1.7. DIE 3-SAITIGEN TANBUREN ("BALALAIKEN") IM KAUKASUS, IM ALTAI, IN GEORGIEN, . . .
Die Langhalslaute TANBUR: Formenvielfalt
Das Wort TANBUR ist austauschbar mit dem Namen PANDUR oder PANTUR. Je nach Region trifft man eine andere Schreibweise an.
In Russland, sowohl im Norden als auch im Süden, wurde für das Instrument Tanbur der Name "Balalaika" gebräuchlich. Wann die Bezeichnung "Balalaika" auf die Tanbur übertragen wurde, ist nicht bekannt.
Im ersten russischen Staat, der Kiewer Rus, trug die Langhalslaute, bevor sie den Namen "Balalaika" erhielt, ihren alten persischen Ursprungsnamen "TANBUR".
Sie wird in einem arabischen Schrifttext aus dem 10. Jhd. als Grabbeigabe unter diesem Namen erwähnt.
Quelle:
Ibn Foszlan's und anderer Araber Berichte über die Russen älterer Zeit.
St. Petersburg 1823
herausgegeben und übersetzt von Christian Martin Joachim Frahn.
Nachdruck: Hamburg, Helmut Buske Verlag, 1976
Das Buch ist zugänglich als digitale Fotoprint-Ausgabe der Bayerischen Staatsbibliothek. www.bsb-muenchen.de
http://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs2/object/display/bsb10691457_00005.html
Dieser aus dem Jahr 921/922 stammende Reisebericht des Arabers Ahmad ibn Fadlan (Foszlan) stellt eine der wichtigsten Quellen über die Kiewer Rus dar.
Er schildert die Reise einer Gesandschaft des arabischen Kalifen al-Muqtadir zu den Wolgabulgaren.
U.a. wird berichtet, dass bei einem Begräbnis eine TANBUR mit ins Grab gegeben wurde.
Die Begriffe "Tanbur" - "Pondar" - "Balalaika
Die Worte TANBUR, PANDUR, PONDAR und andere mit "Tanbur" wortverwandte Begriffe werden heute noch in vielen asiatischen Regionen als Bezeichnung der landestypischen Langhalslaute verwendet.
Nur in Russland verschwand dieses Wort und wurde durch die Bezeichnung
"Balalaika" ersetzt.
Nachfolgend werden einige nicht-russische Tanburen vorgestellt. Von Russen werden sie oft auch als "Balalaiken" bezeichnet, obwohl sie keine dreieckige Form haben. "Balalaika" dient hier ganz allgemein als Bezeichnung für das nationale Zupfinstrument des jeweiligen Landes.
Diese nicht-dreieckigen Tanburen (genannt"Balalaika") kann man auch auffassen als Vorformen der russischen dreieckigen Balalaika.
DIE GEORGISCHE "BALALAIKA" PANDURI
DIE ALTAI- "BALALAIKA" TOPSCHUR
Die tschetschenische Balalaika "Pondar"
Kaukasus-Balalaika ("Gorskaja balalaika")
Die tschetschenische Pondar:
Eine Tanbur in rechteckiger Form ("Scheitholt")
Eine rechteckige "Holzscheit-Balalaika" aus dem Kaukasus
In der Kaukasusregion - also in naher geografischer Distanz zu Persien - ist das Wort "Tanbur bzw. "Pandur" bis heute in zahlreichen Bezeichnungen der Langhalslaute präsent, so bei der tschetschenischen "Pondar".
In Inguschetien wird dieses Instrument "Pandar" (пандар) genannt.
Der Kaukasus war die nördliche Grenze des persischen Reiches der Achämeniden, des -Griechisch-Persischen Alexanderreichs und des letzten Persischen Großreichs der Sassaniden. Die Namensbeeinflussung ist deshalb erklärlich.
Kaukasische Balalaika: Holzscheit und Schaufel
Holzscheit ( in der Draufsicht ) und
Schaufel ( in der Seitenansicht )
Die kaukasische Balalaika, auch "gorskaja balalaika" genannt (von "gora" = Berg, gemeint ist der Kaukasus), hat nicht die dreieckige Decke der heutigen russischen Balalaika, sondern sie besitzt eine sehr auffällige schmale Rechteckform.
