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Всё о балалайке
KULTURGESCHICHTE - ONTOGENESE - AUFBAU - TECHNIK
7 Kapitel über die russische Balalaika
Informative Website
über das russische Musikinstrument BALALAIKA
und mit der Balalaika verwandte Instrumente.
Die Webseite wird stetig aktualisiert und korrigiert. Es gilt immer die neueste Version.
Letzte Aktualisierung: am 18. 10. 2023
Die russische Balalaika
und ihre Verwandtschaft mit den alt-orientalischen,
alt-russischen, finno-ugrischen, kaukasischen und asiatischen
Saiteninstrumenten
TANBUR, DOMBRA, DOMRA, BANDURA, GUSLI, PSALTERIUM,
и др.
Часто задаваемые вопросы о балалайке
Themen dieser Webseite sind u. a. folgende Fragen:
Wie ist die Balalaika instrumentengeschichtlich einzuordnen?
Welche Instrumente sind mit der Balalaika verwandt?
Wie ist eine Balalaika aufgebaut?
Wo kommt die Balalaika her? Was ist ihr kultureller Hintergrund?
Wie sind die Saiten der Balalaika gestimmt ?
Welche Saitenstärken sind empfehlenswert ?
Warum ist die Balalaika dreieckig ? War es immer schon so ?
Was haben Kürbis, Backtrog, Paddel und Sarg mit der Balalaika zu tun ?
Sind bunt bemalte Balalaiken spielbar - oder sind sie nur Deko ?
Balalaika aus Holz - Kürbisbalalaika - Persische Tanbur - Gusli Psalterium - Kantele - Gudok - Jouhikko - Dombra - Domra
Baglama - Bandura - Kaukasus-Balalaika - Kalebasseninstrumente
Die 14 Links sind i n t e r n e Links dieser Website !
BILDER EINER AUSSTELLUNG
Bilderrahmen bestimmen das Design dieser Website. Die eingefügten Texte und Bilder haben die russische Balalaika zum Inhalt.
Das nebenstehende "Exponat" zeigt eine Balalaika aus der Werkstatt von Iwan A. Sjusin, St. Peterburg, um 1900.
Bemerkenswert sind 2 besondere Merkmale, die zu dieser Zeit viele Balalaiken aufwiesen:
1. Schallöffnung ist gestaltet als Fenster
einer russischen Bauernhütte (Isba´)
2. Geigen-Steckwirbel.
Heutige Balalaiken haben ein rundes Schallloch und eine 90°- Wirbelmechanik, mit senkrecht stehenden Spul-Achsen und seitenständigen Stell-Wirbeln.
Die Balalaika:
Außergewöhnliche Form
und außergewöhnlicher Klang
TRIGONIUM = DREIECKSFORM
Während viele Zupf- und Streichinstrumente (z.B. Violinen, Gitarren und Flach-Mandolinen) gerundete und ausgeklügelte kurvenreiche Formen besitzen, präsentiert sich die russische Balalaika in einer puristischen
DREIECKS-FORM ( TRIGONIUM ). Das Dreieck der Instrumentendecke gilt als das typische optische Erkennungszeichen der Balalaika.
Nicht nur die Optik, sondern auch der Klang des Instruments gilt als
ungewöhnlich und unverwechselbar, weshalb die Balalaika auch als "dreieckiges Klangwunder" bezeichnet wird.
Der Dreiecks-Korpus ist das am meisten klangformende Merkmal der Balalaika. Als weitere klangprägende Komponenten sind zu nennen:
das kleine Schall-Loch und die geringe Tiefe des Instrumenten-Korpus.
Für Saiteninstrumente - egal, welcher Form - gilt allgemein: Ein flacher Korpus und ein kleines Schallloch bewirken eine "direkte Ansprache" des Instruments (= "kurzes Sustain"), einen bass-armen Ton und ein präzises, sehr eindringliches Klangbild.
Die 4 klangbestimmenden Bauart-Merkmale des Balalaika-Korpus :
1. Die Dreiecks-Form der Instrumenten-Decke (ein Merkmal der Gusli)
2. Korpus mit geringer Höhe (vgl.: Kasten-Instrumente wie Geige u.a.)
3. Schräg gestellte Zargen und ein schwach gewölbter Korpus-Boden.
4. Das kleine Schall-Loch: Durchmesser 3/4 Zoll (=1,9 cm) und kleiner.
Weitere klangbeeinflussende Komponenten sind:
1. Die Art und die Stärke des verwendeten Holzes.
2. Der verwendete Leim (Fischleim, Knochenleim, synthetischer Leim)
3. Die Leistenführung unter der Decke.
4. Die Steifigkeit des Instrumentenhalses ("Stimmstab-Effekt")
5. Die Lackierung der Instrumentendecke (Schellack, Nitro-Lack, . . . )
6. Das Material, die Größe und die Konstruktion der Schlagplatte.
7. Die Form und das Material des Saitenstegs
8. Das Material und der Durchmesser der Instrumenten-Saiten.
9. Die Konstruktions-Geheimnissse des Instrumentenbauers . . .
Die Faszination des Balalaika-Klangs
Der Klang der Balalaika wird vielfach verglichen mit dem Klang einer
GLOCKE und mit dem Gesang einer NACHTIGALL.
SCHÖNHEIT DES KLANGS
Sogar professionelle Violinspieler sind von der Schönheit des Klanges der Balalaika und von ihrem "dulce melos" fasziniert.
Der folgende oft zitierte Ausspruch des Dichters und Philosophen Fjodor M. Dostojewski gilt auch für den Klang der Balalaika:
красота спасёт мир
"Die Schönheit rettet die Welt"
(. . . если мир спасёт красоту . . . )
Die Balalaika: eine Schalen-Langhals-Laute
Kastenlauten und Schalenlauten
In der seit 1914 geltenden Systematik der Musikinstrumente ist die Balalaika
in die Rubrik "LAUTEN-INSTRUMENT" eingeordnet.
Lauten-Instrumente bestehen aus Korpus und Hals. Je nach Korpusform und
-konstruktion unterscheidet man Kasten-Lauten und Schalen-Lauten.
Der Balalaika-Korpus hat zwar eine flache, ebene Decke und eine kastige Form,
aber wegen der Schrägstellung der zwei seitlichen Bodenplanken ( Zargen), wegen des stark angewinkelten Heckbretts (russ.: "Sadinka", engl.: "transom" ) und des gewölbten Bodens ist die Balalaika dennoch in die Gruppe der Schalen - Lauten eingeordnet.
Der Übergang zwischen Schalenlauten und Kastenlauten ist oft fließend. Z.B. gilt die Geige als reine Kastenlaute, obwohl bei ihr Boden und Decke aus schalig augehöhlten Brettern bestehen.
DIE DREIECKSFORM DER
BALALAIKA
Formverwandtschaften
4 traditionelle
Dreiecks-Formen
im Musikinstrumentenbau
1) PADDEL, SCHAUFEL
лопата ( lopata )
("balalaika lopatoobrasnaja")
2) FLÜGEL крыло ( krylo )
( Flügel von Vögeln und Faltern)
("krylovidnaja balalaika")
3) HELM шлем ( schlem )
("schlemovidnaya balalaika")
4) GLOCKE колокол ( kolokol )
Skizze :
Im Jahr 1884 schuf Wassili W. Andrejew eine Verbreiterung des Dreieckskorpus der Balalaika. Er vergrößerte ihre "Schaufel-Breite"
bzw. "Flügel-Spannweite". Die vorher schmal-dreieckige Balalaika
bekam die Form der breit-dreieckigen russischen HELM-GUSLI.
Seitdem gilt das (ungefähre) Richtmaß:
DIE KORPUSBREITE DER BALALAIKA (IHRE "FLÜGEL-SPANNWEITE")
ENTSPRICHT DER LÄNGE IHRER MENSUR
FLÜGEL UND HELM
PSALTERIUM UND BALALAIKA
Die Begriffe "HELM" und "FLÜGEL" sind historische russische Bezeichnungen
für verschiedene Formen von Kasten-Zithern (Psalterien, Gusli).
Zwei Formen waren sehr verbreitet:
1. Die schmal-dreieckige FLÜGEL-GUSLI ( russ.: krylovidnye gusli )
2. Die breit-dreieckige HELM-GUSLI ( russ.: schlemovidnye gusli )
"FLÜGEL" ( = Flügel von Vögeln, Faltern, Käfern, Schmetterlingen )
bezeichnet entweder die meist asymmetrische Form eines Einzelflügels
oder das symmetrische Gesamtbild beider Flügel (= Doppel-Flügel)
2 Beispiele für Instrumente mit dreieckigem flügelförmigem Korpus:
Finnische Kantele: Kastenzither (Asymmetrischer Einzelflügel)
Russische Balalaika: Hals-Laute (Symmetrischer Doppelflügel)
Beim Doppel-Flügel können beide Flügel dicht aneinander gelegt sein
oder beide Flügel sind weit ausgespannt.
Entsprechend ist die Instrumentenform ein schmales oder ein breites Dreieck
"HELM": Diese Bezeichnung bezieht sich auf den "Bicorne"- Offiziershut,
den breit-dreieckigen "Zweispitz", der im 19. Jhd. in der zaristisch-russischen
und in der französischen Armee als Kopfbedeckung der Offiziere und höherer
Ränge in Gebrauch war ("Napoleonshut").
Die Form der Bicorne variierte zwischen Halbkreis und Dreieck.
Die Helm-Form und die weit ausgespannte Doppelflügelform sind oft identisch
"Helm" = Bicorne = Breiter Doppelflügel = Delta-Flügel
2 legendäre Jahrtausende alte "Musik-Dreiecke" :
Harfe und Psalterium
Der DREIECKSKORPUS hat eine sehr lange instrumentengeschichtliche Tradition. Er verweist auf zwei historische Musikinstrumente mit
annäherndem Dreiecks-Korpus, die schon seit Jahrtausenden existieren:
1. D r e i e c k s - H a r f e ( Winkelharfe, Rahmenharfe ) und
2. D r e i e c k s - P s a l t e r i u m ( Zither, finn. Kantele, russ. Gusli )
Beide "Dreiecks-Instrumente" werden seit jeher gerühmt wegen ihres
"dulce melos" (dulce = süß, lieblich, betörend, russ.: сладко, melos = Klang)
Kaк непередаваемо сладко
звучит русская балалайка !
