2.4 DIE SPIELHALTUNG DER BALALAIKA
UND DIV. SPIELTECHNIKEN
Die Spielhaltung der Balalaika
Die Balalaika kann im Stehen, Gehen und im Sitzen gespielt werden.
Beim stehenden (und gehenden) Spiel benutzt man einen Instrumentengurt, den der Spieler um seinen Hals legt. Die Balalaika befindet sich in Bauchhöhe des Spielers.
Hier muss gesagt werden: Balalaikakünstler schütteln über die stehende und gehende Spielweise nur den Kopf.
Das künstlerische Balalaikaspiel, so sagen sie, erfordert eine Spielart im Sitzen.
Die sitzende Spielart
Hierbei gibt es 2 Spielhaltungen:
1. Die Haltung des Instruments mittig vor dem Körper und
2. Die Haltung des Instruments seitlich rechts neben dem Körper
1. Die mittige Instrumentenhaltung:
zwischen den Oberschenkeln
Diese gilt als die "orthodoxe" Spielhaltung und wird in Balalaikalehrbüchern zwingend vorgeschrieben. Michael ignatieff beschreibt diese Haltung so:
"Auf der Balalaika muß man sitzend spielen. Man setzt sich in gerader, ungezwungener Haltung auf den vorderen Teil der Sitzfläche des Stuhles und umgreift mit der linken Hand dxen Hals des Instrumentes derart, daß sich die nach unten geneigte Ecke des Schallkörpers zwischen den Beinen befindet.
Die nach oben weisende Ecke des Instruments ruht unterhalb der rechten Achselhöhle.
Den inneren Teil des rechten Ellenbogens legt man am Rand des Instruments unweit des Untersattels auf.
Dadurch bekommt die Balalaika die erforderliche Stütze, und die linke Hand kann ungehindert greifen.
Den Hals des Instrumentes muß man ein wenig von sich entfernen, damit das Griffbrett leicht zu übersehen ist."
(Ignatieff, Schule des künstlerischen Balalaikaspiels. S.6)
Fast alle professionellen Balalaikaspieler und Balalaika-Virtuosen spielen das Instrument in dieser Haltung.
2. Die seitliche Instrumentenhaltung
rechts neben dem rechten Oberschenkel.
Beim "einfachen Volk", bei dem es auch viele gute Balalaikaspieler gibt, ist allerdings die s e i t l i c h e Spielhaltung verbreitet.
Hier befindet sich die nach unten geneigte Ecke des Korpus rechts neben dem rechten Oberschenkel.
Die nach oben weisende Ecke des Instruments ruht vor der Achselhöhle. Damit der Balalaikakorpus einen festen Halt bekommt, wird er mit dem rechten Unterarm nahe dem Ellenbogen gegen die rechte Brustseite gedrückt.
Nicht nur Frauen spielen das Instrument auf diese Weise, sondern auch Männer.
BALALAIKA MIT STACHEL
Große Balalaiken (Bass-, Kontrabass- und Subkontrabass-Balalaiken) werden, wie die Prim-Balalaika ebenfalls im Sitzen oder im Stehen gespielt.
Dabei werden sie oft mit der rechten unteren Korpusecke auf den Fußboden gestellt.
Diese "Stand-Ecke" ist nicht spitzwinklig, sondern abgeschnitten. Hier befindet sich
in einem innen eingeleimten Klotz ein Standfuß: ein sog. Stachel, der meist herausziehbar und in der Höähe verstellbar ist. Auch Cello, Kontrabass und Bass-Domra besitzen einen solchen Stachel.
Dieser Stachel besteht aus der "Birne" (meist Ebenholz oder Kunststoff) und einem durch die Birne geführten Metallrohrstab.
Durch die variierbare Länge des Stachels kann das Instrument auf eine für den Spieler ergonometrisch günstige Höhe gebracht werden.
Sekund-Balalaiken besitzen einen solchen Stachel nicht. Erst ab der Bass-Balalaika
(Mensur 70 - 80 cm, Instrumentenlänge 110 - 120 cm) ist er anzutreffen.
Bei Kontrabass-Balalaiken ist ein Stachel die Regel.
Die Anschlagtechnik der Balalaika-Saiten
Wie werden die Saiten zum Klingen gebracht?
Plektrum ? - Fingernagel ? - Fingerkuppe ?
Die Klangerzeugung allgemein
Saiten werden - ganz allgemein - zum Klingen gebracht
auf fünffache Art:
1) Zupfen (mit Plektrum oder Finger)
2) Streichen (mit einem Streichbogen, bespannt z.B. mit Tierhaar)
3) Schlagen (mit einem Klöppel oder Hammer, z.B. Klavier, Hammerflügel)
4) Sympathetik ( passives gewolltes Mitschwingen mit einer tönenden Saite),
5) Luftzug ( Z.B. Windharfe) (siehe dazu: wikipedia "Äolsharfe")
Die Tonerzeugung bei der Balalaika geschieht durch Zupfen.