Ein Dreieck ist jedoch erkennbar in der Seitenansicht.
Beide Ansichten (Draufsicht und Seitenansicht) verweisen auf das Grundmodell, aus dem diese "Balalaika" sich entwickelt hat: die Schaufel (Lopata).
Oft verschmälert sich die rechteckige Schaufelform in Richtung zum offenen Korpusende hin - so wie es auch bei manchen Schaufelformen des täglichen Gebrauchs der Fall ist.
In Georgien weist diese Balalaika sehr häufig eine andere Verformung auf: hier ist die Rechteckform im Mittenbereich verbreitert, so daß in der Draufsicht eine Rautenform erkennbar ist. (siehe Skizze oben)
In der puristischen Rechteckform der tschetschenischen Pondar kann man die Ursprungsform, aus dem das Instrument entstanden ist, unschwer erkennen:
der Baum-Ast bzw. Baumstamm.
Die Pondar stellt ein ausgehöhltes Holzscheit dar. Sie ist ein "Scheitholt".
Die tschetschenische "Kaukasus-Balalaika" PONDAR wurde und wird bis heute
(wie die alte russische Nowgorod-Balalaika) aus einem einzigen Stück Holz herausgehauen.
Der Korpus der Kaukasus-Balalaika = ein Trog
In der Draufsicht (siehe Skizze oben) läßt die gorskaja balalaika die Form des historischen Holztrogs erkennen, aus dem biele Musikinstrumente entstanden sind.
Die Trog-Form ist nicht nur bei den prominenten Trögen wie
Backtrog,
Waschtrog,
Brunnentrog und
Sarg zu finden, sondern auch bei der Schaufel.
Schaufel = Sonderform des Troges
Eine Schaufel ist die Sonderform eines Troges. Die Schaufel ist ein Trog mit fehlender Stirnwand, ein vorne offener Trog also.
Oft verläuft auch der Trogboden nicht parallel zur Oberkante (wie bei einem Trog-Sarg), sondern bildet eine Schräge.
Einen solchen einseitig abgeflachten "offenen" Trog stellt die Schaufelform der
kaukasischen Balalaika dar.
Die Sadinka der Kaukasus-Balalaika
Betrachtet man die Kaukasus-Balalaika als Mehlschaufel, so ist die Sadinka das Brett, an dem der Griff sich befindet. (Sadinka="hinerer Teil", Hinterbrett)
Die Schaufelform (Lopata) ist in der Längsschnittform eindeutig erkennbar.
Die Sadinka ist die typische Stirn- bzw.Hinterschräge von Trapez-Trögen und -schaufeln. (Bei Särgen: das Kopfbrett bzw. das Fußbrett)
Betrachtet man die Kaukasus-Balalaika als ein mit der russischen Balalaika verwandtes Musikinstrument, dann ist die Sadinka die gesamte "Bodenschräge" des Instruments.
Diese "Schaufel-Sadinka" weist einen sehr spitzwinkligen Verlauf zur Decke auf
und ist deshalb auch sehr lang.
Genau diese spitzinklige Keilform hat die tschetschenische "Kaukasus-Balalaika".
Die Skizze der Seitenansicht zeigt, wie sehr Kaukasus-Balalaika und Mehlschaufel miteinander verwandt sind.
Tschetschenische Pondar ("Tschetschenische Balalaika")
Die tschetschenische Pondar hatte früher häufig eine Decke aus Tierhaut mit Schallloch-Perforierungen. Ihr Hals hatte meist 6 Bünde.
Kaukasusbalalaiken weisen, je nach Region, Form-Varianten auf.
Heute hat die Pondar eine Holzdecke.
Kaukasische Balalaika: Steg auf der Decke
Eine Ausnahme bildet (aber nur scheinbar) die "Kaukasus-Balalaika" (Tschetschenische Pondar: siehe Skizze). Sie besitzt (in heutiger Bauform) einen Saitenhalter auf der Decke, an den die Saiten angeknüpft sind. Aber dieser Knüpf-Querriegel hat keine Steg-Funktion. Die Saiten der Pondar (Tanbur) werden über einen herkömmlichen Brückensteg geführt.