Mit ihrem dulce melos verzauberten die uralten "Musik-Dreiecke" HARFE und PSALTERIUM seit jeher die Ohren ihrer Zuhörer. Die PSALTERIEN Zither, Gusli, Kantele und ukrainische Bandura verzaubern bis heute.
Das Lauten-Instrument BALALAIKA mit seiner DREIECKSFORM tut desgleichen !
Die nachfolgende Skizze zeigt eine 15-saitige Gusli.
Die Farbe BLAU (= Farbe des Meeres) des umschreibenden Dreiecks verweist darauf, dass der Guslispieler Sadko, so erzählt eine Byline (= Erzählung aus alter Zeit), sein Instrument auch auf dem Meeresgrund spielte und dort mit dem betörenden Klang seiner Gusli die Bewohner in Entzücken versetzte.
GUSLI UND BALALAIKA
Die Balalaika hat die Dreiecksform der Gusli bewahrt und vollendet.
Setzt man an einen Gusli-Korpus einen Hals an und spannt darüber 3 Saiten
(E-E-A), dann können diese 3 Saiten die 15 Einzel-Saiten der Gusli ersetzen. Der
Ton-Umfang wird sogar noch größer, sogar mit nur 2 Saiten !
Werden diese beiden Saiten im Abstand einer Quarte gestimmt (E - A), und setzt man auf den Instrumentenhals 16 chromatische Bünde, dann kann man auf diesem Instrument 21 Töne spielen!
FORM - ANALYSE
DIE 3 PRÄGENDEN FORMEN DER BALALAIKA:
Die für die Balalaika typische Dreiecks-Form bezieht sich auf die DECKE
des Instruments.
Entscheidend für den Klang der Balalaika ist nicht allein ihre DECKE, sondern auch die geometrischen Besonderheiten der KORPUS-SCHALE.
Diese offenbaren sich im Blick auf Längs- und Querschnitt des Instruments.
Es sind drei geometrische Grundformen, die den GESAMT-KORPUS der heutigen russischen Balalaika bestimmen:
TRAPEZ-TROG - HALBKUGEL - DREIECK
Der Korpus der Balalaika wird bestimmt durch
1. TRAPEZ ( = Längsschnitt der Balalaika): Trapezförmiger TROG
2. HALBKUGEL ( = Querschnitt der Balalaika): Halbkugelförmige SCHALE
3. DREIECK ( = Draufsicht von oben ): Dreieckiger "GEFÄß-DECKEL"
Die Bau-Komponenten der Korpus-Schale
Nicht die Dreiecksform der Instrumenten - D e c k e, sondern ihr "Unterbau", also die Gestalt der K o r p u s - S c h a l e, ist das entscheidende Kriterium für die Typen-Einordnung der Balalaika.
Die Korpus-Schale wurde in früherer Zeit aus einem einzigen Stück Holz herausgehauen. Heute wird sie aus mehreren einzelnen Teilen zusammengesetzt.
Die Korpus-Schale besteht aus drei Komponenten. Diese sind:
1) Die zwei s e i t l i c h e n Seitenspäne ( = "Zargen")
in schrägem Winkel zur Decke gestellt.
2) Das h i n t e r e Zargen-Brett ( = Sadinka )
in schrägem Winkel zur Decke gestellt.
3) Der Korpus-Boden,
Er ist selten einteilig (siehe Bild unten "Balalaika Bauart 3).
In der Regel ist er aus mehreren Brettern zusammengesetzt.
Diese heißen "Späne", "Planken"oder "Boden-Elemente".
Typ-bestimmend:
Die Bauart des Korpus-Bodens
DIE 3 BAUART-TYPEN DER BALALAIKA HEUTE
1) Bauart "Passierbski" = 2 Zargen + 3 oder 5 Planken
Die Korpusschale besitzt eine ungerade Anzahl von Spänen.
Typ: "Flachkiel"- Balalaika mit unterer mittiger PLANKE.
Der Geigenbauer Passierbski baute Balalaiken mit 7 Spänen.
(5 Bodenspäne + 2 Zargenspäne)
2) Bauart "Nalimow" = 2 Zargen + 2 oder 4 Planken
Die Korpusschale besitzt eine gerade Anzahl von Spänen.
Typ: "Spitz-Kiel"- Balalaika mit unterer mittiger NAHT.
Der Kunsttischler Nalimow baute Balalaiken mit 6 Spänen.
(4 Bodenspäne + 2 Zargenspäne)
3) Bauart "Wölbbrett-Boden"
2 Zargen + 1 gewölbtes einteiliges Bodenbrett.
In a l l e n 3 Ausführungen ist der Boden in seiner Gesamtheit stets gewölbt. Der Bauart-Typ einer Balalaika ist im Blick auf das Hinterbrett (Sadinka) leicht zu erkennen. Siehe die folgende Bildergalerie, in der die Balalaiken "kiel-oben" dargestellt sind:
NEUZEITLICHE SONDER-BAUART:
BALALAIKEN MIT KORPUS-SCHALE AUS KUNSTSTOFF
Bei dieser weit verbreiteten "Plastik-Balalaika" sind die Seitenzargen
und Planken der Instrumenten-Schale
als einteilige "Schürze" aus Plastikmasse gegossen.
Decke und Sadinka (Hinterbrett) bestehen jedoch aus Holz.
Aus Holz bestehen natürlich auch Hals und Wirbelbrett.
Die "Plastik-Schürze" imitiert entweder die Passierbski-Bauart ("Mittelspan")
oder die Nalimow-Bauart ("Mittelnaht").
Solche Balalaiken werden als preiswerte "Souvenir-Balalaiken"
verkauft. Auf der Decke ist meist ein ornamentales Rankenmuster augedruckt.
Viele dieser "Fabrik-Balalaiken" sind unspielbare Dekorations-Balalaiken.
Aber es gibt auch Ausnahmen.
Gleiche Bauart:
Moderne Plastik-Balalaika und alte Kalebassen-Balalaika
Viele "Plastik-Balalaiken" haben einen guten Klang und sind gut spielbar.
Sie besitzen eine hochwertige Fichtenholz-Decke und präzise gesetzten Bünde.
Der gute Klang verwundert nicht, denn die "Plastmassa-Balalaiken" sind
von der Bauart her verwandt mit der uralten Kalebassen-Balalaika,
hergestellt aus einem halbierten Kürbis, einem Instrument, dessen Klang hochgerühmt war.
Die Bauart der Kalebassen-Balalaika
des 19. Jhds. und der "Plastmassa-Balalaika" des 21 Jhds. ist die gleiche:
ein 1-teiliger Schalenkorpus mit aufgeleimter Holzdecke.
Ein Plastik-Korpus begegnet sowohl bei Prim- als auch bei Kontrabass-Balalaiken.
Plastmassa-Balalaiken werden oft abschätzig beurteilt, aber
es sei angemerkt, dass es auch Gitarren und Ukulelen mit Plastik-Korpus
gibt, die faszinierend klingen.
Die "OVATION"-Gitarre und die "FLUKE"-Ukulele, beides Instriumente mit
Plastik-Korpus, besitzen sogar Kult-Status!
KLEINE UND GROSSE BALALAIKEN
Der russische Musiker Wassili W. Andrejew verbesserte die alte traditionelle Volks-Balalaika ("Samodelka-Balalaika", "Dorf-Balalaika", "Bauern-Balalaika").
1. Er verbreiterte ihren dreieckigen Korpus
2. Er schuf eine chromatische Bundierung.
3. Er schuf - nach dem Vorbild der Violin-Familie - eine "Balalaika-Familie"
Um die Balalaika konzertfähig zu machen, entwarf er verschiedene Baugrößen.
Die traditionelle Volks-Balalaika bekam die Bezeichnung "Prim-Balalaika".
Ihr fügte er 2 kleinere und 3 größere Instrumente der gleichen Bauart hinzu.
Diese 5 hinzugefügten Balalaiken sind nicht traditionelle Volksinstrumente,
sondern sind "akademische Schöpfungen".
Es sind intelligente Weiterentwicklungen der traditionellen russischen Volksbalalaika, geschaffen für den Konzertgebrauch.
Die Anzahl der "Familienmitglieder" der Konzertbalalaika-Familie hat
im Laufe der Zeit gewechselt und man findet verschiedene Angaben.
Die nachfolgende Tabelle gibt den heutigen Stand wieder.
Auf die Angabe der I n s t r u m e n t e n - B r e i t e wurde in der obigen Tabelle verzichtet. Es gilt zwar das Norm-Maß: Korpusbreite = Mensur, aber viele Instrumentenbauer bestimmen die Breite oft frei und intuitiv.
Diskant-Balalaika
* Die Diskant-Balalaika wird seit ca. 1920 nicht mehr gebaut. Sie "lebt" aber heute weiter in den ca. 40 cm hohen Balalaiken ("Kinder-Balalaiken"), die in der Kategorie "Spielbare Instrumente" in russischen Souvenir-Läden angeboten werden. ( Länge: 42 cm, Höhe: 8 cm, 6 Späne- Korpus, Mensur: 28,5 cm ).
DIE BALALAIKA - FAMILIE 1897 - 2023
DIE ERSTE BALALAIKA - FAMILIE 1897:
6 INSTRUMENTE
= 5 Balalaiken von Diskant bis Bass + 1 Kontrabass-Balalaika
Die erste "Balalaika-Familie" von 1897 umfasste folgende 6 Instrumente:
дискант, пикколо, прима, альт, бас, контрабас.
Diskant, Pikkolo, Prima, Alt, Bass, Kontrabass
In den Folgejahren erfuhr die Balalaika-Familie einige Veränderungen:
1. Die Diskant-Balalaika wurde aus der Instrumentenfamilie entfernt
2. Zwischen Prim-und Alt-Balalaika wurde die Sekund-Balalaika eingefügt
3. Die Kontrabass-Balalaika wurde, bei gleichbleibender Stimmung, um drei Baugrößen erweitert. Es gibt also heute 4 Varianten Kontrabass-Balalaiken.
