balalaika-info.de

www.russische-balalaika.de

Informative Website

über die Balalaika und ihre Verwandtschaft mit den alt-orientalischen,

alt-russischen, finno-ugrischen, kaukasischen und asiatischen Saiteninstrumenten

TANBUR, DOMBRA, DOMRA, BANDURA, GUSLIPSALTERIUM,

Die Website wird stetig aktualisiert. Es gilt immer die neueste Version.

Letzte Aktualisierung:  am  4. 12. 2024

Die  russische  Balalaika

Kulturgeschichte - Ontogenese - Aufbau - Technik

Часто задаваемые вопросы о балалайке

Themen dieser Webseite sind u.a.:

Wo kommt die Balalaika her?

Warum ist die Balalaika dreieckig?  War es immer schon so?

Wie sind die Saiten der Balalaika gestimmt?

Was ist eine Kupfer-Balalaika?

Sind bemalte Balalaiken spielbar - oder sind sie nur Deko?

 

 

1. KAPITEL:  GESAMTÜBERSICHT

Dieses 1. Kapitel

gibt eine gestraffte Darstellung aller Themen der gesamten Website,

incl. Infos zur Saitenstimmung der Balalaika.

BILDER  EINER AUSSTELLUNG

 

Bilderrahmen bestimmen das Design dieser Website.  Die Texte und Bilder haben die russische Balalaika zum Inhalt.

Das nebenstehende "Exponat" zeigt eine Balalaika aus der Werkstatt von Iwan A. Sjusin, St. Petersburg, um 1900.

Bemerkenswert  sind  2 besondere Merkmale, die zu dieser Zeit viele Balalaiken aufwiesen:

1. Quadratische (!) Schallöffnung gestaltet als Fenster einer russischen Isba´ (Bauernhütte).

2. Geigenwirbel, von unten in das Wirbelbrett eingesteckt. Heutige Balalaiken haben ein rundes (!) Schall-Loch und eine Wirbelmechanik mit seitenständigen Wirbeln.

Die Balalaika

Außergewöhnliche Form

Während viele  Zupf- und Streichinstrumente  (z.B. Violinen, Gitarren und  Mandolinen und Lauten)  gerundete, oval-taillierte  und andere ausgeklügelte kurvenreiche  Formen besitzen, präsentiert sich

die russische Balalaika in einer puristischen 

DREIECKS-FORM  (TRIGONIUM). 

Das DREIECK der Instrumentendecke ist das typische optische Erkennungszeichen der Balalaika.

Das gilt für alle Baugrößen des Instruments:

siehe die nachfolgende Grafik der Balalaika-Größen.

Mehr zum Thema "Balalaika-Größen": weiter unten in diesem Kapitel !

 

Die  Faszination des  Balalaika-Klangs

"SCHÖNHEIT DES KLANGS"

Sogar professionelle Violinspieler sind von der Schönheit des Klanges der Balalaika und von ihrem  "dulce melos"  fasziniert.

Der folgende  oft zitierte  Ausspruch  des  Dichters  und  Philosophen Fjodor M. Dostojewski gilt auch für den Klang der Balalaika:

красота  спасёт  мир

 "Die Schönheit rettet die Welt"

(. . .  если мир спасёт красоту . . . )

Wozu Balalaika spielen? Antwort hier! ( Bild-Detail einer bemalten Balalaika )

 

WAS IST EINE BALALAIKA ?

 

Beschreibung und Herkunft

 

Die Balalaika ist ein im ostslawischem Raum (insbesondere in Russland und der Ukraine) verbreitetes Zupf-Instrument mit 3 Saiten, dreieckiger Korpusdecke und einer Korpus-Schale mit gewölbtem Boden. Die Balalaika steht in der Tradition der Jahrtausende alten persischen TANBUR, eines Saiteninstruments mit einem langen Hals, einem kleinen zwiebelförmigen Korpus und mit 2 bis 3 Saiten.

Persische Tanbur, 86 cm lag, mit kleinem rund-ovalem Korpus und verschiebbaren Bünden

Persische Tanbur und russische Balalaika

Entlang der antiken, persisch dominierten Seidenstraße gelangte die Tanbur nicht nur nach Zentral-Asien, sondern auch über das Kaspische Meer nach Norden: in den Kaukasus und weiter über die Wolga und andere Wasserstraßen bis zur Ostsee in das Gebiet der "Gardarike", dem "Reich der (warägisch/russischen) Städte". Eine der bedeutendsten Städte dort war die Handelsmetropole Nowgorod (am Wolchow). Hier wurde im Jahr 862 der Alt-Russische Staat gegründet. Seit 1184 war Nowgorod eine Stadt der Hanse und entwickelte sich in der Folgezeit zum größten Handelsplatz Ost-Europas. Auch andere frühe russische Städte sind aus Kaufmannssiedlungen entstanden, so Alt-Ladoga, gegründet im Jahr 753.

 

Auf den Marktplätzen dieser Städte wurde mit allen Dingen des täglichen Lebens gehandelt, auch mit Musikinstrumenten. Musikinstrumente waren wegen ihrer akustischen Wirkung unüberhörbar und fanden naturgemäß große Beachtung. Auf Märkten gab es immer auch Musik und Tanz. Besonders auf den Jahrmärkten herrschte Volksfest-Charakter.

 

Eine alte russische Überlieferung berichtet, dass ein Kaufmann aus Nowgorod namens SADKO selber ein Musikinstrument spielte und mit seinem Spiel die Zuhörer verzauberte. Sein Instrument war keine Tanbur (Balalaika), sondern eine GUSLI, eine Zither, die im 12. Jhd. in Russland sehr populär war. Die Gusli war lange Zeit das Nationalinstrument Russlands. Später gewann die Tanbur (Balalaika) die größere Popularität.

 

Im Laufe der Jahrhunderte entstanden viele Formvarianten der persischen Tanbur, sowohl in flach-kastiger als auch in tief-bauchiger Bauform.

In Russland entstanden Tanburen mit schmaler Paddelform, in der sich bereits die spätere Form der dreieckigen Balalaika abzeichnete.

Im ostslawischen Raum ging die persische Tanbur eine Synthese ein mit der GUSLI, einem kastig-flachen Psalterium, einer Zither, die in unterschiedlichen (z.B. breiten und schmalen) Dreiecksformen existierte.  Im Ostseegebiet war die lange schmale Gusli-Variante verbreitet (Kantele, Kokle). Die russische Balalaika in ihrer heutigen Form vereint die Merkmale sowohl der Gusli des Nordens als auch der Tanbur des Südens.

Sonderform der Gusli: die Kantele. Finnisches Nationalinstrument
Langhalsige "Paddel-Balalaika" mit schmal-dreieckigem Korpus (hypothetischer Nachbau)

Die Tanbur-Varianten erhielten regional jeweils eigene Benennungen. Viele dieser Namen sind etymologische Abwandlungen von "TANBUR".

z.B. die indische Tanpura, die kasachische Dombra, die georgische Panduri, die tschetschenische Pondur, die ukrainische Bandura und

die in Bosnien, Kroatien und Serbien verbreitete  Tamburica.

Es gibt aber auch zahlreiche eigenständige

Namensgebungen, die nicht von "TANBUR" abgeleitet sind.

In Russland erhielt das Instrument irgendwann vor dem 17. Jhd.

den Namen "Balalaika". Eine genaue Datierung dieser Namensgebung

läßt die Quellenlage nicht zu.

Bis ins 19. Jhd. wurden als "Balalaika"auch nicht-dreieckige

Instrumente des Tanbur-Typs bezeichnet. Der Korpus-Umriss einer Balalaika konnte viele Formen aufweisen, z.B. rund, zwiebelförmig, oval, "abgeschnittenes Ei", bootspaddelförmig oder dreieckig. Balalaiken wurden hergestellt sowohl aus HOLZ  ("DEREWJANNAJA BALALAIKA") als auch aus einem halbierten KÜRBIS  ("KALEBASSEN-BALALAIKA").

Jede Bau- bzw. Form-Variante hatte ihre eigene Klang-Charakteristik.

 

Durchgesetzt hat sich seit Ende des 19. Jahrhunderts - wegen der Besonderheit ihres Klangs - die in HOLZ-BAUWEISE  hergestellte  DREIECKIGE BALALAIKA.  Gegenüber anderen Bau-Formen war eine Balalaika mit DREIECKIGEM

Korpus imstande, ein Klangbild von einzigartiger Präsenz und Klarheit zu erzeugen. Das "dulce melos" dieses Instruments beeindruckte

durch seine unvergleichliche Eindringlichkeit.

Der anfangs kleine Korpus dieser frühen Balalaika wurde immer mehr verbreitert und vergrößert, zugleich wurde der Hals verkürzt. Seit 1884 ist diese Modifikation der alten persischen Tanbur zum heutigen "Einheits-Typ" der russischen Balalaika geworden: siehe das folgende Foto.

Balalaika (www.russische-balalaika.de)

 DIE  HEUTIGE  BALALAIKA

 

"ANDREJEW-BALALAIKA"

 

Die Bauform der heutigen Balalaika geht zurück auf einen Prototyp, der 1884 vom russischen Musiker W. W. Andrejew entwickelt wurde, aufbauend auf einer alten traditionellen Volksbalalaika mit einem kleinen dreieckigen Korpus. Andrejew vergrößerte den Korpus und schuf noch andere Veränderungen, z.B. eine chromatische Bundierung. Die "Andrejew-Balalaika" heute besitzt eine breit-dreieckige Decke mit einem sehr kleinen Schallloch (Durchmesser: meist 3/4 Zoll). Die Decke ist

aus dicht gemasertem Fichtenholz gefertigt. Die Korpus-Schale besteht aus 2 schräg gesetzten seitlichen Zargen, einem schräg gesetzten Hinterbrett (russ.: "Sadinka") und einem flach gewölbten Boden, der, je nach Bauart, aus 3, 4 oder 5 Holz-Elementen  ("Spänen", "Planken", "Lamellen") zusammengesetzt ist. Die Gesamt-Schale (= Zargen plus Boden) besteht also aus 5, 6 bzw. 7 Holzteilen. Als Material wird hauptsächlich verwendet: Buche, Birke oder Ahorn. Die Balalaika besitzt

3 Saiten, die auf  E4, E4 und A4  gestimmt sind.

A4  =  a´ =  a1  =  la  =

"Kammerton" =  440 Hz  =  Wellenlänge 77 cm

Das Stimmen der Saiten geschieht durch  Wirbel-MECHANIKEN  mit senkrecht stehender Stell-Achse und seitenständiger Flügel-Achse (Übersetzung: 1:12  bis  1:18, bei Meister-Balalaiken auch 1:40). 

 

Die "Standard-Balalaika" hat 16 chromatisch gesetzte Bünde

(= Tonumfang E4 bis C#6). Konzert-Balalaiken haben 19, 24 oder 31 Bünde. 31 Bünde entsprechen einem Tonumfang von 3 Oktaven.

