4.1   B A L A L A I K A    U N D    D O M B R A

                  Tanbur  -  Dombra  -  Balalaika

Dombra

 

Kulturgeschichtlicher Überblick

 

Im ersten Weltreich der Geschichte, dem Persischen Reich der Achämeniden (genannt "Erstes Persisches Reich"), war ein Musikinstrumententyp beheimatet, auf dem  viele bekannte Instrumente  basieren: kasachische Dombra, russische Balalaika, türkische Baglama, griechische Bouzouki und viele mehr.

Der Instrumententyp, von dem hier die Rede ist, ist die Langhals-Laute TANBUR .

Dieses Instrument hat Geschichte gemacht.

Die Tanbur  erfuhr im kleinasiatischen, zentralasiatischen und osteuropäischen  Raum  zahlreiche Abwandlungen, verschiedene Ausformungen und Weiterentwicklungen.

Die  kirgisische und kasachische Dombra, die türkische Baglama  und die russische Balalaika sind wohl die drei prominentesten "exotischen"  Nachkommen der persischen Tanbur. Dombra, Baglama und Balalaika wurden zu Nationalinstrumenten des jeweiligen Volkes.

 

Während die kasachische Dombra auch noch heute (trotz "Sowjetisierung") eine sehr große Ähnlichkeit mit der Tanbur besitzt, und ebenso die türkische Baglama, hat die russische Balalaika sich sehr weit weg von der ursprünglichen Form der Tanbur entwickelt und besitzt nur noch wenig Ähnlichkeit mit ihr.

 

"Sowjetisierung" bedeutet: die Sowjetunion war bestrebt, historische und allzu exotische Musikinstrumente ihrer asiatischen Sowjetrepubliken westlichen Vorbildern und russischen Standards anzugleichen.

Bei der Balalaika war eine solche Sowjetisierung nicht erforderlich. Die Balalaika besaß eine eigene Entwicklungsdynamik, sie machte durch die Jahrhunderte einen sehr kreativen Weiterentwicklungsprozess durch, der bereits im 19. Jahrhundert zu ihrer heutigen bekannten dreieckigen Form führte.

Großen Anteil an dieser Entwicklung hat Wassili Andrejew, der 1884 , lange vor der Sowjetherrschaft, eine neue Epoche der Balalaikaentwicklung ins Leben rief.

Er veränderte das Instrument in Richtung auf die kastige Dreiecks-Gusli, aber der Typ "Schalen-Halslaute" ist erhalten geblieben und immer noch deutlich erkennbar, trotz der Dreiecksform des Korpus.

Die Dombra ist  -  im Gegensatz zur Balalaika  -  ihrem alten persischen Vorbild der langhalsigen ovalförmigen (mandolinenähnlichen)  Tanbur verhaftet geblieben.

 

Persische Tanbur

Die Tanbur ist - wie gesagt - bereits im 1. Persischen Großreich, dem Achämenidenreich, bezeugt. Das  Achämenidenreich wurde 331 v.Chr. durch Alexander den Großen erobert. Der persische Kulturraum wurde - in größerem Umfang als vorher -  für das Abendland geöffnet.

Persien verlor im Verlauf seiner Geschichte sehr häufig durch militärische Niederlagen  seine politische Unabhängigkeit und Selbständigkeit.

Aber auch in Zeiten politischer Schwäche konnte Persien erstaunlicherweise  seine kulturelle Identität und Ausstrahlungskraft bewahren..

Persisches Musikinstrumentarium (Tanbur, Barbat, Psalterium u.a.)  fand vielfach Eingang in nicht-persische Länder.

Im 2. Persischen Großreich, dem Sassanidenreich (224-642 n.Chr.) gehörte die Langhalslaute Tanbur zu den viel gespielten Musikinstrumenten.  Das Sassanidenreich wurde durch die Araber im Zuge der islamischen Expansion zerschlagen. Die Tanbur aber überlebte und wurde von den Arabern übernommen.

 

Nach den arabischen und türkischen Eroberungen geriet Persien 1221 unter mongolische Herrschaft (Dschingis Khan) und dann unter turko-mongolische Herrschaft (Timur).

Trotz alledem: Die Tanbur überdauerte alle politischen Veränderungen -  bis heute.

Die Tanbur fiel den Eroberern nicht zum Opfer, sie wurde nicht beseitigt, sondern im Gegenteil: sie wurde von den Eroberern angenommen.