DIE BALALAIKA - FAMILIE 1906:
8 INSTRUMENTE
= 6 Balalaiken von Diskant bis Bass + 2 Kontrabass-Balalaiken
Im Jahr 1906 kamen 2 weitere Instrumentengrößen hinzu:
Sekund-Balalaika und Subkontrabass-Balalaika.
Die Familie der Konzert-Balalaika bestand 1906 aus 8 Instrumenten :
Subkontrabass-Balalaika, Kontrabass-Balalaika, Bass-Balalaika, Alt-Balalaika, Sekund-Balalaika, PRIM-BALALAIKA, Piccolo-Balalaika, Diskant-Balalaika.
DIE BALALAIKA - FAMILIE 1916:
7 INSTRUMENTE
= 5 Balalaiken von Pikkolo bis Bass + 2 Kontrabass-Balalaiken
Durch den Wegfall der Diskant-Balalaika Jahr wurden ab ca. 1916 zur Balalaika-Familie nur noch 7 Instrumente hinzugerechnet:
Pikkolo - Prim - Sekund - Alt - Bass - Kontrabass - Subkontrabass
DIE BALALAIKA - FAMILIE HEUTE:
9 INSTRUMENTE
= 5 Balalaiken von Pikkolo bis Bass + 4 Kontrabass-Balalaiken
Die heutige Familie der Orchester-Balalaiken umfasst folgende 9 Instrumente
(5 Balalaiken von Pikkolo bis Bass plus die Kontrabass-Balaika in 4 Größen):
1. Pikkolo - Balalaika ................. Länge: ca. 50 cm
2. Prim - Balalaika ..................... Länge: ca. 67 cm
3. Sekund - Balalaika ................. Länge: ca. 76 cm
4. Alt - Balalaika ......................... Länge: ca. 83 cm
5. Bass - Balalaika ...................... Länge: ca. 110 cm
6. 1/4 - Kontrabass-Balalaika ..... Länge: ca. 140 cm
7. 2/4 - Kontrabass-Balalaika ..... Länge: ca. 150 cm
8. 3/4 - Kontrabass-Balalaika ..... Länge: ca. 160 cm
9. 4/4 - Kontrabass-Balalaika ..... Länge: ca. 180 cm
* Die 4 Kontrabass-Balalaiken besitzen alle die gleiche Saitenstimmung.
Die 4/4 KB-Balalaika wird auch "Sub-Kontrabass-Balalaika" genannt.
Oft wird dieser Name auch auf die 3/4 KB-Balalaika angewandt.
Das kleinste Instrument der Familie ist die Pikkolo-Balalaika. Sie wird immer noch zur Balalaika-Familie hinzugerechnet, obwohl sie seit den 1930er Jahren
nur noch selten gebaut und gespielt wird.
Anders verhält es sich mit der Pikkolo-Domra (домра пикколо).
Sie ist das kleinste Instrument in der Familie der r u n d e n Balalaiken.
Sie ist bis heute ein fester Bestandteil der "Domra-Familie" und wird sehr
häufig im Orchester eingesetzt.
Die Vervollkommnung der Balalaika
in Form und Klang:
Von Wassili Andrejew 1884
zu
Mark Kupfer 1993
und Aleksej Serebrow heute
Von der persischen Tanbur
zur russischen Balalaika
Das Zupf-Instrument "Balalaika" hat in den letzten Jahrhunderten viele Wandlungen erfahren. Früher hatte sie ein anderes Aussehen als heute.
In vielen schriftlichen Quellen des 17. und 18. Jhd. wird sie beschrieben als ein
ca. 1 Meter langes Instrument mit einem sehr langem Hals und einem sehr kleinen ovalen (!) Korpus.
In Übereinstimmung mit diesen Berichten stehen auch bildhafte Darstellungen der Kunst, z.B. des französischen Malers Jean Baptiste Leprince ( 1734 - 1781 ), der lange in Russland gelebt und in St. Peterburg gearbeitet hat.
Sein Bild "Der Balalaikaspieler" ( und ebenso auch andere seiner Bilder )
zeigen ein genau solches Instrument. Es entspricht in seiner Form der alten persischen Tanbur. In der nachfolgenden Abbildung ist dieses Instrument
als "Historische Balalaika Typ 1" bezeichnet.
Die historischen Balalaiken Typ 1 und Typ 2 sind "Holz-Balalaiken".
Die ebenfalls bei den Ostslawen bezeugten "Kalebassen-Balalaiken" sind dem Typ 1 zugehörig. Sehr wahrscheinlich haben solche aus Kürbissen gefertigten Instrumente die Halbkugel-Form von Holz-Instrumenten sogar begründet.
WASSILI ANDREJEW
Wassili Andrejew gilt als der "Vater der modernen Balalaika". 1884 schuf er, ausgehend von einem schmal-dreieckigen traditionellen Holzbalalaika-Typ, die breit-dreieckige Balalaikaform, die wir heute kennen.
Hergestellt wurden sie von Instrumentenbauern und Kunsttischlern wie:
Iwanow, Passerbskij, Nalimow, Sotski, Galinis, Sjusin, Ogloblin . . .
Seither wurde die Balalaika immer mehr verbessert, um den Herausforderungen des virtuosen Spiels zu entsprechen.
MARK KUPFER
Als "Non plus ultra" heutiger Balalaiken gelten die Balalaiken des russischen Konstrukteurs Mark Aleksandrovich Kupfer (+ 1993).
Wegen ihres unvergleichlichen Klangs sind sie für viele Balalaikaspieler und auch für Balalaika-Bauer das "Maß aller Dinge".
Die Klangreinheit der "Kupfer-Balalaiken" reicht über das gesamte Diapason.
Helikopter und Balalaika
Mark Aleksandrovich Kupfer war in der damaligen Sowjetunion ein bekannter Helikopter-Konstrukteur. Auch war er ein erfolgreicher Sportler, Musiker, Sänger,
Uhrmacher, Pilotenausbilder und Musikinstrumentenbauer.
Seine Erfahrungen aus dem Helikopterbau übertrug er auf die Konstruktion
seiner Balalaiken.
Fünf Merkmale sind besonders hervorzuheben:
1. Für die Bünde verwendete er Edelstahl aus dem Flugzeugbau.
2. Für die unter der Decke verleimten federnden Holzleisten (пружина)
entwarf er ein besonderes geometrisches Schema, basierend auf den
Erfahrungen der Flugzeug-Akustik.
3. Zum Verbinden der Holzteile verwendete er Flugzeugbau-Spezialkleber
statt des sonst üblichen Holzleims.
4. Das Schlagbrett gestaltete er rein funktional, und nicht - wie viele andere Balalaikabauer - nach ästhetischen Gesichtspunkten. Sie bestehen nicht aus Holz, sondern aus einem sehr schwingungsarmen Kunststoff-Material. Damit sie ein effizienter Deckenschutz sind, gestaltete er die Schlagbretter sehr groß.
Ihre Ausdehnung geht oft bis zur Höhe des Decken-Stegs und sogar noch weiter
hinunter. In neuerer Zeit (seit ca. 2020) ist zu beobachten, dass viele Balalaiken dieses Vorbild "abkupfern" und ebenfalls großflächige Schlagbretter aufweisen.
5. Entscheidung für die flache Passierbski-Bauart: Kupfer-Balalaiken besitzen 7 Späne (2 Zargen und 5 Bodenplanken).
Kupfer erkannte, dass Balalaiken vom Typ "Passierbski" (= Balalaiken mit einem
Mittelspan-Korpusboden) wegen ihrer kastiger flachen Bauart eine bessere Klangeigenschaft haben als die spitzkieligen 6-spänigen "Nalimow-Balalaiken". Obwohl zu seiner Zeit (und auch noch bis heute) Nalimow-Balalaiken sehr in Mode waren und häufig gebaut wurden, entschied sich Kupfer für die flachkielige "Passierbski-Bauart". Zudem verbreiterte er den Korpus.
Es sei daran erinnert, dass Passierbski Geigenbaumeister war. Er wusste, welchen Klangreichtum kastig-flachbödige Musikinstrumente hervorbringen können.
Mark Kupfer (geb. 1920) baute in den Jahren von 1979 bis zu seinem Tod 1993 insgesamt 16 Balalaiken. Kupfer-Balalaiken gehören zu den teuersten
Konzert-Balalaiken der Welt. Ihr Anfangs-Verkaufswert von 5000 Euro ist heute weit übertroffen.
Auch nach Mark Kupfer beschritten andere Balalaika-Baumeister neue Wege.
Zwei dieser Meister sind besonders hervorzuheben: Grebennikow und Serebrow.
VALERIJ GREBENNIKOW
Produktion hochwertiger Balalaiken in China
Valerij Grebennikow wurde 1957 in Kursk geboren. Seine handwerkliche
"Karriere" begann er als Flugzeugmodellbauer.
Dann erwachte seine Liebe zur Balalaika.
Er studierte an der bedeutendsten Musik-Akademie in Moskau, dem Gnessin-Institut, in der Klasse des Balalaika-Virtuosen P.I. Necheporenko.
Nach dem Balalaika-Spiel wandte er sich dem Balalaikabau zu.
Er studierte und analysierte die Andrejew-Balalaiken der alten Meister.
Sein Ziel war: Die Balalaiken, die er selber baute, sollten den
unverwechselbaren Klang des Anfangs bewahren. Er erkannte, das etwas,
das verbessert werden sollte, seine Identität bewahren musste.
Grebennikow-Balalaiken werden heute noch von namhaften Künstlern gespielt.
Der Preis dieser Balalaiken war allerdings sehr hoch.
Damit auch Schüler sich solche Balalaiken leisten konnten, ließ er sie in China produzieren und überprüfte ihre Qualität an Ort und Stelle. Wo die Qualität nicht seinen hohen Ansprüchen entsprach, ließ er sie in Russland nachbessern.
ALEKSEJ SEREBROW
Balalaiken akustisch und elektrisch
Die Balalaiken von Mark Kupfer sind für viele Balalaikaspieler und -bauer
absolute Norm. Viele Balalaika-Bauer schritten auf dem Weg, den Kupfer
und Grebennikow gegangen sind, weiter und führten ebenfalls Verbesserungen
und neue Maßstäbe im Balalaika-Bau ein.Einer der bekanntesten Meister der "neuen Generation" ist Aleksej Serebrow.