Der 16. Bund befindet sich stets am Hals-Korpus-Übergang.

Balalaiken werden seit Andrejew in verschiedenen Größen gebaut.

 

Original russische Balalaiken besitzen keinen Wirbel-KASTEN, sondern ein bootspaddelförmiges, ca. 1 cm starkes  Wirbel-BRETT (Kopfplatte). Ein Wirbel-KASTEN ist anzutreffen bei der Domra, der "runden Balalaika", in ihrer 4-saitigen Ausführung.

Die meistgespielte Balalaika, die PRIM-BALALAIKA, ist ca. 68 cm lang

und ca. 44 cm breit. Der Korpus ist ca. 11 cm hoch.  Die Mensur

(= schwingende Saitenlänge) beträgt 43 bis 44 cm.

 

Im  Jahr 1884 schuf Wassili W. Andrejew 

eine Vergrößerung und Verbreiterung des Dreieckskorpus der Balalaika.

 

Seitdem gilt das (ungefähre) Richtmaß:

 

DIE  KORPUSBREITE  DER  BALALAIKA

ENTSPRICHT DER LÄNGE IHRER MENSUR

                         

Schallloch-Felder

Die Verwandtschaft  historischer  russischer  Balalaiken  (vor 1900)  mit  der persischen Tanbur - egal welche Korpusform beide besitzen -  zeigt sich sehr

oft darin, dass alte russische Balalaiken statt eines einzelnen runden

Schallochs eine Vielzahl von kleinen Schallloch-Bohrungen aufweisen.

Diese bilden ein Dekor-Feld (Kreis, Stern, Kreuz u.a.) Bei der heutigen persischen Tanbur ist ein solches Dekorfeld  immer noch die Regel,

ebenfalls bei der in Bosnien, Kroatien und Serbien verbreiteten Tamburica.

Historische Balalaika-Typen vor Andrejew 1895: Доандреевские балалайки

Seit 1900 setzte sich  ein einzelnes rundes Schallloch durch, meist mit einem  Durchmesser von  3/4 Zoll  ( = 1,9 cm ). In der Folgezeit wurden die Schalllöcher etwas vergrößert. Für die Durchmesser wählte man metrische Maße von z.B. 2cm, 2,5 cm und 3 cm. Balalaiken aus nicht-russischen Werkstätten weisen oft noch größere Schalllöcher auf (mit Durchmessern bis zu 5 cm). Diese Maßnahme geschah, neben vielen anderen Veränderungen, mit der merkwürdigen Absicht, die Balalaika der Gitarre anzugleichen.

Quadratische Isba-Schallöffnung

Eine Besonderheit wiesen russischen Balalaiken nach Andrejew 1894 und noch bis zum ersten Drittel des 20. Jahrhunderts auf: sie hatten eine quadratische Schallöffnung, gestaltet als viergeteiltes Fenster, eingefügt in die Intarsie einer alten russischen Bauernhütte (Isba).

3 Irrtümer über die Balalaika

Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, das Datum der Erst-Erwähnung des NAMENS "Balalaika" mit dem Datum der "Erfindung" des INSTRUMENTS gleichzusetzen. Der Name "Balalaika" ist zum ersten Mal im Jahr 1688 urkundlich bezeugt. Das Instrument ist jedoch viel älter. Der Instrumenten-Typ, der später "Balalaika" genannt wurde, steht in der Tradition der Jahrtausende alten persischen TANBUR und war schon lange vor der Gründung des Altrussischen Staates (im Jahr 862 in Nowgorod)  im ostslawischen Gebiet sowie in vielen anderen Gebieten südlich und nördlich der Seidenstraße bekannt und in Gebrauch. Eine Nebenroute der Seidenstraße führte von Persien aus über das Kaspische Meer und entlang der Wolga und anderer Wasserwege bis zur Ostsee.

 

Ein  zweiter, weit  verbreiteter  Irrtum ist es,  wenn in alten Quellen von der "Balalaika" die Rede ist, dieses Instrument gleichzusetzen mit der  heutigen Balalaika in ihrer breiten  Dreiecks-Form.

Mit "Balalaika" wurde ein Tanbur-Instrument  jedweder  Form bezeichnet! Der Korpus konnte oval, halbkugelförmig, paddelförmig oder dreieckig sein. Die Tanbur ("Balalaika") wurde, je nach lokaler Tradition, aus einem halbierten Kürbis oder aus Holz hergestellt.

 

Ein dritter Irrtum besteht darin, die lokale Herkunft einer SACHE mit der lokalen Herkunft des NAMENS der Sache gleichzusetzen.

Das Wort "Balalaika" ist ein volkskundlicher Trivialname.  Es gilt als sicher, dass der Name aus dem tatarischen Wort "bala" (Kind) gebildet wurde. Russland stand von 1223 - 1480 unter tatarischer Herrschaft.

Bis heute enthält die russische Sprache eine große Fülle von Wörtern tatarischen Ursprungs. Wenn das  WORT  "Balalaika" tatarisch/mongolischen Ursprungs ist, bedeutet das nicht, dass auch das  INSTRUMENT  Balalaika mongolischen Ursprungs ist! 

Nach dieser falschen Logik müsste auch der NEBEL von den Mongolen

oder Tataren von 1223-1480 nach Russland gebracht worden sein:

denn das russische Wort für Nebel ("tuman") ist tatarischer Herkunft!

Die Einordnung der Balalaika

in die Systematik der Musikinstrumente
 

In der seit 1914 geltenden Systematik der Musikinstrumente ist die Balalaika in die Rubrik  "LAUTEN-INSTRUMENT"  eingeordnet. Lauten-Instrumente bestehen aus Korpus und Hals. Je nach Korpusform und -konstruktion unterscheidet man  Kasten-Lauten  und  Schalen-Lauten.

Der Balalaika-Korpus  hat  zwar eine flache, ebene Decke und eine  kastige Form, aber wegen der Schrägstellung der zwei seitlichen Bodenplanken

(Zargen), wegen des stark  angewinkelten Heckbretts (russ.:"Sadinka", engl.: "transom") und des gewölbten Bodens ist die Balalaika dennoch in die Gruppe

der Schalen - Lauten  eingeordnet.

Der Übergang zwischen Schalenlauten und Kastenlauten ist oft fließend. Z.B. gilt die  Geige  als reine  Kastenlaute, obwohl bei ihr Boden und Decke aus schalig ausgehöhlten Brettern bestehen.

 

DIE  3 BAUART-TYPEN DER

 

BALALAIKA

 

Nicht die Dreiecksform der Instrumenten-Decke, sondern ihr "Unterbau", also  die Gestalt der Korpus-Schale, ist das entscheidende Kriterium für

die folgende Typen-Einordnung der Balalaika.

 

1) Flachkiel-Balalaika

Korpus-Boden mit schmaler mittiger PLANKE.

Der Korpus-Boden besitzt eine  ungerade  Anzahl von Spänen.

Aufbau der Gesamt-Korpusschale:

2  Zargen plus 3  (oder 5) Boden-Planken.

Flachkiel-Balalaiken mit  7 Spänen  (5 Bodenspäne + 2 Zargen) wurden

gebaut von dem berühmten Balalaika-Baumeister F. S. Passerbski. Genannt:

"Passerbski-Balalaika". Auch der Balalaika-Baumeister Kupfer baute

seine legendären Balalaiken in dieser kastigen Flachkiel-Bauart. 

 

2) Spitzkiel-Balalaika

Korpus-Boden V-förmig mit  mittiger NAHT.

Der Korpus-Boden besitzt eine gerade Anzahl von Spänen.

Aufbau der Gesamt-Korpusschale:

2 Zargen plus 2  (oder  4)  Boden-Planken:

Der Kunsttischler und Balalaika-Baumeister  S. Nalimow

baute Balalaiken mit 6 Spänen (4 Bodenspäne + 2 Zargen).

Genannt: "Nalimow-Balalaika", umgangssprachlich auch "Nalim"

 

3) Wölbbrettboden-Balalaika

Der Korpus-Boden besteht aus einem einzigen  (schwach gewölbten) breiten Bodenbrett.

Aufbau der Gesamt-Korpusschale:

2 seitliche Zargen + 1 gewölbtes  einteiliges  Bodenbrett.

 

Bei allen drei Bauarten der Balalaika ist der Korpus-Boden in seiner Gesamtheit  stets gewölbt. Ein planer Boden ist die absolute Ausnahme.

Der Bauart-Typ einer Balalaika ist leicht zu erkennen, indem man auf

das Hinterbrett (die Sadinka) blickt. Die folgende Bildergalerie, in der

die Balalaiken "kiel-oben" dargestellt sind, zeigt diese Sicht.

Balalaika der Bauart 1 (sog. "Passerbski-Typ") mit Mittelspan-Boden. ("Flachkiel-Balalaika")
Balalaika der Bauart 2 ( sog. "Nalimow-Typ" ) mit Mittelnaht-Boden, ("Spitzkiel-Balalaika") ("Nalim-Balalaika") ("Налим")
Balalaika der Bauart 3: mit "Wölbbrett-Boden", "Плоскодонка" (= Flachboden, Punt), Baujahr 2020 ("BALALAIKER"- Manufaktur in Uljanowsk). Balalaiken mit einteiligem Boden baute u.a. auch der Musikinstrumentenbauer FRANJO SCHNEIDER (1903-1966) in Zagreb i

 

NEUZEITLICHE  SONDER-BAUART:

BALALAIKEN  MIT  KORPUS-SCHALE  AUS  KUNSTSTOFF

Neuzeitliche Sonder-Bauart: Balalaika mit Korpusschale aus Kunststoff (russ.: Plastmassa).

Bei dieser weit verbreiteten "Plastik-Balalaika"

sind die Seitenzargen und Boden-Planken  der Instrumenten-Schale  (Balalaika-Mantel) als einteilige "Schürze" aus  Plastikmasse  gegossen und in Lamellenform gepresst.

Decke und Hinterbrett (Sadinka) bestehen  jedoch aus Holz, ebenfalls Wirbelbrett und Hals. Auch das Griffbrett ist nach herkömmlicher Art gearbeitet: aus Holz mit eingelegten Metallbünden.

 

Balalaiken dieser Art werden als preiswerte "Souvenir-Balalaiken" verkauft.

Die "Plastik-Schürze" der "Plastmassa-Balalaika" imitiert entweder die

Passerbski-Bauart ("MITTENSPAN") oder die Nalimow-Bauart (MITTENNAHT). 

 Auf der Decke ist meist ein ornamentales Rankenmuster aufgedruckt. 

Viele dieser "Fabrik-Balalaiken" sind unspielbare  Dekorations-Balalaiken.

Aber es gibt auch "Plastik-Balalaiken", die überraschenderweise einen guten

Klang haben und gut spielbar sind. Sie besitzen eine hochwertige Fichtenholz-Decke und präzise gesetzten Bünde. Ein Plastik-Korpus begegnet sowohl bei

Prim- als auch bei Kontrabass-Balalaiken.

