalterium" nur für Zither-Instrumente ( Brett- Kasten, -Rahmenzithern ), also für halslose Saiten-instrumente, die nur aus einem Resonanzbrett, -rahmen oder -kasten bestehen,  und  n i c h t  für Hals-Lauten.

 



Bandura.

Exkurs:

Die ukrainische Bandura

Ein Sonderfall des Psalteriums scheint die ukrainische Bandura zu sein. Sie besitzt einen Hals, obwohl sie sich ganz und gar als eine Kastenzither präsentiert.

Ihr Korpus ist entweder ein flacher, aus einem Stück Holz herausgeschälter Holztrog  oder der Korpus ist ein Kasten, bestehend aus Zarge und flachem, leicht gewölbten Boden, der aus Spänen zusammengesetzt ist (wie bei vielen Flachmandolinen).

Die Bandura ist entstanden aus der  ukrainischen Kobsa (Кобза), die eine Laute ist.

Die Laute hat sich zum Psalterium gewandelt.

Der Hals der Bandura

Der Hals der Bandura dient nicht - wie bei der Kobsa - dazu, daß Saiten auf ihm niedergedrückt werden. Der Hals ist kein Griffbrett mehr, sondern er dient jetzt als  Korpus-Verlängerung, er ist ein Korpus-Annex.  Der Hals, der aus der Mittenposition herausgerückt ist und an den Rand verlegt wurde,  dient dazu, daß an seinem Ende die Wirbel für die langen Bass-Saiten befestigt werden können. Ohne den Hals könnte die Bandura nicht die langen Bass-Saiten aufnehmen.

Die über den Hals laufenden Saiten werden  mit der linken Hand gezupft.

 

Zwei Dreiecke:  Psalterium und Balalaika


Das Psalterium in seiner Grundform  besitzt  ein  dreieckiges  Saitenfeld  und  eine dem Saitenfeld entsprechende  dreieckige  Korpusform.  Diese ist auch in der Bandura erkennbar.


Die Balalaika, die einen Hals besitzt, ist gemäß der Instrumenten-Systematik  kein Psalterium. Sie gehört zu den Lauteninstrumenten.

Wegen ihres dreieckigen Korpus  steht die Balalaika aber auch in der Tradition des  gezupften Psalteriums.

 

Bandura und Balalaika

Im Norden, in Finnland und Karelien, war mehr das vielsaitige Kasten-Psalterium, die Kantele (Gusli), verbreitet, im Süden dagegen die aus Persien stammende zweisaitige Halslaute Tanbur. Beide Instrumente, Psalterium und Laute, existierten in Russland und auch in der Ukraine nebeneinander - bis heute.  Psalterium und Laute beeinflussten sich aber auch gegenseitig und brachten zwei neue Instrumente hervor:

die ukrainische  Bandura  und  russische  Balalaika.  Bei beiden verlief die Entwicklung in entgegengesetzter Richtung:


DIE  BALALAIKA 

ist eine Hals-Laute mit der Korpusform des  Psalteriums.

DIE  BANDURA 

ist ein Psalterium mit der Korpusform der Hals-Laute.

 

 

Die Formenvielfalt der Gusli

 

Die Gusli  wird  in  verschiedenen Bauformen  hergestellt, z.B.:

 

Die Gusli schlemovidnye   

(= helmförmige Gusli)       Schlem = der Helm (Kopfbedeckung)

(= glockenförmige Gusli)   Schlem = der Helm (i. S. von Glockenhelm)

Geometrische Grundform: Der Halbkreis.  (siehe Skizzen oben).

Saitenfeld: Trapez. Saiten parallel zur Trapez-Grundlinie verlaufend.

 

Der Halbkreis der Gusli schlemovidnye kann auch definiert werden als

breite Schaufelform  im Gegensatz zur schmalen Schaufelform vieler zentralasiatischen Tanburvarianten wie z.B. der Kleinkorpus-Dombra, die aus einem einzigen Stück Holz herausgeschnitzt wurden.

Diese Fertigungsmethode war bei der gusli schlemovidnye wegen ihrer großen Breite

(ca. 1 Meter) nicht möglich. Ihre breite Schaufelform wurde erst möglich durch den Zusammenbau des Korpus aus mehreren Holzteilen.

 

Halbrunde Balalaika ?

Die breite Gusli schlemovidnye war in Russland sehr beliebt. Auch heute wird sie wieder vielfach in der Volksmusik und an vielen Orten (meistens da, wo Touristen hinkommen) gespielt.

Ihre breite Korpusform wird sehr wahrscheinlich Pate gestanden haben bei der Verbreiterung des Balalaika-Korpus. Manche Balalaiken haben einen Korpus mit stark nach außen gebogenen Seiten, so daß ihr Dreieck sehr stark dem Halbkreis angenähert ist.

Hier ist die Ähnlichkeit mit der schlemovidnye gusli unübersehbar.

 

Halbkreis mit Rechteck - die udmurtische Gusli

Eine besondere Ausführung der schlemividnye gusli ist die udmurtische Gusli:

der Kresj.  (крезь, произносится «крежь»). Diese finno-ugrische Formvariante der Gusli gilt als "король удмуртских народных инструментов" ("König der udmurtischen Volksinstrumente")

Kresj (крезь)(произносится «крежь»). Udmurtische (finno-ugrische) Formvariante der Gusli. Крезь - король удмуртских народных инструментов

Der untere gerade Teil der Halbkreisfläche besitzt nach beiden Seiten hin eine rechteckige Verlängerung: siehe Skizze oben.  Außerdem sind im Innern des kresj Sympathetiksaiten untergebracht, die für einen tiefgründigen Klang sorgen.

                                              

Die Gusli krylovidnye        

(= flügelförmige Gusli), z.B. Kantele ( siehe Foto )Form: rechtwinkliges Dreieck, Halb-Trapez, div. schief-viereckige u. geschwungene Formen

                                                                                  

Die Gusli liroobrasnye       

(= lyraförmige  Gusli mit "Fenster-Durchgriff")

Form: schiefe Viereckform wie gusli krylovidnye

 

Die trapezförmige Gusli    

( z. B. die beliebte Kinder-Gusli  "Perepjolotschka", s.u. )  Form: symmetrisches Trapez )

                                               

Die rechteckige Gusli        

( oft auf alten Abbildungen zu sehen ) Form: exaktes (fast quadratisches) Rechteck. In der früher dargestellten Form wird das Instrument heute nicht mehr in Russland gespielt. Jedoch ist eine andere rehteckige Gusli in Süd-Sibirien in Gebrauch.  In  Chakassien ( In Südsibirien gelegene Republikder rüssischen Föderation) (Респу́блика Хака́сия) wird eine Gusli gespielt, die eine lange rechteckige Trogzither darstellt.

Ihr Name lautet  Чатхан, ihre Form ist lang-rechteckig. Der Trog ist hier umgekehrt: die Öffnung ist unten. Die Saiten der Tschadchan laufen über den Trogboden, der die Decke darstellt. (Bei der karelischen Kantele oder der ungarischen Hirtenzither ist eine solche Bauart ebenso üblich). Der Trog wird  Zeder oder Fichte aus einem Stück herausgeschält. Der Чатхан hat 3 bis 14 Saiten.

Andere Bezeichnungen: Жетыген, Чаттыган.

Mehr Info: wikipedia  Чатхан

                                               

Trapezförmige Kinder-Gusli "Perepjolotschka"