Er ist selber Musiker und ist bestrebt, die strengen musikalischen Anforderungen, die er an seine musikalischen Darbietungen stellt, durch Neuerungen im Balalaika-Bau möglich zu machen. Zum Beispiel verwendet er, um die Saiten präziser und feiner stimmen zu können, japanische Mechaniken mit mit sehr hoher Übersetzung.
Ein Problem aller Balalaiken ist ihre geringe Lautstärke.
Eine Lautstärkerhöhung wäre möglich durch Vergrößerung der Tiefe des Instrumentenkorpus (sog. "Aufblasen" der Balalaika) und durch eine
Vergrößerung des Schallochs.
Diese Maßnahmen aber zerstören die klangliche Eigenart (die "Seele") der Balalaika. Um die die Lautstärke des Instruments erhöhen, dabei aber den genuinen vertrauten Klang der Balalaika zu bewahren, entschied sich Serebrow dazu, neben akustischen Balalaiken auch Elektro-Balalaiken zu bauen,
ähnlich der Entwicklung im Gitarrenbau (Akustik- und E-Gitarren).
Einen umfassenden Einblick in die Arbeit von Aleksej Serebrow vermittelt seine Website, in die er auch zahlreiche sehenswerte Videos eingestellt hat:
Zu den einzelnen Kapiteln gelangt man durch Klicken auf "открыть меню"
Aleksej Archipowski
Schon vor Aleksej Serebrow hat der wohl bekannteste Balalaika-Virtuose der Neuzeit, Aleksej Archipowski, bei seinen Konzerten den durch ein an der Balalaikadecke befestigten Mikrofon elektrisch verstärkten Klang seines Balalaika-Spiels populär gemacht. Seine fast kleiderschrankgroßen Lautsprecherboxen in seiner Wohnung sind legendär.
Durch die elektronische Verstärkung bewirkte er einen kristallklaren Glockenklang, der zum Markenzeichen seines Spiels wurde.
Aleksej Archipowski hat - nolens volens - den Weg zum Bau von echten
Elektro-Balalaiken geöffnet, einen Weg, den Serebrow konsequent gegangen ist.
BALALAIKA-HISTORIE
Zu den ältesten Instrumenten des Lauten-Typs gehört die persische Tanbur.
Mit ihr ist die Balalaika entwicklungsgeschichtlich verwandt. Die Balalaika ist ein Tanbur-Instrument.
Die Verwandtschaft historischer russischer Balalaiken mit der persischen Tanbur zeigt sich sehr oft darin, dass diese statt eines einzelnen runden Schallochs eine Vielzahl von kleinen Schallloch-Bohrungen aufweisen. Diese bilden ein Dekor-Feld.
Bei der heutigen persischen Tanbur ist dies immer noch die Regel.
Bei der heutigen russischen Balalaika hat sich ein einzelnes rundes Schallloch durchgesetzt, meist mit einem Durchmesser von 3/4 Zoll ( = 1,9 cm )
Die langhalsige historische Balalaika des Typs 1 verweist auf die traditionelle persische TANBUR.
Russland und Persien waren durch das Kaspische Meer miteinander verbunden. Über die Wolga, die in das Kaspische Meer mündet, gab es einen Warenaustausch zwischen Russland und Persien.
SEIDENSTRASSE
Südlich des Kaspischen Meeres trafen die von der Ostsee kommenden Handels-
wege auf die ost-westlich verlaufende Seidenstrasse, eine persisch dominierte Handelsstrasse, deren Haupt- und Nebenrouten China, Indien, Persien, Arabien, Byzanz, Ägypten u. a. Gebiete miteinander verbanden. Eine für ostslawischen Gebiete bedeutende Nebenroute war die "Kaukasische Seidenstrasse", die den Weg nach Norden öffnete.
Entlang der ägyptisch-indischen Seidenstrasse erstreckte sich seit 331 v. Chr.
das griechisch-persische Weltreich Alexanders des Großen.
DAS GEOGRAFISCHE "GEBURTS-DREIECK"
DER BALALAIKA :
Im ostslavischen Dreieck zwischen Ostsee, Schwarzem Meer und
Kaspischem Meer trafen von Norden und von Süden her zwei Typen von Saiteninstrumenten aufeinander, die die eigene ostslawische Instrumenten-Tradition beeinflussten, prägten und zahlreiche Balalaika-Bauformen hervorbrachten.
Das Dreieck ist blau markiert: ein Hinweis darauf, dass die Hauptwege dieser Nord-Süd-Handelsroute Wasserstraßen (Flüsse) waren .
In das Schwarze Meer münden: Dnjepr und Dnjestr
In das Asowsche Meer mündet der Don.
In das Kaspische Meer münden: Wolga, Ural, Kura, Terek
Die Transportmittel waren Schiffe. Boote wurden oft von einem Fluss zum
anderen übers Land auf Rollen gezogen.
Schon vor der Gründung des Altrussischen Staates 882 war das ostslavische Siedlungsgebiet über Handelswege, die von der Ostsee ( Baltisches Meer )
nach Süden, zum Schwarzen Meer, Asowschen Meer und Kaspischen Meer führten, mit der Seidenstraße verbunden.
Seit 1184 war Nowgorod eine Stadt der Hanse und entwickelte sich danach
zum größten Handelsplatz Ost-Europas.
Die Handelswege erstreckten sich von der Ostsee bis nach Persien und Byzanz
und nach Süden zur Seidenstrasse von China bis Ägypten. Dies führte zu einem Warenaustausch größten Ausmaßes. Handelsgüter waren vorrangig z.B. Felle, Bernstein, Seide und Gewürze, weniger wohl Musikinstrumente.
Wo Handel getrieben wird, findet immer auch eine Begegnung von Kulturen
statt. Erfolgreiche Handelsabschlüsse wurden gefeiert.
Auf solchen gesellschaftlichen Begegnungen wurde gesungen und
getanzt: und dies immer unter Begleitung von Musikinstrumenten.
Verschiedene Traditionen des Gesangs und des Musikinstrumentenbaus trafen aufeinander und beeinflussten sich.
Nördlicher Ausgangspunkt: Ostsee-Raum
Die älteste Handelsniederlassung im Norden des ostslavischen Raumes war
Staraja Ladoga, gegründet ca. 750 von skandinavischen Warägern.
Im Ostseeraum ( Finnland, Lettland, Litauen, Estland ) war eine halslose Kastenzither mit flachem schmalem dreieckigen Korpus weit verbreitet:
das Psalterium (Zither, finnische Kantele, Kannel, Kokle).
Ein Instrument dieses Typs wurde im 12. Jahrhundert das Nationalinstrument Russlands: die Gusli.
Südlicher Ausgangspunkt: Persische Seidenstrasse
Von Persien aus über das Kaspische Meer und die Seidenstrasse gelangte ein Saiteninstrument anderen Typs in das ostslavische Gebiet: die Tanbur.
Die Tanbur war ein Zupfinstrument mit langem Hals. Sie besaß 2 oder 3 Saiten. Ihr rundbauchiger Korpus war sehr klein. Er besaß eine halbkuglige
oder ovale Form.
Auf ihrer Wanderung nach Norden über das Kaspische Meer und den Kaukasus
bekam der Korpus der Tanbur im Lauf der Jahrhunderte verschiedene Ausprägungen. Es gab zahlreuche Formvarianten, z.B.:
Halbkuglige Schöpfkelle, ovaler Löffel, dreieckige Schaufel, Bootspaddel,
rechteckiger Kasten, "abgeschnittenes Ei", schaufelförmiger Brot-schieber und Mischformen zwischen diesen.
Eine große Formenvielfalt der Tanbur bildete sich im Kaukasus heraus. Auch heute noch werden dort viele nicht-dreieckige Tanburen ( "Balalaiken") gespielt,
sog. "Berg-Balalaiken", ebenfalls im Altai.
Nicht-dreieckige Holz-Balalaiken (Tanburen, Dombren)
aus den Gebirgsgebieten Kaukasus und Altai.
"Berg-Balalaiken" (горские балалайки)
Im ostslavischen Raum nördlich des Kaukasus, das später zum russischen Staatsgebiet werden sollte, gab es zwar auch die halbkugelförmige Kürbis-Balalaika, aber spätestens seit dem 18. Jahrhundert hat sich die
schmal-dreieckige Bootspaddel-Form mit flachem Korpus durchgesetzt.
Die halbkuglige persische Tanbur ging eine Synthese ein mit dem schmal-dreieckigen Psalterium (Gusli, Kantele, Kokle) des Ostseegebiets, dessen
Korpus kastig-flach war und dessen Klang vom Musik-Empfinden der Ostslawen
als eindringlich und schön empfunden wurde.
Somit vereint die russische Balalaika die Merkmale sowohl der Kantele (Gusli)
des Nordens als auch der Tanbur des Südens.
Der anfangs schmal-dreieckige Korpus der frühen Balalaika wurde immer mehr verbreitert und vergrößert, zugleich wurde der Hals verkürzt.
Seit 1885 ist diese Modifikation der persischen Tanbur der "Einheits-Typ" der russischen Balalaika.
Die Balalaika geht zurück auf die im alten Persien
(6.- 4. Jhd. v. Chr.) verbreitete Langhals-Laute "Tanbur"
Die TANBUR, ein 2- oder 3-saitiges Zupf-Instrument mit langem Hals und daran angesetztem kleinem Resonanzkörper war im alten Persien sehr verbreitet. Der Resonanzkörper war oval bis halbrund.
Von Persien aus hat die Tanbur schon sehr früh über das Kaspische Meer und den Kaukasus seinen Weg in das spätere ostslawisch-russische Gebiet gefunden. Nicht nur die Tanbur, sondern auch der russische Mädchenname Darja (dimin. Dascha) sind persischen Ursprungs.
Ovales Ei - "Abgesägtes Ei" - Paddel
Aus dem oval- oder halbkugelförmigen Korpus der persischen Tanbur entwickelten sich viele andere Form-Varianten, wie zum Beispiel
"Abgesägtes Ei" und "Paddel". Besonders im Kaukasus entstand eine Vielfalt noch anderer Formen.