 

Im heutigen Iran ist die alte persische Tanbur immer noch lebendig und sehr präsent. Sie existiert in ihrer historischen Form und in modernisierten Formen. Es gibt im heutigen Iran viele bedeutende Tanburspieler und -innen.

Die persische Kultur zeigte sich im Laufe ihrer Geschichte immer wieder als eine sehr durchsetzungsmächtige Kultur. Von Persien aus gelangte das Instrument in viele andere nahe und ferne Länder, auch in slawische Siedlungsgebiete.

 

Die Tanbur brauchte, um zu den Slawen zu gelangen, nicht die Vermittlung mongolischer und tatarischer Steppenvölker.  Es gab einen direkteren Weg: die Wolga und der Don.

Wenn  Vermittlung, dann eher durch die  skandinavischen Waräger, die von der Ostsee (Baltisches Meer) ausgehend, die Handelsstrassen nach Byzanz (Schwarzes Meer) und Persien (Kaspisches Meer) lange beherrschten und viele Stützpunkte in slawischen Gebieten an  Wolga, Don und Dnjepr  besaßen. Sie vermittelten durch Handel viele Waren an die slawische Bevölkerung.

 

Im ersten russischen Staat, im 862 gegründeten Kiewer Reich ("Kiewer Rus"), gegründet in  Nowgorod, ist die Tanbur sogar namentlich bezeugt.

Das russische Kiewer Reich war in seinen Anfängen noch stark warägisch geprägt. In welchem Umfang, das ist bis heute ein Dauer-Streitthema der Slawisten.

Daß die warägische Dominanz aber alsbald durch das Übergewicht der slawischen Kultur zurückgedrängt wurde, ist unumstritten.

 

Persien und die Tanbur

Von der Tanbur zur Dombra

 

In Persien, bzw. im heutigen Iran, gehört die Tanbur bis heute zum persischen Musikinstrumentarium, sie hat ihre alte Form kaum verändert, sie ist lebendig und wird viel gespielt, besonders in der mehrsaitigen Ausführung der Setar.

Siehe z.B.:  www.santoori.com  (Provider für iranische Musikinstrumente)

 

Die im alten Persien verbreitete Tanbur besaß ursprünglich einen kleinen ovalen Korpus, angefertigt aus einer Kalebasse (Kürbis). Auf ihrem Weg durch Asien erfuhr die Tanbur mehrere Veränderungen, sowohl  in  Namensgebung als auch in der Form.

1. Der Name Tanbur wurde zu "Dombra"  ( in Russland zu "Balalaika" )

2. Das Instrument selber erlebte zahlreiche  Umformungen. 

 

Vom Oval zur Schaufelform

Die ovale Korpusform, vorgegeben durch die verwendete Kalebase, wurde, als das Instrument aus Holz geschnitzt wurde, mehr und mehr zur Schaufelform. Je nach Region weist diese Schaufelfom andere Proportionen auf.

Ungewöhnliche Schaufelformen der Dombra sind in der Kaukasus-Region, in Georgien, anzutreffen: bei der 3-saitigen Panduri  und der etwas größeren 4-saitigen  Tschonguri, beides Zupflauten ("kaukasische Balalaiken").

 

Allgemein gilt: Eine Dombra ist eine Langhalslaute mit einem ovalen bis schaufelförmigen Korpus in vielen Formvariationen. Sie hat meist  2 Saiten 

(so auch die frühen russischen Balalaiken).

 

Die Kasachen weisen gerne darauf hin, daß die  kasachische  ovale  Dombra  eine von den Persern unabhängige Geschichte hat. Felszeichnungen auf dem Gebiet des heutigen Kasachstan bezeugen, daß es das tanburähnliche Instrument seit über 4000 Jahren gibt. Das bedeutet: noch zeitlich vor den alt-iranischen Stämmen der Saken und Skythen, die im 1. Jahrtausend v. Chr. auf dem heutigen Territorium Kasachstans lebten.

Die Karte unten zeigt das Gebiet der Skythen 100 v. Chr. Der östliche Großteil dieses Gebiets entspricht dem Staatsgebiet des heutigen Kasachstan.