Plastmassa-Balalaiken werden oft abschätzig beurteilt, aber es sei angemerkt,

dass es auch Gitarren und Ukulelen mit Plastik-Korpus gibt,

die faszinierend klingen. Die OVATION-Gitarre und die "FLUKE"-Ukulele,

beides Instriumente mit Plastik-Korpus, besitzen sogar Kult-Status!

Die balalaikaförmige Fluke-Ukulele kostet 400 Euro! Bei dieser Kult-Ukulele

sind auch Griffbrett und Bünde (!) als zusammenhängende Einheit

aus Plastik gegossen!

Russische Balalaika. Typ: Andrejew-Balalaika (seit 1884). Allgemeiner Aufbau.

 

DIE PRAKTISCHE "INBETRIEBNAHME"

 

EINER BALALAIKA

 

Die Stimmung der Balalaika

Die Stärke und das Material der Saiten

Alternative Saitenstimmungen

Die Höhe und die Position des Saitenstegs

 

 

DIE  SAITENSTIMMUNG  DER  BALALAIKA

 

DIE STANDARD-STIMMUNG:

 

E4  -  E4  -  A4  (= Quartstimmung auf E4)

 

= "Akademische Stimmung",

eingeführt  1884  von  W. W. Andrejew

 

Die  hohe  Saite  der  Prim-Balalaika  wird  auf  den  Kammerton

a1  ( A4 )  =  440 Hz  gestimmt.    

Die beiden anderen Saiten werden 1 Quarte tiefer gestimmt: auf

         e1  ( E4 )  =  330 Hz   (exakt: 329,6 Hz)

 

ALTERNATIVE  SAITENSTIMMUNGEN

 

D4  - D4   -  G4    (= Quartstimmung auf D4)

 

C4  - E4   -  G4    ( C-Dur-Dreiklang )

                           ( sog. "traditionelle Stimmung")


D4  - F#4  -  A4   ( D-Dur-Dreiklang )

 

D4  - F4    -  A4   ( d-Moll-Dreiklang )

 

 

Balalaika-Saiten:  Stärke und Material

 

Einzelsaiten oder Saitensätze  für Balalaiken  werden von  diversen Saitenherstellern angeboten.

Die A-Saite besteht  stets  aus  Stahl  bzw. aus einer Stahl-Legierung.

E-Saiten bestehen aus  Metall, Nylon oder Carbon.

 

Die Saitenstärke der Prim-Balalaika-Stahlsaiten:

A-Saite:    0,20 mm  bis   0,30 mm  Stahl  

(oder  Stahl-Legierung)

E-Saiten:  0,25 mm  bis   0,43 mm  Stahl  

(oder  Stahl-Legierung).

 

Im Handel erhältliche Balalaiken werden in unterschiedlichen Besaitungs-Varianten ausgeliefert. Nachfolgend einige Beispiele:

                                                                   

(Angabe der Saitenstärke in  Millimeter)

Prim-Balalaika,  Variante   1 :   a = 0,20    e = 0,25

Prim-Balalaika,  Variante   2 :   a = 0,23    e = 0,28

Prim-Balalaika,  Variante   3 :   a = 0,23    e = 0,30

Prim-Balalaika,  Variante   4 :   a = 0,24    e = 0,40

Prim-Balalaika,  Variante   5 :   a = 0,25    e = 0,28

Prim-Balalaika,  Variante   6 :   a = 0,25    e = 0,30

Prim-Balalaika,  Variante   7 :   a = 0,25    e = 0,32

Prim-Balalaika,  Variante   8 :   a = 0,28    e = 0,35

Prim-Balalaika,  Variante   9 :   a = 0,28    e = 0,38

Prim-Balalaika,  Variante 10 :   a = 0,30    e = 0,40

Prim-Balalaika,  Variante 11 :   a = 0,33    e = 0,43

Bitte beachten:

 

1. Die zu wählende Saitenstärke ist abhängig vom Härtegrad des Saitenmaterials.

2. Die Angabe der Saitenstärke variiert oft wegen des auf- bzw. abgerundeten Zahlenwerts der Umrechnung "Inch in Millimeter".

(siehe nebenstehende Tabelle)

 

Welche Saitenstärken  sind empfehlenswert ?

Auf vielen Balalaiken

mit Mensuren von 43 - 44 cm 

hat sich folgende Saitenkombination bewährt :

A - Saite:   0,25 mm (0.010) Stahl, blank, hart

E - Saiten: 0,32 mm (0.013) Stahl, blank, hart.

Diese Saitenstärken sind gut spielbar und liefern in der Regel einen  hervorragenden Klang.

 

Bei gemischter Besaitung ( A-Saite Metall, E-Saite Nylon ) gilt für die beiden E-Saiten:  NYLON: 1,00 mm (= 0.04 inch)

oder für einen lauteren Klang:

E - Saiten aus CARBON: 0,90 mm (= 0.036 inch)

(Carbon = Polyvinylidenfluorid "PVDF").

Auch verwendbar: Eine "Fluorocarbon Raubfisch-Angelschnur", monofil,

Stärke: 0,8 mm - 1,0 mm (je nach Härtegrad): Im Handel erhältlich als Meterware auf Spule.

 

Preisgünstig: Klavierdraht  vom Meter

Die im Handel erhältlichen speziellen Balalaika-Saiten sind oft recht teuer. Wer seine Instrumenten-Saiten oft wechselt und deshalb preiswertere, aber dennoch qualitätsmäßig sehr gute Saiten haben will, greift zur Klaviersaiten-Meterware  ("Klavierdraht", "Piano-Draht").

Die End-Schlaufe der Saite ist sehr leicht mittels einer Kombizange selber herzustellen.

 

Klavierdraht ("Saitendraht") ist im Online-Handel  erhältlich

(Preise, Stand 2024):

125 g Klavierdraht  0,25 mm  =  325 Meter  =  15,95 Euro

125 g Klavierdraht  0,32 mm  =  225 Meter  =  15,95 Euro

 

Eine Diskussion ohne Ende: 

E-Saiten  aus Stahl  oder  aus Nylon?

E-Saiten  aus  Stahl  korrespondieren  naturgemäß wegen  des  gleichen Materials wie die A-Saiten klanglich besser miteinander als eine gemischte

Besaitung. Das Gesamt-Klangbild ist homogener.  Ausserdem  erinnert es an vertrauten Klang  des  alten russischen Psalteriums, der  GUSLI .

 

Bei der Balalaika wird oft gerühmt ihr "silberner Klang".  

 Konsequenterweise muss also gelten: 

 "серебряный звук на серебряных струнах"

("Silberner Klang auf silbernen Saiten")

 

Viele Balalaika-Virtuosen aber wollen gerade dieses "allzu Silbrige" des Klangs vermeiden.  Sie entscheiden sich  für  E-Saiten  aus  Nylon , um  den  tieferen  Tönen  der  Balalaika  die  "samtige" Klangfarbe  der  Naturdarm-Saite  einer  VIOLINE  zu verleihen.

                     

Die Saitenlage

 

(Die Höhe der Saiten über den Bünden)

 

Die Saitenlage, also die Höhe des Saitenfeldes über den Bünden, wird bestimmt durch die Höhe des Steges.

Ist der Steg zu hoch, dann sind die Saiten schwer zu greifen und der Druck auf die Fingerkuppen ist sehr stark.  Ist der Steg zu niedrig, dann klirren und scheppern die Saiten auf den Bünden.

Die Höhe des Saitenfeldes wird an der Stelle der größten Amplitude, also über dem Oktav-Bund 

(dem 12. Bund) gemessen. Gemessen wird der Abstand zwischen der Bund-Oberkante und der Saite.

 

Für Saiten aus Stahl (Stahl-Legierungen) gilt folgender Wert:

Saitenlage über dem 12. Bund = 2 mm

 

Voraussetzung ist ein gerader Hals und intakte, also nicht abgenutzte Bünde, ansonsten muss die Saitenlage durch einen höheren Steg vergrößert werden.

Er kann erhöht werden, indem oben, auf dem

Steg-Kamm, ein Metall-Bund eingelassen wird.

Ist im Gegenteil der Steg zu hoch, wird er abgeschliffen

(mit  Sandpapier oder Feile). Dabei ist zu beachten, dass der Steg auf der gesamten Unterseite vollen Kontakt mit der Instrumentendecke hat.

 

Die Position des Saitenstegs

 

Bei der albanischen Cifteli ("Cifteli "= die "2-saitige" Tanbur) ist der Saitensteg auf die Instrumentendecke aufgenagelt (!) Die Position des Stegs ist hier also festgelegt und unverrückbar.

Bei der Balalaika ist der Steg stets separat und beweglich. Nach dem  Kauf einer neuen Balalaika hat der Steg in der Regel immer eine falsche Position.

Bei der Ermittlung der richtigen Position ist folgendes Verfahren anzuwenden:

Man  mißt  die Entfernung  zwischen  Obersattel (bzw. Null-Bund) und dem 12. Bund. Der 12. Bund (= der "Oktav-Bund") markiert  die halbe Mensur. Um die Gesamt-Mensur zu erhalten, muss diese Strecke also verdoppelt werden.

Beispiel:

Die Strecke Obersattel bis Oktav-Bund beträgt

22 cm. Dies ist die halbe Mensur. Die Mensur dieser Balalaika ist also  22 cm  x  2  =  44cm.

Um die Position des Saitenstegs zu bestimmen, mißt man vom Obersattel 44 cm und stellt an den Endpunkt dieser Strecke den Steg.

Achtung! Der Steg ist unten breiter als oben. Gemessen wird an der Steg-Oberseite!

Da beim  Niederdrücken einer Saite  wegen der Schwellenwirkung des Metallbundes die Saite eine zusätzliche Spannung erhält, klingt sie höher als der dem Bund  zugeordnete Ton. 

Diese  Abweichung wird ausgeglichen, indem zur  Mensurposition des Stegs  ca. 1 mm Länge  hinzugegeben wird. 

Die genaue Korrektur der  Stegposition geschieht nach Gehör oder mit Hilfe eines Stimmgeräts.

Damit beim  Solospiel auf der A-Saite  der Spielfinger mehr Bewegungsfreiheit erhält, wird die mittlere E -Saite etwas von der A-Saite weggerückt.

Das Verhältnis  E - E - A  ist meist  2 : 3.  Bei einem  35 mm  breiten Saitenfeld über dem Steg bedeutet dies: 

              E  . .  ( 14mm )  . .  E  . . .  ( 21mm ) . . .  A

Einige Balalaikavirtuosen wählen sogar das Verhältnis  2 : 4  !

 

Die  Einschnitte auf dem Steg  sollen  halbrund  eingefeilt werden und dem Durchmesser der Saiten angepasst sein. 

Mit einer sehr weichen Bleistift-Mine, die aus Graphit besteht, werden die drei Saiten-Einkerbungen eingerieben und somit mit gleitfähigem  Graphit-Pulver  gefüllt.  So behandeln auch Geigenspieler den Steg der Violine.