Aus der schmal-dreieckigen Paddelform einer TANBUR-VARIANTE entwickelte sich die heutige breit-dreieckige russische BALALAIKA.
Historisch gesehen ist die Balalaika eine russische Sonderform der Tanbur.
In Russland wurde die Tanbur - egal ob mit ovalem, mit rundem, mit paddelförmigem oder dreieckigem Korpus, "BALALAIKA" genannt.
Wann genau diese Umbenennung geschah, ist bis heute unklar. Die erste urkundliche Erwähnung des Namens "Balalaika" ist im 17. Jhd. bezeugt.
Ein weit verbreiteter Irrtum
ist es, von der Nennung des Namens "Balalaika" in alten Quellen
auf die heute verbreitete Dreiecksform des Instruments zu schließen. Mit "Balalaika" wurden auch Tanburen mit z. B. rundem Korpus bezeichnet !
Das Wort "Balalaika" ist ein volkskundlicher Trivialname, wohl entlehnt aus dem Tatarischen. Das Wort selber enthält weder einen Hinweis auf
die Herkunft des Instruments noch auf seine Form (rund, dreieckig, ...).
Vom schmalen Paddel zum breiten Dreieck
Der "Dreiecks-Klang"
Die meisten frühen Balalaiken (Tanburen) besaßen einen ovalen,
einen schmal-paddelförmigen, oder - wie die Kalebassen-Balalaika -
einen runden Korpus. Je nach Korpusform war der Klang ein anderer.
Häufig wurden Balalaiken zur Tanzbegleitung benutzt oder als Straßeninstrument zum Vortragen derber Texte der fahrenden Spielleute,
der Skomorochen (griechisch "skomma"= Spott, Scherz).
Bevorzugte Spielart war das Akkord-Spiel, bei dem der Finger alle
drei Saiten zugleich anschlug.
Unterschiede in der Klangfarbe der verschiedenen Balalaika-Formen fielen bei dieser Art des Instrumentengebrauchs kaum ins Gewicht. Entscheidend waren Rhythmus und Lautstärke.
Anders war es beim melodiebetonten Solo-Spiel, bei dem der Vortragende eine Art Übersetzungsarbeit leistete:
er setzte die Weite, Nachdenklichkeit und Tiefgründigkeit der Texte russischer Volkslieder in die Sprache der Musik um.
Russische Volkslieder sind Poesie!
Die Texte russischer Volkslieder besitzen eine gewaltige psychologische Tiefe und Aussagekraft und sind oft von hohem literarischen Anspruch.
Hauptthema ist die Verletzlichkeit der menschlichen Existenz. Wie ein roter Faden ist diese Thematik hineingewoben in die lyrischen Texte russischer Lieder.
Um diese Thematik in die Sprache der Musik umzusetzen, bedurfte es eines Musikinstruments, das nicht nur irgendeine Hintergrund- und
Begleitmusik produzieren konnte, sondern das fähig war, poetisch zu "sprechen".
Balalaiken mit dreieckigem Korpus konnten dies!
Sie besaßen die unerklärliche Eigenschaft, ein Klangspektrum zu entfalten, das voller Eindringlichkeit, Tiefe, Melancholie und Transzendenz war.
Der Klang der Dreiecks-Balalaika verzauberte das "russische Ohr", denn
die Dreiecks-Balalaika besaß das gleiche "dulce melos" wie das geliebte alte russische Volks-Instrument Gusli.
Die Herstellung einer solchen dreieckigen Balalaika verlangte ein großes handwerkliches Können, denn ihr Korpus war aus mehreren verleimten Planken ("Spänen") gearbeitet. (Anfangs waren es 3 oder 5 Späne).
Wer ein solches Geschick nicht hatte, musste das Instrument auf dem Warenmarkt kaufen.
Der Preis einer aus Holzplanken gefertigten Balalaika, auch wenn sie einfach gebaut war, war sehr hoch. Er entsprach dem Gegenwert einer Kuh bzw. eines Pfluges.
Die Balalaika in der Abbildung oben (von 1884) besitzt einen aus 5 Spänen bestehenden Korpus. Das Dreieck ist noch relativ klein und schmal.
Je breiter der Dreiecks - Korpus der Balalaika gestaltet wurde, umso mehr trat ihr "dulce melos"- Klang-Charakter hervor. So ist es kein Wunder, dass die breit-dreieckige Balalaika zum heutigen russischen Nationalinstrument wurde:
Pусская балалайка -
душа народа
Die Entwicklung zur breiten Dreiecks-Form der Balalaika kann erklärt werden als Anlehnung an die dreieckige Form der Gusli ("russisches Psalterium"), das seit dem 12. Jhd. lange Zeit das russische Nationalinstrument war. Der russische
Komponist Nikolai Rimsky-Korsakov (1844 - 1908) nennt als d a s russische Nationalinstrument nicht die Balalaika, sondern die G u s l i.
Die russische Gusli ist eine Kasten-Zither (Einordnung nach Hornbostel/Sachs), ebenso wie die finnische Kantele und die heutige ukrainische Bandura.
Kastenzithern (= Psalterien) haben ihre Entsprechung in einer noch älteren Instrumenten-Form: der Dreiecks-Harfe (Trigonium).
Physikalisch bedingt ist das Saitenfeld von Harfen und Kastenzithern
ebenso wie bei Panflöten und Orgelpfeifen immer dreieckig:
kurze Saite bzw. kurzes Rohr = hoher Ton
lange Saite bzw. langes Rohr = tiefer Ton.
Der Korpus der Kastenzithern (Psalterien) kann von den Instrumentenbauern frei gestaltet werden. Oft ist er jedoch dem dreieckigem Saitenfeld angeglichen und weist eine Flügel-, Doppelflügel- oder Helmform auf.
Form-analytisch ( nicht historisch ! ) und unter dem Aspekt eines funktionalen Klangkörpers betrachtet kann man die Dreiecks-Balalaika beschreiben als ein Kasten-Trigonium ( DREIECKS-PSALTERIUM) mit einem an den Korpus angesetztem Hals:
Ein Hybrid-Instrument also, das - ebenso wie die ukrainische Bandura - Zither und Laute in sich vereinigt. Beide besitzen einen Hals.
Der Unterschied zwischen beiden:
Die Bandura hat die Form einer Laute, ist aber als eindeutige Zither.
Die Balalaika hat die Korpus-Form eines Dreieck-Psalterium ( Zither), ist aber
eindeutig eine Laute.
SYNTHESE DER FORMEN:
Tanbur und Gusli addieren sich zur Balalaika
Skizze oben:
Rot: TANBUR ( Hier in 2 Varianten: ovale Form und Paddel-Form )
Blau: PSALTERIUM ( = RUSSISCHE GUSLI )
Violett: BALALAIKA (Typ: "Andrejew-Balalaika") = Tanbur + Psalterium.
INFORMATIONEN FÜR DEN PRAKTIKER:
1. Die Stimmung der Balalaika
2. Die Stärke der Saiten
3. Die Höhe des Saitenstegs
4. Die Position des Saitenstegs
Die Saitenstimmung der Balalaika
Die hohe Saite der Prim-Balalaika wird auf den Kammerton
a1 ( A4 ) = 440 Hz gestimmt.
Die beiden anderen Saiten werden 1 Quarte tiefer gestimmt: auf
e1 ( E4 ) = 330 Hz (exakt: 329,6 Hz)
Balalaika-Saiten: Stärke und Material
Einzelsaiten oder Saitensätze für Balalaiken werden von diversen
Saitenherstellern angeboten. Die A-Saite besteht stets aus Stahl
bzw. aus einer Stahl-Legierung.
E-Saiten werden sowohl aus Metall als auch aus Nylon hergestellt.
Die Saitenstärke der Prim-Balalaika- Stahlsaiten::
A-Saite: 0,22 mm bis 0,30 mm Stahl ( oder Stahl-Legierung )
E-Saiten: 0,25 mm bis 0,40 mm Stahl ( oder Stahl-Legierung ).
Preisgünstig: Klavierdraht vom Meter
Die im Handel erhältlichen speziellen Balalaika-Saiten sind oft recht teuer.
Wer seine Instrumenten-Saiten oft wechselt und deshalb preiswertere,
aber dennoch qualitätsmäßig sehr gute Saiten haben will, greift zur
Klaviersaiten-Meterware ("Klavierdraht", "Piano-Draht").
Die End-Schlaufe der Saite ist sehr leicht selber herzustellen.
Für Prim - Balalaiken mit Mensuren von 43 - 44 cm ist folgende
Pianodraht - Besaitung zu empfehlen, die einen hervorragenden
Klang hat und gut spielbar ist:
A - Saite: 0,25 mm Stahl ( Stahl, blank, "Klavierdraht" )
E - Saiten: 0,32 mm Stahl ( Stahl, blank, "Klavierdraht" )
o d e r :
E - Saiten: 1,00 mm Nylon ( = Gitarre, Nylon-Saite " G" )
Nylon kann auch ersetzt werden durch 0,9 mm Carbon.
Klavierdraht ist im Online - Handel erhältlich (Stand 2022):
125 g Klavierdraht 0,25 mm = 325 Meter = 15,95 Euro
125 g Klavierdraht 0,32 mm = 225 Meter = 15,95 Euro
Eine Diskussion ohne Ende:
E-Saiten aus Stahl oder aus Nylon?
E-Saiten aus Stahl korrespondieren naturgemäß wegen des gleichen
Materials wie die A-Saiten klanglich besser miteinander als eine gemischte
Besaitung. Das Gesamt-Klangbild ist homogener. Ausserdem erinnert
es an vertrauten Klang des alten russischen Psalteriums, der GUSLI .
Bei der Balalaika wird oft gerühmt ihr "silberner Klang".
Konsequenterweise muss also gelten:
"серебряный звук на серебряных струнах"
("Silberner Klang auf silbernen Saiten")
Viele Balalaika-Virtuosen aber wollen gerade dieses "allzu Silbrige" des Klangs vermeiden. Sie entscheiden sich für E-Saiten aus Nylon , um den tieferen Tönen der Balalaika die "samtige" Klangfarbe der Naturdarm-Saite einer VIOLINE zu verleihen.
Wer hat Recht? Es gilt, wie so oft : "Suum cuique!"