Verwundern kann dieses vor-persische Domra-Zeugnis auf dem Gebiet des heutigen Kasachstan nicht, denn die Tanbur ist ja nicht in Persien erfunden worden: sie stammt aus Sumer und ist in die persische Kultur aufgenommen, von ihr bewahrt und durch sie weitergegeben worden.

Gebiet der Skythen 100 v. Chr. (Bildnachweis (wikimedia "Skythen").Der parthische Fürst Arsakir begründete 224 n.Chr. das Neupersische Reich der Sassaniden.

Der Korpus der kasachischen Dombra kann aus einer Kürbisschale oder aus Holz gefertigt sein. Auch die Balalaika, d.h. die in Russland verbreitete Tanbur, weist diese beiden Herstellungsarten auf.

Die Balalaika  ist wie die Dombra vom Grundtyp her eine Tanbur, d.h. eine Langhalslaute. Die ursprüngliche Korpusform der persischen Tanbur ( Oval-, oder Rundform) wurde in Zentralasien vielfach zu einer Schaufelform verändert. In Russland wurde diese schmal-dreieckige Schaufelform zu einem breiten Dreieck umgewandelt. Dies konnte erst dann geschehen, als Tanburen nicht mehr aus Kürbissen, sondern aus Holz gefertigt wurden.

Kürbisinstrumente konnten diese Formwandlung nicht vollziehen, da Kürbisse nicht dreieckig wachsen.

(Jedoch können halbierte Kübisse bei der Trocknung zum Dreieck geformt werden)

Der Umbau zur  breiten Dreiecksform  war nur mittels der Holzbauteile-Bau-Methode (Zarge/Decke/Späne) möglich.

Bei der Massivholzbauweise war die Dreiecksbauweise nur in beschränktem Maße machbar, die Breite des Baumstammes bzw. des Maum-Astes setzte hier Grenzen.

 

Auch ein anderes bekanntes Saiteninstrument konnte nur mittels der Holz-Bauteile-Methode seine große dreieckige Form  bekommen: das große halbkreisförmige Psalterium, die "Helm-Gusli".

 

Die Tanbur im Russland des 10. Jahrhunderts

Die im frühen Russland verbreitete  Langhalslaute, die "Vorgängerin" der Balalaika, war unter dem persischen Namen "Tanbur" bekannt.

Ob das gleiche Instrument in Russland auch als "Dombra" bezeichnet wurde,

kann nicht sicher geklärt werden.

Eine schriftliche Quelle aus dem 10. Jahrhundert berichtet über die Popularität der Tanbur ("Balalaika") in Russland. Verfasser ist der Sekretär des Kalifs von Bagdad, der einen Reisebericht abgefaßt hat. Er verzeichnet in seinen Notizen, dass in der Begräbniszeremonie  bei  den „Russen“ neben Nahrungsmitteln auch eine „Tanbur“ mit ins Grab gelegt wurde.  "Tanbur" war demnach der alte Name für "Balalaika".

Quelle:

Ibn Foszlan's und anderer Araber Berichte über die Russen älterer Zeit. 

St. Petersburg 1823    (siehe Literaturverzeichnis)

 

Auf diese Quelle bezieht sich auch das russische Musikquartett "Exprompt" auf

ihrer Website über russische Musikinstrumente: http://www.exprompt.ru).

Die Mitglieder sind Absolventen des Konservatoriums in Petrosavodsk

(am Onega-See, Föderationskreis Nordwestrussland, Republik Karelien).





Türkische Baglama mit verschiebbaren Bünden. (baglamak = binden)

 

Die Tanbur und ihre Formvarianten :

 

In  Persien  im  4.Jhd. v. Chr.  wurde  die Langhalslaute  Tanbur  genannt.

Man vermutet, daß tanbur "Lärm, Tumult" bedeutet, aber die Bedeutung dieses Wortes ist nicht gesichert.

Wo und wann das mit "Tanbur" bezeichnete Instrument entstanden ist, ist nicht bekannt. Vielleicht ist es in vielen Kulturen gleichzeitig entstanden, jedenfalls ist es im asiatischen Raum sehr verbreitet.

Auch heute noch ist diese Art der Langhalslaute, die Tanbur, lebendig. Sie wird in vielen zentralasiatischen Staaten gespielt. Unterschiedlich ist nicht nur der Name, sondern - je nach Region - auch ihre Bauart, der Grundtyp aber ist immer der gleiche.