Zupfinstrumente können nicht nur gezupft werden, sondern auch auf andere Art gespielt werden. Die Instrumentenkunde kennt viele solcher Beispiele.
2 Beispiele sollen hier aufgeführt werden:
1: Die Wandlung des Psalteriums
(Zither - Hackbrett - Streichpsalter)
Das Psalterium war ursprünglich ein Zupfinstrument (Zither), die Saiten wurden mit den Fingern gezupft.
Als die Saiten mit einem Hammer angeschlagen wurden, wurde das Psalterium zum Hackbrett.
Durch eine bestimmte Anordnung der Saiten ist es möglich, die Saiten des Psalteriums mit dem Bogen zu streichen. Es entstand der Streichpsalter.
2: Die Wandlung der Vihuela
(De mano - de penola - de arco)
Die alte spanische Vihuela, eine Kastenhalslaute, in der Form zwischen Viola und Gitarre, wurde auf dreifache Art bespielt und - je nach Spielart - anders benannt.
Man unterschied:
Vihuela de mano ( mit den Fingern gezupft )
Vihuela de penola ( mit dem Plektrum angeschlagen )
Vihuela de arco ( mit dem Bogen gestrichen ).
(Quelle: www.tabazar.de - Dort noch weitere Beispiele)
Wenn ein Zupfinstrument als Streichinstrument verwendet wurde, hatte dies oft Einfluß auf die spätere Bauart des Instruments, genauer: auf die Korpusform.
Die gestrichene Vihuela bekam, um eine ausladende Bogenbewegung zu ermöglichen, eine stärkere mittige Taillierung, so wie bei der heutigen Geige.
Kollateral-Instrumente
Manche Instrumente können sowohl Zupf- als auch Streichinstrumente sein, man spricht in diesem Fall von kollateraler Verwendung. Es geht hier nicht um Kollateral s c h ä d e n, sondern um Kollateral n u t z e n.
Die Balalaika - ein Zupfinstrument
Balalaika de mano
Die Balalaika betraf dies nicht. Sie blieb stets ein Finger-Zupfinstrument, also eine "Balalaika de mano", obwohl auch bei größeren Balalaiken das Plektrum benutzt wird.
Die Spielarten der Balalaika
Die vier Hauptspielarten der "Balalaika de mano" sind:
Strichspielart (mit dem Zeigefinger)
Pizzicato (meist mit dem Daumen der re. Hand, aber auch Zeigefinger)
Arpeggio (Gusli-Spielart)
Tremolo (Mandolinen/Domra-Spielart)
Welches aber ist die richtige Saitenanschlagtechnik bei der Balalaika?
Wird mit dem Finger angeschlagen oder mit dem Plektrum?
Zum Saitenanschlag allgemein:
Die Saitenanschlagtechnik bei den Zupfinstrumenten
Plektrum - Fingernagel - Fingerkuppe
A. Plektrum und Vogelfeder
Das Wort "zupfen" (griech. psallein) bedeutet
(in Bezug auf Musikinstrumente ) "das Anreißen der Saite mit den Fingern".
Aber nicht bei allen Zupfinstrumenten werden die Saiten unmittelbar mit dem Finger (bzw. mit den Fingern) gezupft.
Eine uralte Methode ist die Verwendung eines Plektrums ( z.B. ein Stück Holz oder Leder) oder das Anreißen der Saite mit dem Kiel einer Vogelfeder. Beliebt war eine Adlerfeder.
Wer das Vogelfeder-Spiel miterleben möchte, dem sei empfohlen die Website
www.ulrich-instrumente.de und die Videos von Wilfried Ulrich auf Youtube.
Balalaika de penola?
Die Saiten der Prim-Balalaika werden mit dem Finger angeschlagen, ein Plektrum wird nicht verwendet. das "orthodoxe" Balalaikaspiel lehnt die Verwendung eines Plektrums ab, weil dadurch das Spiel an Gefühl verliert.
Dennoch verwenden manche Spieler ein Plektrum, weil dadurch die Lautstärke des Spiel erhöht wird, so daß man auf ein Mikrofon verzichten kann.
Domra de penola
Bei der runden Balalaika, der Domra, ist das Spiel mit dem Plektrum die Regel. Die Domra beabsichtigt allerdings auch eine andere Klangfarbe als die Balalaika. Die Domra, die als "russische Mandoline" bezeichnet wird, hat auch den Klang einer Mandoline, sie besitzt einen "Mandolinensound".
B. Fingernagel oder Fingerkuppe?
Die uralte Streitfrage
Bevor die verschiedenen Anschlagtechniken aufgeführt werden, die fast sämtlich durch Andrejew und Trojanowski festgelegt worden sind,
soll eine Grundsatzfrage behandelt werden:
Wie wird die Fingerspitze beim Spielen eingesetzt?
Soll man die Saiten der Balalaika mit dem Fingernagel oder mit der Fingerkuppe
anschlagen? Was bewirkt den besten Klang?