Georgische "Balalaika" Panduri
In Gorgien gibt es die Panduri und die daraus entwickelte größere Tschonguri: hier ist noch Rechteckform der Pondar erkennbar, jedoch ist das Rechteck in der Mitte "auseinander gezogen", so daß eine Rautenform entstanden ist.
Oft ist das Instrument nicht in der Mitte, sondern nahe am oberen Ende des Korpus, in der Nähe des Halses, verbreitert. Dadurch entsteht eine Dreiecksform bzw. ein Trapezoid.
Diese Dreiecksform ist jedoch genau umgekehrt zur Dreiecksform der russischen Balalaika. Die kaukasische Balalaika hat ihre Decken-Verbreiterung oben am Hals, die Decke der russischen Balalaika wurde am unteren Ende des Korpus verbreitert.
Die georgische Panduri/Tschonguri entspricht der russischen Balalaika.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Information im wikipedia-Artikel "Tschonguri".
Der gesamte nachfolgende fett gedruckte Text ist ein Zitat aus diesem Artikel.
(Zitat Anfang:)
Der Eintrag im russisch-georgischen Wörterbuch des georgischen
Gelehrten David Chubinashvili (1814–1891) von 1848 lautet:
„Tschonguri (persisch), eine kleine saz
mit vier oder fünf Saiten, balalaika.“
(:Zitat Ende)
Die oben beschriebene Formvariante der kaukasischen Balalaika (ein Rechteck, das sich nach vorn hin verjüngt), zeigt die folgende Skizze:
Tschetschenische Pondar
und russische Balalaika
Mit der Verschmälerung des Korpus zum vorderen Ende hin hat die kaukasische Balalaika "Pondar" den umgekehrten Weg beschritten, den die russische Balalaika genommen hat. Die russische Balalaika ist vorne verbreitert. Die kaukasische Balalaika ist vorne verschmälert.
Die Kaukasus-Balalaika hat die Urform des Rechteck-Troges bewahrt. Ihre Korpus-Proportion entspricht dem "klassischen" Trogmaß von Backtrog, Waschtrog, Sarg, nämlich 1:2,5 bis 1:3 (Verhältnis Länge: Breite beim ).
Die Länge des Instruments beträgt zwischen 75 und 90 cm.
Bevorzugte Spielarten sind Strichspielart und Tremolo wie bei der russischen Balalaika. Wie die russische Balalaika ist auch sie nach dem persischen Tanbur-Vorbild besaitet: 2 Saiten oder 3 Saiten.
Anders als die russische Balalaika sind bei der Kaukasus-Balalaika die Wirbel seitenständig.
Die kaukasische Balalaika wird auch "Gorskaja Balalaika" genannt (von "gora"= Berg; gemeint sind die Kaukasus-Berge). Die verschiedenen Kaukasusvölker haben eigene je verschiedene Namen für dieses Instrument.
In diesen Namen ist erkennbar die alte persische Bezeichnung für Langhalslaute: "Tanbur" oder die diesem Namen zu Grunde liegende sumerische Wortform
"Pandur".
Hier eine Auswahl der heutigen Bezeichnungen:
Dagestan (Awaren): Pandur (Пандур)
Ossetien:
Fandar (Фандар)
Kabardino-Balkarien: Fandur (Фандур)
Grusinien (Grusia): Panduri (Пондури)
Tschetschenien: Pondar
(Пондар)
Aserbeidschan Tambur
Afghanistan (Kabul) Tanbur, Tanbur
Badachschan (N-Afghanistan) Dambura, Danbura
Kasachstan Dombra
Kurdistan (grenzübergreifend) Tembur
(Quelle : wikipedia.ru "Пондар"; wikipedia.de "Dambura")
Die Dombra ist heute das Nationalinstrumnent Kasachstans.
Bei den Uiguren im heutigen China ist die zweisaitige Tanbur, die Dutar, weit verbreitet. Sie heißt dort Dotar ("Die Zweisaitige")