 

Der persische Name "Tanbur", der vielleicht selber ein Lehnwort aus einer anderen Sprache ist (sumerisch?), stand häufig Pate bei der Benennung dieses Instruments bei anderen Völkern:

 

Tanbur - Tambur  - Tumbur - Tunbur  - Dombra - Dombura - Dambure   Dutar  -  Dotar -  Setar.

Bei den Tschuwaschen (Tschuwaschische Republik, Föderationskreis Wolga) wird die Dombra  Tamra  genannt.

 

Baglama  und  Cura  sind  türkische  Namen (baglamak=binden).

Bouzouki  ist der griechische Name der Tanbur.

 

Der Name "Dutar" (2-saitige Tanbur) wird in der abgewandelten Form "Dotar"  in Turkmenistan, Afghanistan, Usbekistan und Tadschikistan gebraucht.

 

Auch die Bezeichnung  Domra  als Synonym für Dombra  kommt vor, obwohl dieser Name irreführend ist, denn mit Domra wird heute die ukrainische runde Balalaika bezeichnet.

 

Die Tanbur/Dombra  kann auch heute noch aus einem Kürbis oder aus Holz angefertigt sein. Die türkische Baglama wird heute nicht mehr aus Kürbis gefertigt, sondern nur noch aus Holz.

Der Korpus der Holz-Tanbur/Dombra/Baglama wird oft  aus einem einzigen Stück Holz herausgeschält.  Der lange Halsstab wird an den kurzen Halsansatz des Korpus angeschäftet.

 

Die Tanbur ist ein Zupfinstrument. Aber es gibt sie auch als Streichinstrument die türkische Kabak-Kemane. Die Kabak-Kemnane ist eine Kürbis-Tanbur mit Tierfellbespannung. Abbildung in:


 

 

Die 2-saitige Dombra ist im heutigen Kasachstan das am meisten verbreitete Musikinstrument. Es ist dort Nationalinstrument und sogar Staatssymbol. Auf der 500 tenge- Silbermünze sind verschiedene Formen der Dombra abgebildet.

 

In Indien heißt die gezupfte Tanbur Dotara. Sie besitzt einen fellbespannten runden Kürbis-Korpus und zwei Saiten. Die einsaige Ausführung heißt  Ektara.

 

Die türkische Baglama

 

In der heutigen Türkei ist die Tanbur/Dombra - mit vermehrter Saitenzahl - sehr verbreitet. Ihr türkischer Name lautet  Baglama. Sie gilt als das beliebteste Saiteninstrument und ist das türkische Nationalinstrument.

("In jeder Familie eine Baglama.") Bei ebay.de wird regelmäßig eine große Anzahl von Baglamas angeboten.

Der Korpus der Baglama wird sowohl aus einem Stück Holz herausgeschält als auch in Spanbauweise hergestellt.

Dem Wort Baglama zugrunde liegt das Wort  baglamak = binden. Gemeint sind die Bünde des Instrumentenhalses (Griffbtettes). Man unterscheidet zwischen Langhals-Baglama ( Uzun Sap Baglama ) und

Kurzhals-Baglama ( Kisa Sap Baglama ).

Die Kurzhals-Baglama ist aber ebenso wie die Uzun sap baglama  ein Langhalsinstrument, nur mit einem etwas kürzerem Hals als dieses. Die kleine Ausführung der Baglama heißt  Cura. Baglama und Cura sind Zupflauten und werden mit Plektren gespielt.

Baglama und Cura werden heute noch traditionell mit verschiebbaren Bünden und Steckwirbeln gefertigt.

 

Die griechische Bouzouki

 

Eine Weiterentwicklung der Baglama (mit festen Bünden und Wirbelmechanik) ist die griechische Bouzouki. ( Griechenland stand 400 Jahre unter osmanisch/türkischer Vorherrschaft ).

Die Flachkorpus-Ausführung der Bouzouki, die in den 1960er Jahren entwickelt wurde, ist die irische Bouzouki.  ( Mehr Info bei wikipedia: Irische bouzouki )

 

Bild oben: Persische Tanbur, 20.Jhd., Korpus aus Spänen zusammengesetzt

 

Die persische Tanbur:

Der Ursprung von Dombra und Balalaika: 

 

Die kasachische Dombra  geht  zurück auf den gleichen Langhalslautentyp, der im alten persischen Reich Tanbur  hieß und als persisches Instrument Maßstäbe gesetzt hat.