Diese Frage beschäftigt nicht nur die Balalaikaspieler, sondern auch ganz allgemein alle Zupfinstrumentenspieler, besonders die Lauten- und Gitarrenspieler.
Seit Jahrhunderten wird dieses Problem kontrovers diskutiert.
Eine Sammlung von Antworten hat Peer Smola auf seiner Website
www.tabazar.de veröffentlicht. Von dieser stammen die nachfolgenden Zitate. Sie sind geordnet nach Pro und Contra in Bezug auf die jeweilige Spielart.
Argumente für das Fingerkuppenspiel und
gegen das Fingernagelspiel:
"Wie ich schon sagte, zeichnet sich der Anschlag ohne Verwendung des Nagels
oder sonstiger Hilfsmittel besonders aus,
weil nur im Finger als lebendigem Teil der Geist lebt."
Thomas Mace, Musick's Monument, 1676, London :
(aus Joerg Sommermeyer, Nova Giulianiad)
Argumente für das Fingernagelspiel
und gegen das Fingerkuppenspiel
Dionisio Aguado, Nuevo Método para Guitarra, Paris, 1843 :
" Wir können entweder mit den Nägeln oder mit den Fingerkuppen der rechten Hand spielen. Was mich betrifft, habe ich immer meine Nägel benutzt. Nichtsdestoweniger entschloss ich mich, meinen Daumennagel abzuschneiden, nachdem ich meinen Freund Sor spielen hörte, und ich beglückwünschte mich, seinem Beispiel gefolgt zu sein. Der Impuls der Daumenkuppe für die Bässe erzeugt einen vollen und angenehmen Ton. Für den Zeige- und Mittelfinger behalte ich die Nägel bei. Meine lange Erfahrung dürfte mich berechtigen, meine Meinung zu dieser Frage darzulegen. Mit den Fingernägeln erzielen wir auf der Gitarre eine Farbe, die sich weder mit dem Klang der Harfe noch mit dem der Mandoline vergleichen lässt. Meines Erachtens ist die Gitarre mit einem Charakter gekennzeichnet, der sie von anderen Instrumenten unterscheidet: sie ist süß, harmonisch, pathetisch, manchmal majestätisch. Sie hat nicht Zugang zur Erhabenheit der Harfe oder des Klaviers. Ihre zarte Anmut und ihre Vielfalt an Klangmodulationen machen sie hingegen zu einem Instrument voll von Geheimnissen. Aus diesem Grunde halte ich es für wünschenswert, die Saiten mit den Nägeln anzuschlagen. Sie erzeugen einen klaren, metallischen, mannigfaltigen Ton voll Zartheit, mit Licht und Schatten..."
(Zitiert bei www.tabazar.de)
Kombiniertes Kuppen-/Nagelspiel
Peer Smola weist auf diese Spielweise im Barock hin. Er schreibt:
"Bei Lautenisten ( des Barock) war das Kuppenspiel üblich, auch wenn sich z.B. Alessandro Piccinini (1566, Bologna - 1638, ebenda) in Intravolatura di Liuto e di Chitarrone dafür ausspricht, dass die Nägel der Finger, im Gegensatz zum Daumen, oval, knapp über die Fingerkuppe reichen sollen. Dadurch wird die Saite zuerst mit der Kuppe, gefolgt vom Nagel angeschlagen. Gegen den Nagelanschlag sprach die chörige Besaitung der Instrumente, da durch den Nagelanschlag ein ungewollter Doppelklang entstand. Dazu lagen die Saiten näher an der Decke der Instrumente als heute, sodass lange Nägel leicht zu Störgeräuschen führen konnten."
Peer Smola zieht auf seiner Website das Resumee, ob das Kuppen- oder Nagelspiel bei der Gitarre zu bevorzugen ist. Er schreibt:
"Pujol war einer der letzten Anhänger des Kuppenspiels,
Heute wird die klassische Gitarre fast ausschliesslich
mit den Nägeln gespielt. "
(Zitate bei www.tabazar.de)
Der Saitenanschlag bei der Balalaika:
Die Standard-Spielart: Das Fingerkuppenspiel
Bei der Balalaika wurde die gegenteilige Entscheidung getroffen. Alle bedeutenden Balalaikalehrer empfehlen das Spiel mit den Fingerkuppen.
Natürlich sind das alles nur Empfehlungen.
Ein Balalaikaspieler hat die volle Freiheit, wie er sein Spiel gestaltet und welchen Klangcharakter er bewirken will.
Gusliklang auf der Balalaika erfordert Fingernagelspiel
Um gusli-ähnliche Klänge auf der Balalaika hervorzubringen, etwa um eine Byline historisierend vorzutragen oder um den Klang einer Bandura zu imitieren, dann ist das Fingernagelspiel die beste Spielmethode für diese Effekte.
Besonders auf der 6-saitigen Balalaika ist diese Spielmethode sehr wirkungsvoll.