Das gleiche gilt auch für die Einschnitte der Saiten auf dem Obersattel.

 

Die "Saitenstraße":

 

Vom  Heckbrett  bis  zum  Wirbelbrett

 

Die folgenden beide Skizzen zeigen die Saitenführung einer Prim-Balalaika und einer häufig verwendeten 3/4-Kontrabass-Balalaika.

Der  Weg  führt  vom  Heckbrett (russ.: Sadinka) bis  zum Wirbelbrett.

(Die Längenangaben  beziehen sich  auf  die Strecke  der längsten  Saite.)

 

 

TON-UMFANG  UND ANZAHL  DER BÜNDE

 

DER CHROMATISCHEN PRIM-BALALAIKA

 
( 1 Bund  =  1 Halbton )

 

DIE VIER  GEBRÄUCHLICHSTEN AUSFÜHRUNGEN:

 

BALALAIKA  MIT  16 BÜNDEN

Tonumfang:   E4  bis  C#6  ( = e1  bis  cis3 ) 

16 Bünde = 1 Oktave + 1 große Sexte

Bei der einfachen chromatischen Volks-Balalaika sind die Bünde nur auf dem

ca. 26 cm langen Instrumenten-Hals  angebracht.

16 Bünde  haben hier ihren Platz. Der höchste spielbare Ton ist cis3 (= C#6)

Er liegt  9 Halbtonschritte ( = 1 große Sexte)  über dem  e2.

Um einen Tonumfang von 2 Oktaven ( e1 bis e3 ) zu erreichen, fehlen dieser

"Volks-Balalaika" 3 Halbtöne (= 3 Bünde).

 

BALALAIKA  MIT  19 BÜNDEN

Tonumfang: E4 bis E6  ( = e1  bis  e3 )

19 Bünde  =  2 Oktaven

Damit  ein  Tonumfang von 2 Oktaven  erreicht  werden  kann, müssen der

einfachen 16-bündigen Volks-Balalaika 3 Bünde hinzugefügt werden. Zu diesem Zweck wird das Griffbrett über den Instrumentenhals hinaus auf den Korpus verlängert. Bei einigen Instrumenten werden die 3 zusätzlichen Bünde auch direkt in die Instrumentendecke eingelassen.

 

BALALAIKA  MIT  24 BÜNDEN

Tonumfang:  E4 bis A6 (= e1  bis  a3 )

24 BÜNDE  =  2 Oktaven + 1 Quarte

Die meisten Konzert-Balalaiken sind mit 24 Bünden ausgestattet.

Auf der A-Saite einer solchen Balalaika können  2 Oktaven  gespielt werden:

2 Oktaven  =  24 Bünde. Der Diapason der A-Seite umfasst also die Töne

a1 bis a3.

Zusammen mit der tieferen Quarte auf der E-Saite ergibt sich ein Tonumfang

von e1 bis a3.

 

BALALAIKA  MIT  31 BÜNDEN

Tonumfang:  E4 bis E7  (= e1  bis  e4 )

31 BÜNDE  =  3 Oktaven

Eine "Profi-Konzert-Balalaika" hat den "Ehrgeiz", 3 Oktaven  zu  umfassen

( E4 bis E7 Im Vergleich zu einer 24-bündigen Konzert-Balalaika ist ihr Tonumfang

um 1 Quinte  (= 7 Halbtonschritte) erweitert.

Es müssen also 7 Bünde hinzugefügt werden: 

24 + 7   =  31.  Dazu wird das Griffbrett noch weiter auf den Korpus verlängert,

so dass es bis dicht an das Schall-Loch heranreicht.

 

Dem Geheimnis des Balalaika-Klangs

auf der Spur

 

Nicht nur die  Optik, sondern auch der  Klang  des Instruments gilt als ungewöhnlich und unverwechselbar. Die Balalaika wird deshalb auch 

als  "dreieckiges  Klangwunder"  bezeichnet.

Der  Klang der Balalaika  wird  vielfach verglichen mit dem Klang einer  GLOCKE  ("dreisaitige Glocke") ("трёхструнный колокольчик") und  mit  dem Gesang  einer  NACHTIGALL.

 

DIE  BALALAIKA: 

 

EINE "DREISAITIGE  GLOCKE"

Балалайка - трёхструнный колокольчик

In zahlreichen Beschreibungen der Balalaika wird hervorgehoben, daß

sie nicht nur die FORM einer Glocke besitzt, sondern daß auch ihr KLANG mit dem einer (metallenen) GLOCKE vergleichbar ist.  Die Glocke ist eine Sonderform des akustischen Trichters: sie ist ein KLANGTRICHTER.

Der nachfolgende Abschnitt beschäftigt sich mit der Physik des Trichters und mit dem besonderen Klang von trichterförmigen Resonanzkästen.

Schall-Trichter allgemein

 

Klänge, die in Trichterräumen erzeugt oder durch Trichterräume weitergeleitet werden, besitzen eine besondere Präsenz und Eindringlichkeit. Dieses Klangspezifikum ist umso

intensiver hörbar, je stärker die Trichterform des Instruments

ausgeprägt ist. Klang-Trichter, egal welcher Form, besitzen

erstaunliche Eigenschaften: sie bewirken eine Verstärkung des Schalldrucks (sowohl von hohen als auch von tiefen Tönen) und sind imstande, einzigartige unbeschreibbare klangformende Effekte hervorzubringen. Der moderne Lautsprecherbau hat sich die physikalischen Gesetze von Schalltrichtern zunutze gemacht, indem er HORN-LAUTSPRECHER entwickelt hat, die in ihrer Effektivität konventionelle Lautsprechersysteme übertreffen.

 Im Musikinstrumentenbau, genauer bei den  Blasinstrumenten,

sind die Schall-Trichter optisch sofort an ihrem auffälligen

Trichtermund erkennbar:

so bei Trompete, Horn, Posaune, Tuba, Klarinette, Saxophon u.v.a.

Bei Saiteninstrumenten ist die Trichterform oft nicht sofort erkennbar, meist deshalb, weil sie nicht die typische runde, weit geöffnete

Schall-Austrittsöffnung eines Blasinstruments besitzen, sondern

eine kastige Trichterkonstruktion aufweisen: oft mit rechteckigem

oder halbrundem Querschnitt.

 

DIE BALALAIKA - EIN AKUSTISCHER TRICHTER

 

KLANGTRICHTER

 

 Physikalisch gesehen stellt der Korpus der Balalaika, gebildet aus der dreieckigen Decke und dem schalig-gewölbten "Unterbau", einen

 AKUSTISCHEN TRICHTER dar. Dieser ist längs-halbiert und besitzt

deshalb einen annähernd halbkreisförmigen Querschnitt.

 

Trichterräume gibt es in einer Vielzahl von Formen. Zu den ältesten Trichterformen gehören die naturgewachsenen HÖRNER von Tieren.

Konstruierte Trichter besitzen mannigfaltige Formen: ihre Schall-Austrittsöffnung ist oft rund: z.B. der kegelförmige Trichter zum

Umfüllen von Flüssigkeiten oder der aus einem Rotations-Paraboloid gebildete Trichter  von Blasinstrumenten.

Trichter können aber auch eckige Formen aufweisen (z.B. der pyramidenförmige Trichter mit quadratischer Mündung).

Vielfach haben Trichter eine Form, die aus einer Kombination verschiedener geometrischer Raumkörper konstruiert ist. 

Trichter können einen Mund mit 360 Grad-Querschnitt besitzen

oder auch halbiert sein wie z.B. der muschelförmige Halbtrichter-Souffleurkasten an der Theaterbühne, die Architektur der halbkreisförmigen 180-Grad-Amphitheater oder - die Balalaika.

Ein Trichter hat eine große und eine kleine Öffnung.

 

INVERTIERTER  KLANGTRICHTER

 

DAS HÖRROHR-PRINZIP

 

Bei den Klangtrichtern wird der Schall in der Regel von der kleinen

Öffnung in Richtung der großen Öffnung geschickt:

so bei den Blasinstrumenten und beim Grammophontrichter.

Es gibt aber auch die umgekehrte Verwendung:

Schall-Eintritt ist die große Öffnung, Schall-Austritt ist die kleine

Öffnung: Das ist das Wirkprinzip des Hörrohrs und des

Geburtshilfe-Stethoskops.

Auch bei der Balalaika tritt der Schall aus der  kleinen Öffnung

des Trichter-Korpus aus, sodass der Korpus der

Balalaika als invertierter Klangtrichter

bezeichnet werden kann. Die große Öffnung des Balalaika-Trichters

ist durch ein Brett verschlossen. Der im Trichterraum erzeugt Klang verläßt den Trichter durch eine kleine an der Trichterwand

befindlichen Öffnung, dem Schallloch. Der hier austretende Schall

addiert sich mit dem Schall der Deckenschwingung und erzeugt

den typischen und unverwechselbaren Balalaika-Klang.

 

Ein interessantes Detail: Bei einigen Tanbur-Instrumenten ist das Schalloch konusförmig aufgebohrt, also als kleiner kurzer,

3 mm langer Trichter ausgeführt.

 

"GESTOPFTES HORN"

Hornbläser wenden oft die Spieltechnik des "gestopften" Horns an.

Hier wird der Trichtermund, also die weite Öffnung des Schalltrichters, fast gänzlich durch einen STOPFDÄMPFER oder durch Einführen der

Hand in den Trichtermund verschlossen. Der Schall-Austritt nimmt

einen anderen Weg: er wird zur Seite, also zur Trichterwand hin,

 umgelenkt und tritt dort mit hohem Presssdruck aus. Durch diese

Technik wird eine Klangfärbung bewirkt, die als "zum Metallischen

hin tendierend" beschrieben wird.

 

4 SAITENINSTRUMENTE

 

MIT TRICHTERFÖRMIGEM RESONANZKÖRPER

 

BALALAIKA   -   TROMBA MARINA   -  HARFE   -  GUSLI

 

 

HARFE

 

Einen trichterförmigen Resonanzkörper besitzt nicht nur die Balalaika, sondern auch in abgewandelter Form, nämlich in der schmalen und langgestreckten Bauweise eines rechteckigen Klang-Horns, der Resonanzkasten der HARFE, was die faszinierende "schwebend-transzendente" Klangwirkung sowohl von Balalaika als auch von der Harfe erklärt.

 

Es gibt noch ein anderes, weniger bekanntes  Saiten-Instrument, das einen ähnlichen Resonanzkorpus wie die Harfe besitzt, ein Instrument  in der Form eines langgestreckten

hölzernen Hornes:

Die TROMBA MARINA

 

 

TROMBA MARINA

 

Obwohl die Tromba Marina ein eindeutiges Saiteninstrument ist (mit nur 1 Saite und in

der Gestalt einer super-schlanken Kontrabass-Balalaika), trägt sie wegen ihrer Horn- bzw. Trompetengestalt den Namen eines Blasinstrumentes (tromba = Trompete).