Die persische Kultur prägte die hellenistischen Kultur, die seit Alexander dem Großen 321 v.Chr. die Kultur Europas und Asiens miteinander verband - und bis heute weiterwirkt.

 

Die 2-saitige persische Tanbur hieß  Dutar, die dreisaitige Tanbur hieß Setar.

Die Namen Dutar und Setar beziehen sich auf die Anzahl der Saiten.

 

In  der  persischen  Sprache  bedeutet:

du   =  zwei

se   =  drei

tar  =  Saite



Das Instrument im Bild oben ist die dreisaitige Ausführung der Tanbur: die Setar. Die abgebildete Setar wurde in Persien, dem heutigen Iran, gebaut. Ihr Korpus ist fast halbkugelförmig und aus neun Holzspänen zusammengesetzt  (eigentlich 7 Späne und 1  umlaufende Zarge).

Das Instrument hat 3 verschieden gestimmte Saiten (:Setar). Die oberste Saite ist doppelchörig ausgeführt, das Instrument hat also 4 Wirbel.



Das nachfolgend abgebildete Instrument zeigt eine  türkische Baglama, so wie sie heute noch in der Türkei gebaut wird und in Gebrauch ist.

Die Baglama zeigt  eine große Ähnlichkeit mit dem alten persischen Vorbild.

Bei der türkischen Bauart der Tanbur (der Baglama) ist auffällig der sehr tief ausgewölbte Bauch.

Persische Tanbur (Dombra)
Bild oben: Griechische Bouzouki. Langhalslaute mit festen Bünden
Cura. Kleinausführung der türkischen Baglama. Korpus aus einem einzigen Stück Holz. "Oyma Dut Cura"

 

                Dombra oder Balalaika ?

 

"Sowjetische" kasachische Dombra:  in Dreiecksform

 

Kasachische Dombra mit dreieckigem Korpus auf Sowjetbriefmarke (wikimedia commons)

Die kasachische Dombra:  ohne Dreiecksform

Dombra Kasachstan 2003 (Wikimedia commons)

Die oben abgebildete Briefmarke aus der Sowjetunion zeigt kasachische Musikinstrumente. Das als Dombra deklarierte Instrument in dreieckiger Form und mit kleinem Schallloch kann ebenso als Balalaika bezeichnet werden. 

Es gibt zwar historisch bezeugte kasachische Dombren in dieser Form, diese sind aber sehr selten und stellen keine für die Dombra heute typische Form dar.

Zwei Gründe könnte es für die Wahl dieses Markenmotivs geben:

Vielleicht war es die Absicht, besonders seltene Instrumentenformen zu zeigen, unter anderen auch eine  Dombra in dreieckiger Form.

Vielleicht aber war die Auswahl gerade dieser untypischen dreieckigen Dombra politisch motiviert: es sollte im Jahr 1990 noch einmal der Geist der "sowjetischen Nation" beschworen werden. Dieser Geist war aber stets russisch dominiert. Hier sollte gezeigt werden, wie sehr Kasachstan mit der russischen Kultur verbunden ist.

 

Nach Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991 wurde Kasachstan ein unabhängiger Staat  und gab eigene Briefmarken heraus. Zu den Markenmotiven gehörte auch die Abbildung des Musikinstrumentes, das von den Kasachen als "Nationalinstrumente der Kasachen" erklärt worden ist: die Dombra.

 

Auf der oben abgebildeten Briefmarke von 2003 ist diejenige Dombraform zu sehen, auf die sich die kasachisch-nationale Tradition wirklich als ihr Instrument beruft, nämlich eine Dombra mit oval-tropfenförmigem Korpus. Dieses Instrument verweist nicht auf die russische Balalaika, sondern ist an der alten persischen Tanbur orientiert. Das Präsentieren dieser Rundkorpus-Dombra auf der Briefmarke geschieht höchstwahrscheinlich in gewollter Distanz zur sowjetisch verordneten  Dreieckskorpus-Dombra.

 

 

Formen der Dombra

 

Die Dombra geht - wie die russische Balalaika - zurück auf die alte persische Tanbur, meist in ihrer zweisaitigen Ausführung: der  Dutar. Im zentralasiatischen Raum sowie im Kaukasus hat die Tanbur viele verschiedene Formen hervorgebracht.