Saitenlage (Die Höhe der Saiten über den Bünden)
Die Saitenlage, also die Höhe des Saitenfeldes über den Bünden, wird bestimmt durch die Höhe des Steges.
Ist der Steg zu hoch, dann sind die Saiten schwer zu greifen und der
Druck auf die Fingerkuppen ist sehr stark. Ist der Steg zu niedrig, dann klirren und scheppern die Saiten auf den Bünden.
Die Höhe des Saitenfeldes wird an der Stelle der größten Amplitude,
also über dem Oktav-Bund - dem 12. Bund - gemessen.
Gemessen wird der Abstand zwischen B u n d - Oberkante und Saite.
Für Saiten aus Stahl gilt folgender Wert:
Saitenlage über dem 12. Bund = 2 mm
Voraussetzung ist ein gerader Hals und nicht abgenutzte Bünde,
ansonsten muss die Saitenlage höher sein.
Ist der Steg zu hoch, wird er mit Sandpapier abgeschliffen. Ist der Steg
zu niedrig, kann er erhöht werden, indem oben, auf dem Steg-Kamm,
ein Metall-Bund eingelasssen wird.
Die Position des Saitensteges
Faustregel:
Man mißt die Entfernung zwischen Obersattel (bzw. Null-Bund)
und dem 12. Bund (Oktav-Bund). Dieser Wert wird verdoppelt, so dass man die Mensur erhält. Dorthin wird der Steg gestellt. Gemessen wird an der Steg-Oberkante !
Da beim Niederdrücken einer Saite wegen der Schwellenwirkung
des Metallbundes die Saite eine zusätzliche Spannung erhält, klingt sie höher als der dem Bund zugeordnete Ton.
Diese Abweichung wird ausgeglichen, indem zur Mensurposition des Stegs ca. 1 mm Länge hinzugegeben wird.
Die genaue Korrektur der Stegposition geschieht nach Gehör oder mit Hilfe eines Stimmgeräts.
Damit beim Solospiel auf der A-Saite der Spielfinger mehr Bewegungsfreiheit erhält, wird die mittlere E -Saite etwas von der A-Saite weggerückt.
Das Verhältnis E - E - A ist meist 2 : 3. Einige Balalaika-Virtuosen wählen sogar das Verhältnis 2 : 4 ( = 1 : 2) !
Die Einschnitte auf dem Steg sollen halbrund eingefeilt werden und dem Durchmesser der Saiten angepasst sein. Mit einer sehr weichen Bleistift-Mine
werden die drei Saiten-Einkerbungen eingerieben und somit mit gleitfähigem Graphit-Pulver gefüllt. So behandeln auch Geigenspieler den Steg der Violine.
Die "Saitenstraße":
Vom Heckbrett bis zum Wirbelbrett
Die folgenden beide Skizzen zeigen die Saitenführung einer Prim-Balalaika und einer häufig verwendeten 3/4 - Kontrabass-Balalaika.
Der Weg führt vom Saitenhalter am Heckbrett ( Sadinka ) bis zum Wirbelbrett.
( Die Längenangaben beziehen sich auf die Strecke der l ä n g s t e n Saite.)
TON-UMFANG UND ANZAHL DER BÜNDE
der chromatischen Prim-Balalaika
Die Anzahl der Bünde kann vom Instrumentenbauer frei bestimmt werden.
( 1 Bund = 1 Halbton )
DIE VIER GEBRÄUCHLICHSTEN AUSFÜHRUNGEN:
BALALAIKA MIT 16 BÜNDEN
Tonumfang: e1 bis cis3 (= E4 bis C#6)
16 Bünde = 1 Oktave + 1 große Sexte
Bei der einfachen chromatischen Volks-Balalaika sind die Bünde nur auf dem
ca. 26 cm langen Instrumenten-Hals angebracht.
16 Bünde haben hier ihren Platz. Der höchste spielbare Ton ist cis3 .
Er liegt 9 Halbtonschritte ( = 1 große Sexte) über dem e2.
Um einen Tonumfang von 2 Oktaven ( e1 bis e3 ) zu erreichen, fehlen dieser
"Volks-Balalaika" 3 Halbtöne (= 3 Bünde).
BALALAIKA MIT 19 BÜNDEN
Tonumfang: e1 bis e3 (= E4 bis E6)
19 Bünde = 2 Oktaven
Damit ein Tonumfang von 2 Oktaven erreicht werden kann, müssen der
einfachen 16-bündigen Volks-Balalaika 3 Bünde hinzugefügt werden. Zu diesem Zweck wird das Griffbrett über den Instrumentenhals hinaus auf den Korpus verlängert. Bei einigen Instrumenten werden die 3 zusätzlichen Bünde auch direkt in die Instrumentendecke eingelassen.
BALALAIKA MIT 24 BÜNDEN
Tonumfang: e1 bis a3 (= E4 bis A6)
24 BÜNDE = 2 Oktaven + 1 Quarte
Die meisten Konzert-Balalaiken sind mit 24 Bünden ausgestattet.
Auf der A-Saite einer solchen Balalaika können 2 Oktaven gespielt werden:
2 Oktaven = 24 Bünde. Der Diapason der A-Seite geht also a1 bis a3.
Zusammen mit der tieferen Quarte auf der E-Saite ergibt sich ein Tonumfang von
e1 bis a3.
BALALAIKA MIT 31 BÜNDEN
Tonumfang: e1 bis e4 (= E4 bis E7)
31 BÜNDE = 3 Oktaven
Eine "Profi-Konzert-Balalaika" hat den "Ehrgeiz", 3 Oktaven zu umfassen
(e1 - e4). Im Vergleich zu einer 24-bündigen Konzert-Balalaika ist ihr Tonumfang um 1 Quinte (= 7 Halbtonschritte) erweitert.
Es müssen also 7 Bünde hinzugefügt werden: 24 + 7 = 31.
Dazu wird das Griffbrett noch weiter auf den Korpus verlängert, so dass es bis dicht an das Schall-Loch heranreicht.
ZWEI HISTORISCHE BAUWEISEN DER BALALAIKA :
BALALAIKEN AUS KÜRBIS UND HOLZ
Eine runde Balalaika
aus einem Kürbis
( Kalebassen-Balalaika )
Gogol´scher Rundkürbis
von 1842.
Der gemeimnisvolle und
verzaubernde Klang der Balalaika leuchtet bereits
aus ihm heraus :)
Der "Gogol´sche Rundkopfkürbis" war allerdings kein Gartenkürbis, wie auf dem Foto abgebildet, sondern eine moldawische "Gorljanka", ein Flaschenkürbis mit großem kugelrunden Kopf, so groß w i e ein Gartenkürbis.
Nikolai W. Gogol berichtet in seinem Roman "Tote Seelen" (1842), dass in Russland die jungen Burschen mit einer solchen runden Kalebassen-Balalaika die Herzen der Mädchen verzauberten.
Der russische Komponist und Balalaika-Virtuose Iwan J. Chandoschkin (1747-1804) spielte eine Kürbis-Balalaika, die innen mit Glaspulver beschichtet war. Fürst Potemkin, der Geliebte der Zarin Katharina II. der Großen, war ein großer Bewunderer seines Spiels auf dieser Balalaika.
Kürbisse konnten quer- oder längsgeschnitten sein. Foto oben:
ein q u e r - geschnittener Kürbis.
ALTE HANDWERKSKUNST:
MUSIKINSTRUMENTE AUS 1 STÜCK MASSIV-HOLZ
Nicht nur die Balalaika, sondern noch 2 weitere historische russische Saiteninstrumente wurden aus einem einzigen Stück Birkenholz herausgeschält: GUSLI ( Psalterium, Zither ) und GUDOK ( Geige )
Auf den Massivholz-Korpus wurde mit Fischleim die Decke aufgeleimt.
Aus gleichem Holz geschnitzt:
BALALAIKA - GUSLI - GUDOK
DIE BALAIKA:
EIN SAITENINSTRUMENT IN DER TRADITION DER ALT-PERSISCHEN TANBUR
Bildnachweis: http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AIran_bastan_-_12.jpg
EINE KURZE GESCHICHTE DER TANBUR
Das langhalsige Zupfinstrument TANBUR ist entstanden in einer der frühesten Kulturlandschaften der Welt, in Mesopotamien.
Die Tanbur ist bereits bei den Sumerern, die im 3. Jahrtausend v.Chr. eine der ersten Hochkulturen der Menschheitsgeschichte begründet haben, nachgewiesen.
Die Kultur der Sumerer beeinflusste die akkadische, die babylonische, die assyrische, die medische und die persische Kultur.
Durch den militärischen Sieg Alexanders des Großen über Persien im Jahr
331 v. Chr. und den darauf folgenden Kulturaustausch ("Hellenismus")
zwischen Griechenland und Persien, also zwischen westlicher und östlicher Welt ("west-östlicher Divan"), gelangte die TANBUR, ein in Persien weit verbreitetes langhalsiges Zupfinstrument, auch nach Europa. In Griechenland konnte sie sich nicht durchsetzen, dafür aber in dem zum persischen Reich gehörenden Ägypten und im Gebiet nördlich des Kaspischen Meeres, dem späteren ostslavischen (russischen) Siedlungsgebiet entlang von Wolga, Don und Dnjepr.
Tanbur = Kleiner Bogen
Der persische Name TANBUR geht zurück auf das sumerische "PAN-TUR",
was "kleiner Bogen" bedeutet: Pan = Bogen, tur = klein.
(Quelle: Richard Kinseher, Der Bogen in Kultur, Musik und Medizin, als Werkzeug und Waffe. 2005, Seite 41)
Mit "Bogen" ist gemeint der gebogene Instrumenten h a l s einer HARFE.
PAN = BOGEN stand synonym für die mehrsaitige HARFE.
Im Gegensatz zum "großen Bogen" der Bogen-Harfe, besaß die Tanbur nur einen schwach gebogenen kleineren Holzstab mit einer, zwei oder drei darüber gespannten Saite(n), an dessen Ende ein Resonator (Kürbis, Holzschale) angebracht war. Später wurde dieser Bogen begradigt und die darüber laufenden Saiten konnten durch Greifen verkürzt werden. Es entstand die Tanbur.