 

"Tromba marina" bedeutet "MeeresTrompete"

und ist abgeleitet von der Form des langen

schmalen, aus Wasser und Luft bestehenden Trichter-Wirbels (Twister) über dem Meer.

 

Abbildung:

Prim-Balalaika:  67 cm hoch.

Tromba marina: 2,20 Meter hoch.

PSALTERIUM (russ. "Gusli")

Auch das dreieckige PSALTERIUM ), eine Kastenzither, stellt, trotz der sehr flachen Korpusform, einen physikalischen Klangtrichter dar. Deshalb verwundert es nicht, dass der Klang einer Balalaika dem Klang einer Gusli

bisweilen sehr ähnlich ist.

Wenn in Russland die Balalaika als
 "dreisaitige Glocke"
bezeichnet wird, soll damit nicht nur ihre Form, sondern auch ihr Klang beschrieben werden.  Der oft beschriebene kristallklare Glockenklang der Balalaika ist aber nur im Idealfall anzutreffen. Jede Balalaika hat ihre eigene spezifische Klangfarbe. Diese ist abhängig vom verwendeten Holz, von der Geometrie des Korpus, von der Art der Saiten und von vielen anderen Faktoren. 

Sehr oft machen Instrumentenbauer die Erfahrung, dass ein Instrument am Ende anders klingt als am Anfang geplant.

 

KLANGFARBEN
Balalaikaspieler, die mehrere Balalaiken besitzen, machen manchmal die Erfahrung, dass Balalaiken derselben Größe, Bauart und Saitenstimmung aus unerklärlichen Gründen ganz verschieden klingen.

Mit anderen Worten:  Jedes Instrument besitzt eine eigene, sehr unterschiedliche  KLANGFARBE.

Je nach Klangfarbe kann man Balalaiken (in einer groben Bestimmung) in 2 Kategorien einteilen, wobei jede Balalaika eine Tendenz entweder zu der einen oder der anderen Kategorie hat.

 

DIE ZWEI KLANG-KATEGORIEN DER BALALAIKA

 

1. Balalaiken mit  m e t a l l o p h o n e r   Klang-Farbe

("Glockenklang")

2. Balalaiken mit  x y l o p h o n e r   Klang-Farbe 

("Holzklang")

 

Im Wort "KLANGFARBE" sind die Begriffe "Klang" und "Farbe" in Analogie zueinander gesetzt. Das bedeutet: Eine optische Farbskala ist dazu geeignet, den Klang-Charakter eines Musikinstruments zu visualisieren.

Die bekannteste Farbskala ist das durch Lichtbrechung erzeugte sog."Regenbogenspektrum" mit den 7 Farben

Violett,  Indigo,  Blau,  Grün,  Gelb,  Orange,  Rot

Wendet man diese Farbskala auf das akustische Klangfarben-Spektrum der Balalaika an, so läßt sich folgende Aussage machen: 

1) Eine Balalaika der Klangfarben-Kategorie 1

entspricht der Farbe VIOLETT, also der hochfrequenten Grenz-Farbe des Regenbogens.

2) Eine Balalaika der Klangfarben-Kategorie 2

entspricht der Farbe ROT, also der niedrigfrequenten  Grenz-Farbe des Regenbogenspektrums.In der Realität ist es oftmals schwierig, einer Balalaika eine eindeutige Zuordnung zu den beiden Grenzfarben Violett oder Rot zu geben. Viele Balalaiken besitzen eine Klangfarbe zwischen beiden (Klang-)Farb-Extremen.

 

Weshalb die Namens-Umbenennung der Tanbur in "Balalaika"?

 

3 Erklärungen 

(basierend auf tatarisch "bala" = Kind):

 

1. Die Balalaika wird gehalten wie ein Kind (bala) auf dem Schoß.

Im Gegensatz zum alten weit verbreiteten russischen Volksinstrument "Gusli", einer Brettzither, wurde das Hals-Instrument  "Tanbur" beim Spielen wie ein Kind ("bala") auf dem Schoß und im Arm gehalten.

2. Der Korpus der Kürbisbalalaika ähnelt dem Kopf eines Kindes (bala), das man auf dem Schoß hält.

Frühe  Balalaiken  wurden  aus  einem  Kürbis  hergestellt.  Der runde Korpus erinnerte an einen Kinderkopf. Die Assoziation Kürbis = Kopf in Bezug auf die Balalaika findet sich beim russischen Dichter Nikolai Gogol.

3. Die Balalaika-"Sprechweise" ähnelt der Sprache eines Kindes (bala).

Das tatarische Wort  "bala" ( Kind ) ist ein  lautnachahmendes Wort, das sich auf die einfache Sprache eines Kleinkindes bezieht: Das Kleinkind macht "b(a)la, b(a)la", es "plappert", "babbelt" ". Ebenso die  Balalaika. In ihrer einfachen Spielart auf oft nur 2 Saiten  "spricht" sie wie ein Kleinkind.

Dennoch  - oder gerade deshalb - berührt ihre Sprache  die Seele.

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wird der Name "Balalaika" allein auf die breit-dreieckige (!) Holz-Ausführung  des Instruments angewandt. 

Das entsprechende Instrument mit halbkugelförmigem (!) Korpus (sog. "runde  Balalaika") heißt  DOMRA .

 Balalaika und Domra sind zwei Varianten der persischen Tanbur.

Das eine Instrument ist nicht aus dem anderen hervorgegangen, sondern beide Instrumenten-Typen existierten gleichzeitig. Entscheidend war die lokale Tradition und das zur Verfügung stehende Material (Kürbis oder Holz). Auch die individuelle schöpferische Freiheit des Instrumentenbauers darf nicht unterschätzt werden.

Der Name "DOMRA" ist ethymologisch abgeleitet von "TANBUR" und verweist somit sprachlich auf die Verwandtschaft mit dem alten persischen Zupfinstrument.

 

GLOCKE   -   KLANGTRICHTER  -   AMPHI-THEATER 

 

Die Balalaika klingt nicht nur wie eine  Glocke, sondern ihre Korpusform ähnelt auch einer Glocke. Der Glockenklang-Charakter  ist besonders dann hörbar, wenn die Saiten des Instruments einheitlich aus  Metall bestehen.

KLANGTRICHTER 

Eine Glocke kann definiert werden als ein KLANG-TRICHTER, ebenso der Korpus der Balalaika. 

Trichter und auch Glocken können

verschiedene Bauformen haben.  Die meisten Glocken besitzen einen rotationssymmetrischen Mantel, d.h.: der waagerechte Querschnitt dieser Glocken ist an jeder Stelle kreisförmig. Der Kreisumfang erweitert

sich in Richtung zur Austrittsöffnung stetig: 

entweder linear in Gestalt eines Konus (Kegels) oder exponential. Trompeten, Hörner, Posaunen und viele andere Blasinstrumente besitzen Exponential-Trichter.

 

LAMELLENTRICHTER

Die der Balalaika zugrunde liegende Trichterform basiert nicht auf
einem Kreis oder Oval, sondern
 ist aufgebaut auf einer polygonalen Grundfläche.

Dies führt dazu, dass der Korpus der Balalaika 

(=  Trichtermantel, Glockenmantel)

eine lamellenförmige Gliederung aufweist.

 

Die am häufigsten gebauten Balalaiken besitzen entweder die

(längs-) halbierte Trichterform einer

 

12-Eck-Pyramide (= 6-Span-Balalaika)

oder einer

14-Eck-Pyramide  (= 7-Span-Balalaika).

 

Anmerkung:
Auch die  Schalltrichter der alten Grammophone  waren meist Lamellen-Trichter. Entweder waren sie nahtlos aus Metall getrieben oder sehr häufig auch aus einzelnen
Holz-Elementen zusammengeleimt.
 
DIE BALALAIKA:
ANALYSE IHRER GEOMETRISCHEN FORM

Skizze oben: 

Blick in die Öffnung eines aus Lamellen zusammengesetzten runden und halbierten Klangtrichters.,

Links:   14-Lamellen-Klangtrichter.

Rechts: 14-Lamellen-Klangtrichter, längs-halbiert und abgeflacht = der Korpus einer 7-spänigen Balalaika ("Flachkiel-Balalaika"), = sog. "Passerbski-Typ-Balalaika"

 

DIE VIELECK-PYRAMIDE:

 

Ausgangsform für Klangtrichter und Balalaika

 

Abb. links:  

Tetradekagonal - Pyramide

(= 14-eck-Pyramide)

(= Klang-Trichter mit 14 Lamellen)

 

Quellennachweis für diese Grafik:

A2569875, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>,via Wikimedia Commons

(Abb. 1: original) (Abb.2: bearbeitet)

Abb. links:

 

Tetradekagonal - Pyramide, halbiert und abgeflacht.

 

Das Ergebnis:

Der Korpus einer 7-spänigen Balalaika.

 

Die 7-spänige Balalaika ("Flachkiel-Balalaika") ist ein sehr häufig gebauter Balalaika-Typ, auch "Paserbski-Balalaika" genannt. Die berühmten Balalaika-Baumeister F. Paserbski

und M. Kupfer haben diese kastige Bauart bevorzugt.

 

Der Korpus der Balalaika kann beschrieben werden als ein Klangtrichter, gebildet aus einer längs halbierten polygonalen Pyramide.
 
In der Werkstatt des Instrumentenbauers wird die Form dieser Halb-Pyramide  wie folgt abgeändert: 
Der gesamte Mantel wird abgeflacht.
Die dreieckigen Holz-Lamellen ("Späne","Planken"), die in der Skizze eine plane Oberfläche haben, bekommen eine konusförmige Rundung zur Spitze hin. Der Verlauf der Wölbung wird durch die Biegeform des Instrumentenbauers bestimmt. Zum Schluss wird die halbierende Schnitt-Öffnung mit einem dreieckigen Brett, der Balalaika-Decke, verschlossen.
Die Trichter-Architektur der Balalaika scheint die Erklärung für ihren einzigartigen Klang zu sein.

 

TRICHTER-ARCHITEKTUR  MIT  AUSSERGEWÖHNLICHER AKUSTIK :

 

DAS AMPHITHEATER

Entfernt man bei der Restauration einer Balalaika die Holzdecke, dann offenbart  ihr Innenraum etwas Überraschendes:  Erkennbar wird die Architektur eines halbkreisförmigen  Amphitheaters !

Physikalisch gesehen stellen der Korpus der Balalaika und die Bauform

des Amphi-Theaters beide einen  Klang-Trichter  dar: 

Es sind trichterförmige Räume. Der Resonanzkörper

der Balalaika ist  - im Gegensatz zum Amphitheater -  jedoch geschlossen.

Die Zuschauertribünen vieler Amphi-Theater besaßen - ebenso wie die Grammophon-Trichter -  eine lamellenartige Gliederung. Eine solche Gliederung weisen nicht nur Freilicht-Bühnen aus, sondern viele innenliegende Versammlungsräume, besonders Parlaments-Säle  wie z.B. der französische Parlaments-Saal.