Sehr verbreitet ist die Tanbur mit oval-tropfenförmigen Korpus: die kasachische Dombra und die türkische Baglama besitzen diese Korpusform. Unterschied zwischen Baglama und Dombra: die Baglama ist bauchiger und besitzt in der Regel kein Schallloch in der Decke.

Folgende Korpusformen der Dombra sind häufig:

 

Halbkugel

Oval

gekapptes Ei

gekapptes Ei, unten tailliert   ( georgische Tschonguri )

Bootspaddel

Bienenkorb

 

Schaufel  (lopata)

langes schmales Dreieck    ( als Sonderform der Schaufel )

 


 

Dombren mit der Korpusform eines  Bootspaddels  bzw. einer Schaufel weisen eine formale Ähnlichkeit mit dem dreieckigen Korpus der frühen russischen Balalaika auf.

Esist wahrscheinlich, daß die russische dreieckige Balalaika entstanden ist als  Fortentwicklung dieses Dombra-Typs.

Ich vermute, daß in der Lopata-Form die russische/karelische schmal-dreieckige Flügel-Gusli (Kantele) erkannt wurde. Um den Klang dieser Gusli zu erreichen, wurde die Lopata immer mehr der Gusliorm angeglichen.

In der russischen Entwicklung ging es nicht darum, das asiatische Instrument Tanbur/Dombra zu vervollkommnen, sondern ein neues Instrument zu kreieren, das - auf der Tanbur/Dombra aufbauend - imstande ist, den für das russische Ohr vertrauten Gusliklang hervorzubringen.

 

Das kirgisische Dutar

Dombra, 2-saitig (Dutar), abge- schnittenes Oval (gekapptes Ei)

Die Ausführung "gekapptes Ei" war sehr verbreitet. Über diese Form der Dombra erfahren wir in einem Reisebericht aus Zentralasien (Kirgisische Steppe)  aus dem Jahr 1848. Allerdings wird hier die schaufelförmige Dombra mit ihrem alten, aus Persien stammenden Namen, benannt: Dutar (= die zweisaitige Tanbur. du = 2).

 

"Das Dutar gleicht am meisten einer Mandoline.

Der beinahe einen Fuß lange Körper desselben ist von der Form eines Eies, dem man ein Drittel der Länge nach abgeschnitten hat, und geht allmählich in einen zwei Fuss langen und schmalen Hals über, der nach bestimmten  Zwischenräumen  mit  Darmsaiten  umwunden  ist, welche die Querbänder darstellen.

Es hat, wie schon der Name anzeigt, zwei Saiten, welche nach Art der russischen Zither oder Balalaika zugleich mit allen Fingern der rechten Hand angeschnellt werden."

 

(Dritter Abschnitt Reise auf dem Ustjurt und im Chanate Chiwa bis zur Stadt Taschhaus.

Ankunft in Taschhaus. Eine musikalische Abendunterhaltung S. 108)

 

Hier die vollständige Quellenangabe:

Naturwissenschaftliche Reise durch die Kirgisensteppe nach Chiwa.

Von Theodor Friedr. Jul. Basiner, Dr. phil.

Mit einer Karte und vier Tafeln. Von der Kaiserlichen Academie der Wissenschaften

des halben Demidow´schen Preises gewürdigt.

St. Petersburg, 1848 Buchdruckerei der Kaiserlichen Academie der Wissenschaften.

Auf Verfügung der Academie. St.Petersburg, November 1848

P. H. Fuss, beständiger Sekretär.

Aus:

Beiträge zur Kenntnis des Russischen Reiches und der angrenzenden Länder Asiens - Auf Kosten der Kaiser. Academie der Wissenschaften herausgegeben von K.E.-v. Baer und Gr. v. Helmersen.

Funfzehntes Bändchen Basiner´s Reise nach Chiwa - St.Petersburg, 1848

Im Verlage der Kaiserlichen Academie der Wissenschaften.

 

 

Die historische Paddel-Balalaika  erlebt eine Renaissance:

Der Strumstick



Nach diesem Ausflug in die Vergangenheit folgt nun ein Sprung in die russische Gegenwart. Im modernen Russland des 21. Jahrhunderts spielt die Balalaika leider keine sehr große Rolle. Sie ist ein exotisches Folklore-Instrument. Das ist zu beklagen. Die Balalaika ist bei Jugendlichen nicht sehr populär. Das am meisten gespielte Instrument ist - wie fast überall - die 6-saitige Gitarre, manchmal auch die russische 7-saitige Gitarre.