Bei dieser bilden Resonanzkörper und Hals einen langen Bogen, der ein aus mehreren Saiten bestehendes Saitenfeld umschließt.
Auch die heutige große Orchester-Harfe hat noch die Form eines großen Bogens, gebildet aus Korpus, Knie und Hals (von unten nach oben).
Von der 10-saitigen Harfe zur 2-saitigen Tanbur
Entfernt man von einer 10-saitigen Bogenharfe die 8 hohen Saiten und verringert die Saitenspannung der übriggebliebenen 2 Saiten, dann wird der Bogen
begradigt. Er wird zu einem Stab: zum Instrumentenhals, an dessen Ende sich der Resonanzkörper befindet.
Auf dem Instrumentenhals liegen die beiden langen übriggebliebenen 2 Saiten der Pan-Harfe auf. Damit sie frei schwingen können, müssen sie mit einem Minimal-Abstand ü b e r den Hals verlaufen.
Da damals noch keine Saiten-Brücken verwendet wurden, die diesen Abstand herstellten, musste dieser Abstand durch eine schwache Krümmung des Halses hergestellt werden.
Der große Bogen der Harfe wurde zum kleinen Bogen der Tanbur:
TANBUR = PAN TUR = Kleiner Bogen
Die Tanbur ist also eine k l e i n e ( tur = klein ) P a n.
(Siehe Bild oben: Persische Tanburspieler, 2. Jahrtausend v. Chr.)
Das Charakteristicum des Instrumententyps Tanbur ist also eine Verringerung
der Bogenwölbung des Saitenträgers und eine Verringerung der Saitenanzahl der PAN-Harfe. Dieser neue Instrumententyp war einfacher zu transportieren als die große Pan, außerdem sparte man Saitenmaterial ein.
Der Tonumfang dieser Pantur/Tanbur ist trotz der weggefallenen 8 Saiten der gleiche, denn die hohen Töne werden durch Abgreifen ("Befingern") der langen
2 Saiten erzeugt. Die Anzahl der Töne ist sogar noch größer als die der Harfe.
Alte russische Tanburen (= Balalaiken) besaßen nur 2 Saiten.
Nun folgt etwas Mathematik: Die Umriß-Fläche einer 1,20 Meter hohen Harfe beträgt 5000 qcm.
Die Fläche der gleichen, zur Laute umgewandelten, Harfe beträgt 600 qcm.
Das ist nur ein Achtel der Fläche der Harfe.
Die Formenvielfalt der Tanbur
Tanburen besitzen eine große Formenvielfalt. Ihr Korpus kann aus einem Kürbis bestehen oder aus Holz gerfertigt sein, er kann kastenförmig oder schalenförmig sein, die Korpusdecke kann rund, oval, rechteckig, rautenförmig, paddelförmig
und auch dreieckig sein.
Der Name "Balalaika" wurde in Russland im 19. Jahrhundert auf alle runden, paddelförmigen und dreieckigen Tanburen angewandt.
Heute wird der Name "Balalaika" nur auf die dreieckige Tanbur angewandt. Die "runde Balalaika" trägt den an die alte Bezeichnung "Tanbur" angelehnten Namen "Domra".
Die TANBUREN des Kaukasus, des Altai und der benachbarten Regionen
werden bisweilen auch als "Balalaiken" bezeichnet, wobei es egal ist, welche
Form sie haben.
Auch diese nicht-russischen "Balalaiken" werden auf dieser Website vorgestellt.
Hauptthema aber ist die d r e i e c k i g e r u s s i s c h e Balalaika.
Die russische Paddel- bzw. Schaufel-Tanbur
Ein Stück Birkenholz (Birkenstamm, Birkenast) war das Ausgangsmaterial
sowohl für Gebrauchsgegenstände als auch für Musikinstrumente.
Aus einem Stück Birkenholz wurden vielerlei Dinge geschnitzt:
ovale Löffel,
runde Löffel
schmal-dreieckige Schaufeln, z.B. "Brotschieber"("chlebnaja lopatka")
Bootspaddeln
und . . . Tanburen . . . Geigen . . . Zithern . . .
Tanburen konnten alle oben genannten Löffel- und Paddelformen annehmen.
Nicht nur in Russsland, sondern in a l l e n Kulturen ist zu beobachten, dass
die Formen der Musikinstrumente denen der Gebrauchsgegenstände ähneln.
Beispiele: Ein hölzerner Bogen, ein Löffel, eine Kelle, eine Pfanne, ein Paddel,
ein Trog, eine Schaufel, ein Kessel u.a. kann ohne viel Aufwand in ein Musik-instrument verwandelt werden (Zupfinstrument, Streichinstrument, Trommel).
Eine Tanbur in ovaler Löffelform hat einen anderen Klang als eine Tanbur in
schmal-dreieckiger Paddelform.
In Russland setzte sich bei den holzgeschnitzten Tanburen die Paddel- oder Schaufelform durch, die sich zum breiten Dreieck entwickelte, wobei jedoch die
konvexe Krümmung der Dreiecks-Seiten bis heute erhalten blieb. Am Ende des 19.Jhds. bekam die Balalaika ihre heute bekannte typische breit-dreieckige Ausprägung.
Namensänderung: Die Tanbur wird zur Balalaika
Der Name BALALAIKA ist nachweisbar seit dem 17. Jahrhundert.
Was vielfach übersehen wird: Der Name "Balalaika" sagt nichts über die Form,
das Aussehen, das Material oder die Herkunft des Instruments aus!
Als "Balalaika" wurden bezeichnet sowohl Tanburen mit rundem, ovalen, schaufelförmigem und schmal-dreieckigem Korpus
Die runden Balalaiken wurden meist aus einem halbierten Kübis hergestellt.
Balalaiken mit rundem Korpus waren entweder Kalebassen-Instrumente,
d.h. sie wurden aus einem halbierten Kürbis hergestellt, oder es waren
Holzinstrumente mit einer flachen runden Pfannenform, die aus einem Stück Birkenstamm herausgeschält wurde ( so z.B. die ukrainische Kobsa ).
Der Grund, weshalb der Name "BALALAIKA" auf diese Tanburen über-
tragen wurde, ist bis heute nicht geklärt.
Auch für die Herkunft und Bedeutung des Namens "Balalaika" gibt es keine Erklärung, weil eine eindeutige Quelle (noch) fehlt. (siehe Kapitel 1.5)
Domra, Bandura, Dombra
Die alte Bezeichnung "Tanbur" für Lauteninstrumente ist im ostslawischen
Raum nicht gänzlich verschwunden. Es gibt einige Saiteninstrumente, in
denen das Wort "Tanbur" heute noch fortlebt.
Die drei bekanntesten sind:
1. Die Domra, die runde Balalaika . (Domra = Tanbur)
Deren halbkugelförmiger Korpus wird beute jedoch nicht mehr aus einem halbierten Kürbis hergestellt, sondern aus Holzplanken zusammengesetzt.
2. Die Bandura, das ukrainische Nationalinstrument. ("Pan-tur"= "tanbur").
Sie ist aus der Kobsa entstanden, einer Tanbur-Laute mit einem rundem pfannenförmigen Holzkorpus mit flachem Boden.
3. Die Dombra (Dombra=Tanbur), ein langhalsiges Zupfinstrument, das in verschiedener Formgebung in den asiatischen russischen Republiken
anzutreffen ist. Die Dombra ist das Nationalinstrument Kasachstans.
Die russische dreieckige Balalaika
Vom schmalen Paddel zum breiten Delta-Flügel.
1. Paddel
Die Urform der russischen Balalaika ist eine Tanbur, die aus einem einzigen
Stück Holz geschnitzt war.
Der Korpus dieser Tanbur hatte die schmale Dreiecks-Form einer Schaufel
bzw. eines Boots-Paddels. Tanbur und Paddel waren einander sehr ähnlich.
Es sei daran erinnert, dass die wichtigsten Städte im ostslawisch-russischen
Raum an Flüssen gelegen waren. Die meisten russischen Städte sind aus Kaufmanns-Siedlungen hervorgegangen. Die Handelsstrassen waren Wasserstrassen. Der Bootsbau gehörte zum alltäglichen Lebensbereich.
Bootspaddel (Lopata = Schaufel, Paddel) wurden aus einem einzigen Stück
Holz geschnitzt, genauso wie die Tanbur-Balalaiken. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Form der Bootspaddel die Korpusform der Tanburen beeinflusst hat.
Paddelförmige Balalaiken wurden "lopatoobrasnyje balalaiki" ("paddelförmige Balalaiken") genannt.
2. Flügel
Die Korpusform der alten russischen Tanbur-Balalaika kann nicht nur mit
einem Paddel verglichen werden, sondern sie kann auch als Flügelform
gedeutet werden. Gemeint ist ein Vogel- oder Schmetterlingsflügel.
Ihr schmales symmetrisches Dreieck erinnert an das zusammengelegte
Flügelpaar eines Schmetterling-Falters (babotschka).
Wie der Schmetterling seine beiden Flügel entfaltet, so hat auch die schmale
Paddel-Balalaika ihre "Flügel" breit und weit gemacht. Aus dem "A" wurde ein "Delta". Die schmale Flügelform der historischen Tanbur-Balalaika entfaltete
sich mehr und mehr zum breiten Dreieck, zum DELTA-FLÜGEL der heutigen "Andrejew-Balalaika".
Die Gusli: Flügel, Doppelflügel, Helm
Den Entwicklungsweg vom schmalflügligen Dreieck zum breiten Flügel-Korpus
hat bereits vorher die alte russische Kastenzither GUSLI beschritten:
Vom schmalen Flügel, den heute noch die 5-saitige finnische Kantele besitzt,
hat sie sich in Russland zu einem breiten symmetrischen Flügelpaar entwickelt.
Die schmal-dreieckige Gusli trägt heute immer noch den Namen "Flügel -Gusli"
(krylovidnyje gusli).
Die verbreiterte Form dieser Gusli wurde aber nicht als "Doppelflügel-Gusli"
benannt, sondern, da man in ihrem Delta-Flügel eine Helmform erkannte,
erhielt sie die Bezeichnung "Helm-Gusli" (Schlemovidnyje gusli).
Die Gusli, egal welcher Form, war seit dem 12.Jhd. in Russland sehr weit
verbreitet und überaus beliebt. Sie war das Nationalinstrument Russlands.