 

Amphitheater und Balalaika sind beides Orte künstlerischer Darbietung. Die antiken Amphitheater sind bekannt für die erstaunlichen akustischen Wirkungen und Effekte, die sie hervorbringen. Durch ihre besondere Architektur sind Amphi-Theater in der Lage, Töne und Klänge in unglaublicher Klarheit zum Ohr der Zuhörer hin zu transportieren.

 

Die klangproduzierenden und klangreflektierenden Architektur-Elemente des antiken Amphitheaters sind: 

die Orchestra (= Spielfläche),  Bühnen-Hinterwand,  und die  Tribüne.

Alle diese Elemente sind in modifizierter Form und  in veränderter Anordnung -  auch bei der Balalaika vorhanden. 

 

            1. Die Balalaika-Decke  =  die Orchestra.

            2. Die Korpus-Schale     =  die Tribüne

            3. Das Hinterbrett  =  die Bühnen-Hinterwand

 

Die Orchestra  ist der Ort, an dem das Klangbild erzeugt wird. Von hier aus werden die Schallwellen zur Tribüne  bzw. Korpusschale "geworfen":  sowohl auf direktem Weg  als auch indirekt durch Reflexion an der Hinterwand.

Das Hinterbrett  (russ.: "Sadinka") steht nicht  (wie die Zarge einer Gitarre oder Geige) senkrecht im 90 Grad-Winkel zur Decke, sondern in einem Winkel von +/-  60 Grad. Die Schrägstellung bewirkt, dass die Schallwellen in direkter Richtung zur Decke und zum Schallloch hin reflektiert werden. Ein Teil der Schallwellen gelangt nach außen durch die runde Öffnung des Schalllochs.

Weil dieses - im Gegensatz zur Gitarre - sehr klein ist, wird das Klangbild sehr druckvoll. In Verbindung mit der Deckenschwingung  entsteht in der Summe ein sehr "präsentes", glockenartiges Klangbild .

 

Die 4 wichtigsten klangbestimmenden Merkmale der Balalaika:

 

1.  Die DREIECKS-Form der Instrumenten-Decke  (vgl. altrussische Gusli)

2.  Die Glocken-Form der Korpus-Schale  (Klangtrichter-Akustik)

3.  Korpus mit geringer Höhe (vgl.: Kasten-Instrumente wie Geige, Zither)

4.  Das kleine Schall-Loch: Durchmesser 3/4 Zoll  (= 1,9 cm) und kleiner.

 

Anmerkung zu 3 und 4: 

Für Saiteninstrumente  - egal, welcher Form -  gilt allgemein:

Ein flacher Korpus und ein kleines Schallloch  bewirken eine "direkte Ansprache"  des Instruments (= "kurzes Sustain"), einen bass-armen Ton  und ein präzises, sehr eindringliches Klangbild.

Weitere klangbeeinflussende

Bau-Komponenten:

1. Die Art und die Stärke der verwendeten Hölzer.

2. Der verwendete Leim (Fischleim, Knochenleim, synthetischer Leim)

3. Die geometrische Anordnung und die Stärke der unter die Decke geleimten Holzleisten ("Federn")

4. Die Steifigkeit des Instrumentenhalses (Stimmstab-Effekt!)

5. Die Lackierung der Instrumentendecke (Schellack, Wachs, Öl, Nitrolack, Acryl-Lack, Polyurethan-Lack, . . .)

6. Form, Größe, Material und die Passgenauigkeit des Saitenstegs

7. Das Material und die Stärke der Instrumenten-Saiten.

8. Die Ausführung der Schlagplatte (der Dämpfungsfaktor des Materials, die Größe, der Abstand zur Decke, ...)

9. Die Konstruktions-Geheimnissse des Instrumentenbauers. .

FORM - ANALYSE

 

DIE 3 PRÄGENDEN FORMEN  DER BALALAIKA:

 

Es sind  drei geometrische Grundformen, die den  GESAMT-KORPUS  der heutigen russischen Balalaika bestimmen: Diese offenbaren sich im Blick auf

Längs-, Querschnitt und Draufsicht des Instruments.

Der Korpus der Balalaika wird bestimmt durch die drei Formen:

 

TRAPEZTROG   -   HALBKUGEL   -   DREIECK

 

1. TRAPEZ  (Trapezförmiger TROG), erkennbar im Längsschnitt der Balalaika 

2. HALBKUGEL (Zur Halbkugel tendierende polygonale SCHALE, erkennbar im Querschnitt der Balalaika

3. DREIECK  (Dreieckige Korpusdecke, erkennbar in der Draufsicht von oben)

 

 

Die Bau-Komponenten des

  Balalaika-Korpus

 

Die Korpus-Schale wurde in früherer Zeit aus  einem  einzigen Stück Holz herausgehauen. Heute wird sie

aus mehreren Holzteilen zusammengeleimt.

Der Balalaika-Korpus besteht aus

1. der dreieckigen Korpus-Decke

2. der (halb-)trichterförmigen Korpus-Schale, die durch das schräge Hinterbrett abgeschlossen wird.

 

Der Balalaika-Korpus besitzt die Form einer (längs- halbierten) trichterförmigen Glocke.

In Entsprechung zum  GLOCKENMANTEL  kann die Korpus-Schale der Balalaika, bestehend aus den seitlichen Zargen und und dem Korpus-Boden,

als  KORPUS-MANTEL  definiert werden.

   

Die Korpus-Schale wird gebildet aus

folgenden 3 Bau-Einheiten:

 

1) Die zwei seitlichen Zargen

("Zargen-Späne","Rand-Späne", "Seiten-Späne")

Die beiden an die Decke angrenzenden Zargenspäne sind nicht - wie bei einer Geige, Gitarre oder Zither - im rechten Winkel (90 Grad) zur Decke gestellt,

sondern in einem Winkel von ca. 70 - 80 Grad.

 

2) Der Korpus-Boden

Der Korpus-Boden befindet sich zwischen den beiden Zargen. Er ist gewölbt und in der Regel aus mehreren (ca 3mm starken) Brettern  zusammengesetzt. Für diese gibt es verschiedene Bezeichnungen:  z.B. "Bodenspäne", "Boden- Elemente", "Planken", "Segmente", "Streifen", "Lamellen", ...

 

3) Das Hinterbrett

(Heck-Brett, Hinterzarge, Sadinka, Transom)

Die Sadinka ist der hintere schräge Abschluss der Korpus-Schale. Das Hinterbrett besteht aus dickerem Holz als die Boden- und Seitenspäne. Sie ist in einem größerem schrägen Winkel zur Decke gestellt als die Zargen. Der Winkel beträgt ca. 45 - 60 Grad.

Balalaika (5-spänig), mit stark angewinkeltem Heckbrett (russ.: sadinka, engl.: transom)

 

KLEINE  UND  GROSSE  BALALAIKEN

Die "Volksbalalaika" und  die "akademischen Balalaiken"

 

Der russische Musiker  Wassili W. Andrejew  verbesserte die alte  traditionelle Volks-Balalaika ("Samodelka-Balalaika", "Dorf-Balalaika", "Bauern-Balalaika").

1. Er verbreiterte ihren dreieckigen Korpus

2. Er schuf eine chromatische  Bundierung.

3. Er schuf eine  "Balalaika-Familie"

Um die Balalaika konzertfähig zu machen, schuf er  -  nach dem Vorbild  der Violin-Familie  - verschiedene Baugrößen.

Die traditionelle  Volks-Balalaika bekam die Bezeichnung  "Prim-Balalaika". Ihr fügte er 2 kleinere und 3 größere Instrumente der gleichen Bauart hinzu.

 

Diese 5 hinzugefügten Balalaiken sind nicht traditionelle Volksinstrumente,

sondern sind "akademische Schöpfungen".

Es sind intelligente Weiterentwicklungen der traditionellen russischen Volksbalalaika, geschaffen für den Konzertgebrauch.

Die Anzahl der "Familienmitglieder" der Konzertbalalaika-Familie hat im Laufe der Zeit gewechselt und man findet verschiedene Angaben über die Zahl der "Familienmitglieder".

Die nachfolgende gelbe Tabelle gibt den heutigen Stand wieder.

Auf die Angabe der I n s t r u m e n t e n - B r e i t e  wurde in der obigen Tabelle verzichtet.  Es gilt zwar das Norm-Maß:  Korpusbreite = Mensur, aber viele Instrumentenbauer bestimmen die Breite oft  frei und intuitiv.

Diskant-Balalaika

* Die Diskant-Balalaika  wird seit ca. 1920 nicht mehr gebaut. Sie "lebt" aber heute weiter in den ca. 40 cm hohen Balalaiken ("Kinder-Balalaiken"), die in der Kategorie "Spielbare Instrumente"  in russischen Souvenir-Läden angeboten werden.  ( Länge: 42 cm,  Höhe: 8 cm,  6 Späne- Korpus,   Mensur: 28,5 cm ).

"FAMILIENGESCHICHTE"

 

DIE  BALALAIKA - FAMILIE   1897 - 2024

 

DIE  ERSTE  BALALAIKA - FAMILIE  1897:  

6 INSTRUMENTE

=  5 Balalaiken von  Diskant  bis  Bass  +  1 Kontrabass-Balalaika

Die erste "Balalaika-Familie" von 1897 umfasste folgende 6 Instrumente:

дискант,  пикколо,  прима,  альт,  бас,   контрабас.

Diskant,   Pikkolo,    Prima,    Alt,   Bass,  Kontrabass

In den Folgejahren erfuhr die Balalaika-Familie einige Veränderungen:

1. Die Diskant-Balalaika wurde aus der Instrumentenfamilie entfernt

2. Zwischen Prim-und Alt-Balalaika wurde die Sekund-Balalaika eingefügt

3. Die Kontrabass-Balalaika wurde, bei gleichbleibender Stimmung, um drei Baugrößen  erweitert. Es gibt also heute 4 Varianten Kontrabass-Balalaiken. 

 

DIE   BALALAIKA - FAMILIE  1906:  

8 INSTRUMENTE

=  6 Balalaiken von  Diskant  bis  Bass  +  2 Kontrabass-Balalaiken

Im Jahr 1906 kamen 2 weitere Instrumentengrößen hinzu:

Sekund-Balalaika  und  Subkontrabass-Balalaika.

Die Familie der Konzert-Balalaika  bestand  1906  aus  8 Instrumenten :

Subkontrabass-Balalaika,  Kontrabass-Balalaika,  Bass-Balalaika,  Alt-Balalaika, Sekund-Balalaika,  PRIM-BALALAIKA,  Piccolo-Balalaika,  Diskant-Balalaika.