 

Diese gibt es nicht nur in der bekannten taillierten Form, sondern auch mit neuem "Outfit". Das Neue allerdings ist eine uralte Form: eine Dombra-Paddel, also eine schmale dreieckige Balalaika, eine alte zentralasiatische Form mit moderner englischer Bezeichnung: Strumstick

Der Musiker Sergei Shnurow mit Strumstick-Gitarre: Martin Backpacker "Gitarrenpaddel", "Balalaika-Gitarre". Quelle: wikimedia commons s.u.

Der Strumstick

Der Strumstick ist eine sehr beliebte kultige "Reisegitarre" mit paddelförmigem Korpus:

Die Form knüpft an die alte zentralasiatische Langhalslaute Dombra an, die nichts anderes ist als eine schmale Balalaika.

Das nebenstehende Bild zeigt den russischen Gitarrenspieler Sergei Shnurow von der Band Leningrad. Mit seiner Strumstick-Gitarre will er als russischer Musiker bewußt eine Assoziation zur russischen Balalaika herstellen.

Siehe auch "Birke und Balalaika"  und  "Balalaika und Kantele"

 

 

Bildnachweis: von lafleur from st. petersburg, russia ([1]) [CC-BY-2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

 

Dombra  und  Balalaika 

in  Schaufel-Form (Lopata)

Lopata (лопата) = Schaufel, Ruderblatt. Lopata-Form: kasachische Dombra, georgische Panduri und Tschonguri

Viele Die frühen holzgeschnitzten Balalaiken waren noch nicht dreieckig, sondern oval bis schaufelförmig. In der Schaufelform allerdings war bereits die Dreiecksform angedeutet, die später immer mehr zur Ausprägung gelangte und zum typischen Merkmal der russischen Balalaika werden sollte.

Diese frühen langhalsigen Lauteninstrumente mit schmalem Korpus trugen wohl noch nicht den Namen "Balalaika" (dieser ist  von den Tataren übernommen worden, entweder nach dem Mongolensturm 1223 oder bereits schon früher), sondern wurden mit dem alten persischen Namen "Tanbur" ("Pandur") bezeichnet, oder mit dem von "Tanbur" abgeleiteten ähnlich klingenden Namen "Dombra".

Sehr verbreitet war die zweisaitige Ausführung der Tanbur, die "Dutar".

Noch heute werden in vielen zentralasiatischen Ländern  Langhalslauten mit  "Dutar"  und  "Dotar" bezeichnet.

Diese Langhalslauten hatten (und haben) einen sehr kleinen Korpus und einen sehr langen Hals. Der Korpus war deshalb schmal, weil aus einem einzigen  Stück Holz (Ast, kleiner Stamm) herausgeschnitzt bzw. -geschält wurde.

Viele Langhalslauten  werden noch heute  auf diese Art hergestellt:

Z.B. die  afghanische Tanbur, die kasachische Dombra und die  türkische  Cura.

 

Diese drei genannten Instrumente haben alle einen sehr kleinen Korpus.

Daß es auch möglich ist, einen großen Korpus aus einem einzigen Stück Holz herauszuschälen, zeigen Ausführungen der  türkischen  Baglama  ("oyma dut baglama".  Diese werden meist aus  Maulbeerholz  gefertigt.

Am Korpus dieser geschnitzten Langhalslauten wird ein kurzer Halsansatz angedeutet. An diesen wird ein längerer Hals angeschäftet.

Die Korpushöhlung wird mit einer Decke versehen: entweder Holz oder Tierhaut.

Tierhaut wird vielfach in Usbekistan verwendet. Eine Holzdecke findet man bei der Dombra in Kasachstan, der alten Holz-Balalaika in Russland und bei der Baglama in der Türkei.

Eine häufig in Zentralasien anzutreffende Korpusform ist die Form der Schaufel bzw. des Bootspaddels  ( russ.: Lopata ).

 

Die Schaufelform trifft man auch an bei den bei den georgischen Langhalslauten Panduri  und  Tschonguri.