Die Balalaika: Deltaflügel oder Helm?
Der Delta-Flügel der HELM-GUSLI, wurde zum Vorbild für die Korpusform
der russischen Balalaika des 19. Jahrhunderts.
Der Korpus der "Dreiecks-Balalaika" kann also interpretiert werden
als ein "Deltaflügel" bzw. als ein "Helm".
Es war der russische Musiker Wasssili Andrejew, der der schmal-dreieckigen Volksbalalaika ihre b r e i t e Flügelform bzw. Helmform gab und dadurch
ihre Klangfarbe dem Klang der Helm-Gusli ähnlicher machte.
Das "dulce melos" der dreieckigen GUSLI, an das das russische Ohr so sehr
gewöhnt war, lebt somit in der heutigen dreieckigen russischen Balalaika fort.
HALBKREIS, TRAPEZ UND DREIECK :
Drei programmatische Formen der Balalaika-Phylogenese
Saiteninstrumente haben sich im Laufe ihrer Geschichte oft radikal gewandelt, viele haben sich "gehäutet" und ihre alten Formen hinter sich gelassen. Auch die Balalaika hat zahlreiche Veränderungen erfahren.
Aber im Gegensatz zu anderen Saiteninstrumenten hat die Balalaika die Spuren ihrer Vergangenheit nicht getilgt, sondern bewahrt ("konserviert"). In diesem Sinne ist sie ein "Musik-Konservatorium".
Die historischen Formen, die die Balalaika "konserviert" hat, bestehen nicht zusammenhanglos nebeneinander wie Ausstellungsstücke in einem schlecht
eingerichteten Museum, sondern sind aufeinander abgestimmt, sind eingefügt in ein PROPORTIONS-SCHEMA und bilden eine organische Einheit.
Die Balalaika ist ein "hölzernes Lehrbuch" wichtiger Kapitel der Kultur-geschichte der Saiteninstrumente. Diese Geschichte ist an der äußeren Form der
heutigen Balalaika ablesbar.
Ontogenese und Phylogenese
Die Bauzeit einer Balalaika beträgt heute wenige Wochen. Nach dieser kurzen Zeit ist ihre "Ontogenese"(Einzelentstehung) abgeschlossen.
Das Erstaunliche: Die heutige "ontogenetische" Erscheinungsform der Balalaika präsentiert eine Rekapitulation der Jahrtausende währenden "Phylogenese" (Entwicklungsgeschichte) dieses Instruments. Wie kaum ein anderes Saiteninstrument macht die Balalaika wesentliche Kapitel der Geschichte des Saiteninstrumentenbaus präsent ("Re-Kapitulation").
Sie präsentiert diese Geschichte in einer geometrischen Formensprache. Folgende "phylogenetische" Formen sind in der heutigen Form der Balalaika erkennbar und sind in einer Einheit miteinander verbunden:
Bauchige Schale (Halbrund), Kastiger flacher Trog (Trapez) und Dreieck.
TROG (Längs- u. Querschnitt) . . . . . . . . TRAPEZ
Das schräge plane Hinterbrett (russ.: Sadinka) (engl.: transom) und die schräg gestellten Zargen-Späne der Balalaika verweisen auf das uralte universale Formschema des Holztrogs ( Backtrog, Waschtrog, Sarg ).
RUNDSCHALE (Längs- u. Querschnitt) . . . HALBKREIS
Die gewölbte Korpus-Unterschale ("roundback") der Balalaika weist hin auf zwei alte historisch bezeugte Balalaika-Bauarten:
1) Kürbis-Balalaika (die Balalaika steht in der Tradition der Jahrtausende alten Kalebassen-Instrumente. Vorbild: die persische Tanbur)
2) Holzlöffel-Balalaika (Das Vorbild ist hier ebenfalls die persische Tanbur)
DREIECK (Draufsicht auf das Deckbrett) . . . DREIECK
Die auffällige dreieckige Form der Balalaika-Resonanzdecke verweist auf die uralten historischen Dreiecks-Instrumente HARFE (Dreiecks-Rahmen) und PSALTERIUM (Dreiecks-Kasten). Die dreieckige Form des Psalteriums
(russisch "Gusli") ist zum wichtigsten optischen Erkennungszeichen der russischen Balalaika geworden. Auch der "Dreiecksklang" des Psalteriums findet sich im Klangspektrum der Balalaika wieder. Die kaukasische Balalaika "Pondar" hat sich - anders als die russische Balalaika - nicht zum Dreieck entwickelt. Ihr Deckenumriß zeigt seit dem 10. Jhd. bis heute die puristische Rechteckform eines Holzscheits (Bildleiste links).
Die "Eltern" der Balalaika = Kürbisschale (tykwa) & Holztrog (koryto).
Das Erbe dieser beiden "Elternteile" heute noch an der Form der russ. Balalaika ablesbar: die Schalenform des Kürbis und die Trapezform des Troges.
Das schräge Stirnbrett des Troges wird "Sadinka" genannt (sad = hinterer Teil).
Einige kasachische "Balalaiken" (= Dombren) weisen bis heute eine reine Kasten-Trogform auf: umlaufender senkrechter "Pfannen-Rand", ohne Sadinka-Schräge.
Balalaika-Grammatik
Wie muß es heißen: Balalaikas oder Balalaiken ?
Beide Pluralformen sind möglich. Ich verwende die traditionelle, durch den deutsch-russischen "Musikinstrumenten-Zaren" Julius Heinrich Zimmermann eingebürgerte Schreibweise "Balalaiken". Zimmermann ging 1876 von Mecklenburg nach St. Petersburg. Dort eröffnete er eine Musikinstrumenten- werkstatt, die zu den bedeutendsten Russlands zählte. Er war Hof-Lieferant für den Zaren und für die russische Armee. Weitere Werkstätten folgten in: Moskau, London, Riga. Später ging er nach Deutschland, wo er Reichstagsabgeordneter wurde. Weitere Musikinstrumentenwerkstätten und -handlungen gründete er in Berlin, 1900 in Leipzig und 1919 in Markneukirchen.
In Markneukirchen wurden viele Balalaiken gebaut von dem bekannten Instrumen- tenmacher Paul Fischer. In den Musikinstrumentenkatalogen der Fa. Zimmermann wurden am Anfang noch "Balalaikas" angeboten. In der Niederlassung in Leipzig stand aber auf dem Firmenschild der Fa. Zimmermann:
"BALALAIKEN UND DOMREN".
Persönliches
Nicht nur theoretisch befasse ich mich mit der Balalaika - und das seit über 40 Jahren -, sondern ich besitze auch einige Balalaiken und lebe in trauter Wohngemeinschaft mit einigen dieser Schönheiten und (leider nur zeitweiligen) "Gespielinnen".
Meine e r s t e Balalaika erhielt ich 1965 - von meiner Mutter: ein Instrument aus Markneukirchen. Typ: Kastiger Korpus mit 2+5 Spänen (2 Zargen, 5 Boden- späne). Das Vorbild für diesen Typ sind die Balalaiken der Firma Zimmermann (Leipzig, St.Petersburg, Moskau, Riga) von 1913. Mein ä l t e s t e s Instrument ist die oben gezeigte Balalaika aus der Werkstatt von S j u s i n , gebaut ca. 1900 in St. Petersburg.
Besonderheiten: Decke mit Isba-Golosnik, 7 Späne (wie sie später sein Schüler Galinis baute), Geigen-Steckwirbel, geringe Steghöhe, und mit der historischen Andrejew-Mensur von 9 7/8 Werschok (43,89 cm).
Natürlich fehlt auch nicht die billige, aber trotzdem legendäre "Olympia Moskau 1980 - Balalaika" (damaliger Preis: 7r. 70k.) mit Kunststoff-Korpusschale.
Bei dieser "lassen grüßen": die Trabbi-Karosserie (Baumwolle/Phenoplast-Gemisch), aber auch die Ovation-Gitarre. Die berühmte "Martin Ovation", die ebenfalls einen Kunststoff-Korpus (Roundback) mit einer Holzdecke kombiniert,
gilt als Kultgitarre und wird gerühmt wegen ihres exzellenten seidigen Klanges.
Jetzt wird´s akademisch: 3 Professoren
Einen intensiven Zugang zur russischen Volkslied- und Volksmusikkultur eröffneten mir meine Vorlesungsbesuche im Fachbereich Slawistik an der Uni Tübingen und insbesondere meine Teilnahme am Slawistischen Colloquium
im WS 1968, geleitet von Professor Wolfgang Kretschmer.
Ein wichtiges Erlebnis war die Begegnung mit Professor Michael Goldstein,
den ich 1977 persönlich kennenlernen durfte, zu der Zeit, als er sein Buch
"Michail Ignatieff und die Balalaika" schrieb ( 1. Auflage 1978 ).
Dankbare Erwähnung verdient Professor Heinrich Schauerte ( gest. 1975 ), Professor für Volkskunde in Paderborn, zu dessen engstem Schülerkreis ich
gehören durfte. Sein "Triumvirat" bestand aus Dieter Zeller ( Berlin ), Wolfgang Jokschus ( Husum ) und mir. Nicht nur Themen der deutschen, auch der
o s t s l a w i s c h e n Volkskunde waren Bestandteil der Vorlesungen und Seminarveranstaltungen von Prof. Schauerte. Unvergessen sind seine Vorlesungen über den Patron Russlands, den heiligen Nikolaus von Myra und dessen Verehrung im Brauchtum Russlands und anderer christlicher Länder.
Die Kirche des hl.Nikolaus in Nowgorod - so berichtet eine bekannte russische Byline - ließ Sadko erbauen, der legendäre Guslispieler von Nowgorod.
So verbinden sich auf wundersame Art Instrumentenkunde mit religiöser Volkskunde. Die Gusli war seit dem 12.Jhd. das nationale Musikinstrument der Russen. Auch im 19. Jahrhundert wird es als solches aufgeführt. Am Ende des 19.Jhds. begann dann der Siegeszug der Balalaika. Maßgeblichen Anteil daran hatte Wassili Andrejew.
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Die Wiederholungen sind leider notwendig, weil keinem zugemutet werden kann, die g a n z e Website in 1 Stück zu lesen.
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