 

DIE  BALALAIKA - FAMILIE  1916:  

7 INSTRUMENTE

=  5 Balalaiken von  Pikkolo  bis  Bass  +  2 Kontrabass-Balalaiken

Durch den Wegfall der Diskant-Balalaika Jahr wurden ab  ca. 1916  zur Balalaika-Familie nur noch 7 Instrumente hinzugerechnet:

Pikkolo - Prim - Sekund - Alt -  Bass - Kontrabass - Subkontrabass

 

DIE  BALALAIKA - FAMILIE  HEUTE: 

9 INSTRUMENTE

=  5 Balalaiken von  Pikkolo  bis  Bass  +  4 Kontrabass-Balalaiken

 Die heutige Familie der Orchester-Balalaiken umfasst folgende 9 Instrumente

(5 Balalaiken von Pikkolo bis Bass  plus  die Kontrabass-Balaika in 4 Größen):

 

 1) Pikkolo - Balalaika   ........  Länge:  ca.   50 cm   

 2) Prim - Balalaika   ............  Länge:  ca.   67 cm   

 3) Sekund - Balalaika   ........  Länge:  ca.   76 cm 

 4) Alt - Balalaika  ................  Länge:  ca.   83 cm  

 5) Bass - Balalaika  .............  Länge:  ca. 110 cm

 6) 1/4 Kontrabass Balalaika: Länge: ca. 140 cm 

 7) 2/4 Kontrabass Balalaika: Länge: ca. 150 cm  

 8) 3/4 Kontrabass Balalaika: Länge: ca. 160 cm  

 9) 4/4 Kontrabass Balalaika: Länge: ca. 180 cm   

 

* Alle 4 Kontrabass-Balalaiken besitzen die gleiche Saitenstimmung.

Die 4/4 KB-Balalaika  wird auch "Sub-Kontrabass-Balalaika" genannt. Oft wird dieser Name auch auf die 3/4 KB-Balalaika angewandt. 

Das kleinste Instrument der Familie ist die Pikkolo-Balalaika. Sie wird immer noch zur Balalaika-Familie hinzugerechnet, obwohl sie seit den 1930er Jahren

nur noch selten gebaut und gespielt wird.

Anders verhält es sich mit der  Pikkolo-Domra (домра пикколо).

Sie ist das kleinste Instrument in der Familie der  r u n d e n  Balalaiken.

Sie ist bis heute ein fester Bestandteil der "Domra-Familie" und wird sehr

häufig im Orchester eingesetzt.

 

Konzert-Balalaika, 24 Bünde. A-Saite: 0,25 mm Stahl, E-Saiten: 0,32 mm Stahl. Mensur: 17"

Die  Vervollkommnung  der  Balalaika

in Form  und Klang:

 

Von Wassili W. Andrejew 1884

zu

Mark Kupfer 1993

und

Aleksej Serebrow heute

Das  Zupf-Instrument  "Balalaika" hat in den letzten Jahrhunderten viele Wandlungen erfahren. Früher hatte sie ein anderes Aussehen als heute.

In vielen  schriftlichen Quellen des 17. und 18. Jhd.  wird sie beschrieben als ein

ca. 1 Meter langes Instrument  mit einem sehr langem Hals und einem sehr  kleinen ovalen (!) Korpus.

In Übereinstimmung mit diesen Berichten stehen auch bildhafte Darstellungen der Kunst, z.B. des französischen  Malers  Jean Baptiste Leprince  (1734 - 1781),  der  lange  in  Russland  gelebt  und in St. Peterburg gearbeitet hat.

Sein  Bild  "Der Balalaikaspieler"  (und  ebenso  auch  andere  seiner Bilder)

zeigen  ein genau  solches Instrument.  Es entspricht  in  seiner Form  der alten persischen Tanbur.    In der nachfolgenden Abbildung ist dieses  Instrument

als  "Historische Balalaika Typ 1"  bezeichnet.

Die historischen Balalaiken Typ 1 und Typ 2  sind "Holz-Balalaiken".

Die ebenfalls bei den Ostslawen bezeugten "Kalebassen-Balalaiken" sind dem Typ 1 zugehörig.  Sehr wahrscheinlich haben  solche  aus  Kürbissen  gefertigten Instrumente die  Halbkugel-Form  von Holz-Instrumenten sogar begründet.

WASSILI  W. ANDREJEW

 

Wassili Andrejew gilt als der "Vater der modernen Balalaika". 1884 schuf er, ausgehend von einem schmal-dreieckigen traditionellen Holzbalalaika-Typ, die breit-dreieckige Balalaikaform, die wir heute kennen. 

Hergestellt wurden sie von Instrumentenbauern und Kunsttischlern wie:

Iwanow, Passerbskij, Nalimow, Sotski, Galinis, Sjusin, Ogloblin . . .

Seither wurde die Balalaika immer mehr verbessert, um den Herausforderungen des virtuosen Spiels zu entsprechen.

 

MARK A. KUPFER

 

Als "Non plus ultra" heutiger Balalaiken gelten die Balalaiken des russischen Konstrukteurs  Mark Aleksandrovich Kupfer (+ 1993). 

Wegen ihres unvergleichlichen Klangs  sind  sie  für viele Balalaikaspieler  und auch  für Balalaika-Bauer das  "Maß aller Dinge". Die Klangreinheit der "Kupfer-Balalaiken" ist legendär: sie reicht über das gesamte Diapason.

 

Helikopter  und  Balalaika

Mark Aleksandrovich Kupfer war in der damaligen Sowjetunion ein bekannter Helikopter-Konstrukteur. Auch war er ein erfolgreicher Sportler, Musiker, Sänger, Uhrmacher, Pilotenausbilder und Musikinstrumentenbauer.

Seine Erfahrungen aus dem Helikopterbau  übertrug er auf die Konstruktion seiner Balalaiken. 

Fünf Merkmale der von ihm gebauten Balalaiken sind besonders hervorzuheben:

1. Für die Bünde verwendete er Edelstahl aus dem Flugzeugbau.

2. Für die unter der Decke verleimten federnden Holzleisten  (пружина) entwarf er ein besonderes geometrisches Schema, basierend auf den Erfahrungen der Flugzeug-Akustik.

3. Zum Verbinden der Holzteile verwendete er Flugzeugbau-Spezialkleber statt des sonst üblichen Holzleims.

4. Das Schlagbrett  gestaltete er rein funktional, und

nicht - wie viele andere Balalaikabauer - nach ästhetischen Gesichtspunkten. Sie bestehen nicht aus Holz, sondern aus einem sehr schwingungsarmen Kunststoff-Material. Damit

sie ein effizienter Deckenschutz sind, gestaltete er die Schlagbretter sehr groß. Ihre Ausdehnung geht fast bis zur Höhe des Decken-Stegs. In neuerer Zeit (seit ca. 2020) ist zu beobachten, dass viele Balalaika-Bauer dieses Vorbild "abkupfern" und ebenfalls großflächige Schlagbretter verwenden, die bis zur Höhe des Saitenstegs hinunter gehen und sogar noch darüber hinaus.

5. Entscheidung für die flache Passierbski-Bauart:  Kupfer-Balalaiken besitzen 7 Späne  (2 Zargen und  5 Bodenplanken).

Kupfer erkannte, dass Balalaiken vom Typ "Passerbski", also Flachkiel-Balalaiken mit einem Mittelspan-Korpusboden,  wegen ihrer kastigen Bauart eine bessere Klangeigenschaft haben als die spitzkieligen 6-spänigen "Nalimow-Balalaiken". Obwohl zu seiner Zeit (und auch noch bis heute) Nalimow-Balalaiken sehr in Mode waren und häufig gebaut wurden, entschied sich Kupfer für die flachkielige "Passierbski-Bauart". Er verflachte sogar noch den Korpus und verbreiterte ihn.

 

Es sei daran erinnert, dass Passierbski Geigenbaumeister war. Er wusste, welchen Klangreichtum kastig-flachbödige  Musikinstrumente hervorbringen können.

 

Mark Kupfer (geb. 1920) baute in den Jahren von 1979 bis zu seinem Tod 1993 insgesamt  16  Balalaiken.  Kupfer-Balalaiken gehören zu den teuersten

Konzert-Balalaiken der Welt. Ihr Anfangs-Verkaufswert von 5000 Euro ist heute  weit übertroffen.Viele Balalaikavirtuosen spielen eine Kupfer-Balalaika.

Auch nach Mark Kupfer beschritten  andere Balalaika-Baumeister neue Wege.

Zwei dieser Meister sind besonders hervorzuheben: Grebennikow und Serebrow.

 

VALERIJ  GREBENNIKOW

Produktion hochwertiger Balalaiken in China

 

Valerij Grebennikow wurde 1957 in Kursk geboren. Seine handwerkliche

"Karriere" begann er als Flugzeugmodellbauer.

Dann erwachte seine Liebe zur Balalaika.

Er studierte an der bedeutendsten Musik-Akademie in Moskau, dem Gnessin-Institut, in der Klasse des Balalaika-Virtuosen

P. I. Necheporenko.

Nach dem Balalaika-Spiel wandte er sich dem Balalaikabau zu.

Er studierte und analysierte die Andrejew-Balalaiken der alten Meister.

Sein Ziel war: Die Balalaiken, die er selber baute, sollten den

unverwechselbaren Klang des Anfangs bewahren. Er erkannte, das etwas,

das verbessert werden sollte, seine Identität bewahren musste.

Grebennikow-Balalaiken werden heute noch von namhaften Künstlern gespielt. 

Der Preis dieser Balalaiken war allerdings sehr hoch.

Damit auch Schüler sich solche Balalaiken leisten konnten, ließ er sie in China produzieren und überprüfte ihre Qualität an Ort und Stelle. Wo die Qualität nicht seinen hohen Ansprüchen entsprach, ließ er sie in Russland nachbessern.

 

ALEKSEJ  SEREBROV

Balalaiken akustisch und elektrisch

 

Die Balalaiken von Mark Kupfer sind für viele Balalaikaspieler und -bauer

absolute Norm.  Aber die Entwicklung ist nicht stehen geblieben. Auch heute gibt

es Balalaika-Bauer, die auf dem Weg von Kupfer und Grebennikow

 weitergeschritten sind und ebenfalls Verbesserungen und neue Maßstäbe im Balalaika-Bau eingeführt haben. Einer der bekanntesten Balalaikabauer dieser "neuen Generation" ist  Aleksej Serebrov.

Wie Mark Kupfer hat auch er auf der Suche nach dem "perfekten Balalaika-Klang" die klangphysikalischen Gesetze der Balalaika gründlich erforscht.

Allerdings ist seine "Klangphilosophie" eine andere. Während M. Kupfer wegen des  genuinen historischen Klangs am kastigen 7-spänigen Korpus nach dem Vorbild von Paserbski festhält ("Flachkiel-Balalaika"), bevorzugt Serebrov den 6-spänigen Korpus mit "Mittelnaht" nach dem Vorbild von Nalimov ("Spitzkiel-Balalaika").

Der Grund: Spitzkiel-Balalaiken haben ein größeres Korpusvolumen als Flachkiel-Balalaiken.