Während die kasachische Dombra meist ein flaches Wirbelbrett mit unterständigen Wirbeln besitzt,  haben die georgischen Langhalslauten "Panduri" und "Tschonguri", sehr oft seitenständige Wirbel und einen Hals, der am Ende als Haken oder Schnecke hochgebogen ist.

(Zu "Panduri" und "Tschonguri" siehe die sehr informativen wikipedia-Artikel!)

Tonbeispiele zu Panduri und Tschonguri:  "Quintett Urmuli aus Tiflis" (Youtube)

 

 

 Weitere Informationen auf dieser Website:  siehe  Balalaika und Birke.

 

Die zweisaitige Balalaika

Sehr frühe Balalaiken besaßen noch nicht  - wie heute - drei Saiten, sondern nur zwei. Auch die persische Tanbur hatte 2 Saiten, ebenfalls die kasachische Dombra.

Von den 2 Saiten wurde oft nur 1 Saite für das Melodiespiel verwendet. Die andere Saite klang als Bordun mit.

Obwohl nur 1 Melodiesaite zur Verfügung stand, war es dennoch möglich, einen großen Tonumfang zu erhalten, denn der Hals dieser Lauten war sehr lang, es konnten weite Melodieläufe gespielt werden.

 

Die kasachische Dombra war ein mongolisch-tatarischen Instrument, ein Instrument der Steppenreiter.

Kenner dieses Instruments wissen, daß das Dombraspiel ( in der Kuy-Spielweise) das Laufen der Pferde in der Steppe imitiert  und und den Rhythmus trappelnder Pferdehufe nachahmt: für die Kotschewniki der Inbegriff der Freiheit musikalischer Wohlklang.

Für russische Ohren nicht unbedingt ein Hörgenuß.

 

Kюй auf der Dombra

Ein Russe, der in Kasachstan lebte, hat mir einmal gesagt:

"Den "кюй" auf der Dombra (Spiel auf der Dombra ohne Gesang) kann sich ein russisches Ohr nicht lange anhören, das ist sooo langweilig! Da laugen nur Pferde hin und her."

Ein Russe vermißt bei dieser rhythmusbetonten Dombra-Spielart den Melodieausdruck und die Akkorde.

Versuchen Sie sich einmal vorzustellen, das bekannte russische Lied  "Ach, ty notschenka" werde auf einer Dombra gespielt ohne Akkordbegleitung, nur auf 1 Saite und der mitklingendem Bordunsaite!

Die Melancholie dieses Liedes, seines Textes und seiner Melodie, könnte auf einem solchen Instrument überhaupt nicht ausgedrückt werden!

Das Melodiespiel auf nur 1 Saite klingt auf die Dauer monoton.

Erst die gegriffenen Akkorde und Dreiklänge geben dem Balalaikaspiel seine Fülle und seien Ausdrucksreichtum.

Viele Akkorde können aber nur gegriffen werden, wenn der Instrumentenhals nicht zu lang ist, sonst können die Finger den "Spagat" nicht ausführen.

 

Folgerichtig - um das Greifen der Akkorde zu ermöglichen -  wurde die persische Tanbur  in Russland so verändert, daß der Hals immer mehr verkürzt wurde. Eine Mensur von 43-45 cm gilt heute als das Maß. In Kasachstan, Kyrgystan und weiteren asiatischen Regionen blieb die Tanbur langhalsig, ja es wurde der Hals sogar verlängert. (Die Pferde brauchen viel Auslauf!) Unter dem Namen Dombra wurde die Tanbur zum beliebtesten Instrument vieler asiatischer Volksgruppen.

In Kasachstan ist die Dombra Nationalinstrument.

3 Spielarten werden unterschieden:

1. Kuy

Melodiespiel ohne Gesang. Oft hypnotisch wiederholende Melodieläufe.

2. Ölenn (=Enn)

Die Dombra begleitet den Gesang

3. Jirr

Enn-Spielart für sentimental-klagenden Gesang (Lieder traurigen Inhalts)

 

 

Das Greifen der Saite mit dem Daumen

 

Ein gemeinsames Merkmal haben  das  Dombra- und  Balalaikaspiel heute:  der  Einsatz   des  Daumens  der linken Hand beim Greifen der untersten tiefen Saite.

Anders  die  D o m r a :   sie vermeidet den Einsatz des Daumens.

 

Kasachische Dombra. Korpus in Spanbauweise