Serebrov ist selber Balalaikerspieler und ist bestrebt, die strengen musikalischen Anforderungen, die er an seine musikalischen Darbietungen stellt, durch Neuerungen im Balalaika-Bau möglich zu machen.

Um die Saiten präziser und feiner stimmen zu können verwendet er japanische Gitarren-Mechaniken mit sehr hoher Übersetzung: Fabrikat "Gotoh 510" oder "Gotoh 381" (gekapselte Einzelmechaniken mit der  Übersetzung 1:18). 

Serebrov setzt die 3 Einzelmechaniken in einer Reihe hintereinander. Die Wirbelbretter seiner Balalaiken muss er deshalb, wie die Kopfplatten der Fender-Gitarren, asymmetrisch gestalten. Diese asymmetrischen, in der Form sehr puristischen spitz zu laufenden Wirbelbretter mit dem "Serebrov"-Schriftzug sind ein typisches Erkennungszeichen der Balalaiken aus seiner Werkstatt.

Für Serebrov wichtig ist die optimale Lackierung des Instruments. Er hat die Chemie und die molekular-physikalischen Eigenschaften aller Instrumentenlacke studiert. Wichtig für ihn ist, dass die Lackierung nicht den Klang der Balalaika verfälscht. Der Lack muss sehr dünn sein und nach dem Trocknen die größtmögliche Härte aufweisen.Die Verwendung  moderner Synthetik-Lacke, ddie diese Eigenschaften haben, sind für Serebrov kein Tabu.

Für die Obersattel-Saitenauflage verwendet er nicht Holz, sondern  Knochen.

Serebrov besteht darauf, dass die Einkerbungen für die Saiten bei Steg und Obersattel poliert sein müssen, damit ein möglichst reibungsloses Gleiten der Saiten möglich ist: Eine Maßnahme, die sich hörbar positiv auf den Klang auswirkt.

Die Bünde der Serebrov-Balalaiken bestehen aus  Neusilber  oder  Edelstahl.

 

Elektro-Balalaiken

Ein Problem aller Balalaiken ist ihre geringe Lautstärke. Eine Lautstärkerhöhung wäre möglich durch Vergrößerung der Tiefe des Instrumentenkorpus (sog. "Aufblasen" der Balalaika) und durch eine Vergrößerung des Schallochs.

Diese Maßnahmen aber zerstören die klangliche Eigenart  (die "Seele") der Balalaika.  Um die die Lautstärke des Instruments zu erhöhen, dabei aber den genuinen vertrauten Klang der Balalaika zu bewahren, entschied sich Serebrow dazu, neben akustischen Balalaiken auch Elektro-Balalaiken zu bauen,

ähnlich der Entwicklung im Gitarrenbau (Akustik- und E-Gitarren). Serebrov

baut E-Balalaiken mit integrierten Piezo- als auch mit Magnet-Tonabnehmern.

Einen umfassenden Einblick in die Arbeit von Aleksej Serebrow vermittelt seine Website, in die er auch zahlreiche sehenswerte Videos eingestellt hat:

https://serebrov.com

 

Schon vor Aleksej Serebrow hat  der  wohl  bekannteste  Balalaika-Virtuose  der  Gegenwart, Aleksej Archipowski bei seinen Konzerten den durch ein an der Balalaikadecke befestigten Mikrofon elektrisch verstärkten Klang  seines  Balalaika-Spiels  populär gemacht. Seine fast kleiderschrankgroßen Lautsprecherboxen in seiner Wohnung sind legendär.

Durch die elektronische Verstärkung erzielt er einen kristallklaren Glockenklang, der zum Markenzeichen seines Balalaikaspiels wurde.

Serebrov ist den Weg zum Bau von Balalaiken mit integrierten Tonabnehmern  gegangen.

 

Vom  schmalen  Paddel  zum  breiten  Dreieck

Kurzhalsige schmale "Paddel-Balalaika", "Schmal-Flügel-Balalaika". (Hypothetischer Nachbau)

 

Die  meisten  frühen  Balalaiken  (Tanburen)  besaßen  einen  ovalen, einen schmal-paddelförmigen,  oder -  wie die Kalebassen-Balalaika  - einen  runden  Korpus.  Je nach Korpusform war der Klang ein anderer.

 

Häufig wurden Balalaiken zur  Tanzbegleitung  benutzt oder als Straßeninstrument zum Vortragen derber Texte der fahrenden Spielleute, der Skomorochen (griechisch "skomma"= Spott, Scherz)

Bevorzugte Spielart war das  Akkord-Spiel, bei dem der Finger alle drei Saiten zugleich anschlug.

Unterschiede in der Klangfarbe der verschiedenen Balalaika-Formen fielen bei dieser Art des Instrumentengebrauchs kaum ins  Gewicht.  Entscheidend  waren Rhythmus und Lautstärke.

 

Anders  war  es   beim  melodiebetonten  Solo-Spiel,  bei  dem  der Vortragende eine Art Übersetzungsarbeit leistete: er setzte die Weite, Nachdenklichkeit und Tiefgründigkeit der Texte russischer Volkslieder

in die Sprache der Musik um.  

 

Russische Volkslieder sind voll tiefgründiger Poesie!

 

Pусская балалайка -

душа народа

Die  Texte russischer Volkslieder besitzen eine gewaltige psychologische Tiefe und  Aussagekraft und sind oft von hohem literarischen Anspruch.

Hauptthema ist die Verletzlichkeit der menschlichen  Existenz.  Wie  ein  roter  Faden  ist  diese  Thematik hineingewoben in die lyrischen Texte russischer Lieder. Um diese Thematik in die Sprache der Musik umzusetzen, bedurfte es eines Musikinstruments, das nicht nur

irgendeine Hintergrund- und Begleitmusik  produzieren konnte, sondern das fähig war, poetisch zu "sprechen". Balalaiken  mit dreieckiger Deckenform und  trichterförmigem  Korpus  konnten  dies! 

Sie besaßen die unerklärliche Eigenschaft, ein Klangspektrum zu entfalten, das voller Eindringlichkeit,  Tiefe,  Melancholie  und  Transzendenz  war. 

Der Klang der  Dreiecks-Balalaika  verzauberte das "russische Ohr",

die Dreiecks-Balalaika  besaß das gleiche "dulce  melos" wie das

geliebte alte  russische  Volks-Instrument  Gusli. 

Balalaika von 1884, aus der Wassili W. Andrejew die heutige Balalaika entwickelte. Nachbau von 2020 in den Werkstätten von "Balalaiker", Uljanowsk an der Wolga

Die Balalaika in der Abbildung oben (Bauform vor 1884) besitzt einen aus 5 Spänen bestehenden Korpus. Das Dreieck ist noch klein und schmal.

Je  breiter  der  Dreiecks - Korpus  der  Balalaika  gestaltet  wurde, umso  mehr  trat  ihr  "dulce melos"- Klang-Charakter  hervor.  So  ist  es  kein  Wunder,  dass  die  breit-dreieckige  Balalaika  zum  heutigen  russischen Nationalinstrument wurde.

Die Herstellung einer solchen dreieckigen Balalaika verlangte ein großes handwerkliches Können, denn ihr Korpus  war aus  mehreren verleimten  Planken ("Spänen") gearbeitet.  (Anfangs waren es  3  oder  5  Späne).

Wer ein solches Geschick nicht hatte, musste das Instrument auf dem Warenmarkt kaufen.

Der  Preis  einer aus  Holzplanken gefertigten  Balalaika, auch  wenn  sie  einfach gebaut war, war  sehr hoch.  Er entsprach dem Gegenwert einer Kuh  bzw. eines Pfluges.

ZWEI  HISTORISCHE  BAUWEISEN DER BALALAIKA :

 

 BALALAIKA  AUS  KÜRBIS   -   BALALAIKA AUS HOLZ

Der Halbrund-Korpus der Kürbis-Balalaika wurde später auch in Holz gefertigt, sowohl aus 1 Stück, als auch aus Spänen zusammengesetzt. Runde und dreieckige Balalaiken existierten zeitgleich nebeneinander. Die runde Balalaika wird heute DOMRA  genannt. Das Wort "Domra" ist aus "Tanbur" entstanden.
 

 

DIE KÜRBIS-BALALAIKA

 

    (Kalebassen-Balalaika)

 

Nikolai W. Gogol  berichtet in seinem  Roman "Tote Seelen"  (1842), dass in Russland die jungen Burschen mit einer  runden  Kalebassen-Balalaika 

die Herzen der Mädchen verzauberten.

 

Der  "Gogol´sche Rundkopfkürbis"  war allerdings  kein Gartenkürbis, wie auf dem Foto abgebildet, sondern eine  moldawische "Gorljanka", ein Flaschenkürbis  mit großem kugelrunden Kopf, so groß  w i e  ein  Gartenkürbis. 

 

Der russische Komponist und Balalaika-Virtuose  Iwan J. Chandoschkin (1747-1804) spielte eine Kürbis-Balalaika, die innen mit Glaspulver beschichtet war. Fürst Potemkin, der Geliebte der Zarin Katharina II. der Großen, war ein großer Bewunderer seines Spiels auf dieser Balalaika. Kürbisse konnten für ihre Verwendung als Musikinstrument quer- oder  längsgeschnitten sein. 

Foto oben: ein  q u e r - geschnittener Kürbis.

ALTE  HANDWERKSTECHNIK

 

AUS  1 EINZIGEN STÜCK HOLZ HERAUSGESCHÄLT:

 

BALALAIKA  -  GUSLI  -  GUDOK

 

Nicht nur die Balalaika, sondern auch noch 2 weitere historische russische Saiteninstrumente wurden aus einem einzigen Stück Birkenholz herausgeschält:

Die Gusli (= Psalterium, Zither) und der  Gudok (= Geige)

Auf den ausgehöhlten Massivholz-Korpus wurde mit Fischleim die Decke aufgeleimt.

Birkenstamm, 70 cm lang: das "Mutter-Holz" dreier historischer Instrumente: 1. schmale Balalaika ("Tanbur-Balalaika"), 2.Dreieckige Kantele (= Gusli, Psalterium), 3. Kurzhalsiger Gudok ("Lira").
Birkenholz-Stamm halbiert: Rohling für ... eine Balalaika ... oder eine Gusli ... oder einen Gudok
Balalaika. Korpus, Hals und Wirbelbrett sind aus 1 einzigen Stück geschnitzt. Decke ist aufgeleimt. Der hypothetische Nachbau vereint die Formvarianten "ovaler Löffel" und "dreieckiges Bootspaddel"
Gusli. Finnische Kantele. Psalterium. Trog-Zither. Schmaler Korpus aus 1 einzigen Stück. Die Decke ist aufgeleimt. Die 5 Saiten verlaufen strahlenförmig, nicht parallel. Sie bilden ein dreieckiges Saiten- feld. Die Korpusform entspricht dem Saitenfeld.
Gudok. "Nowgorod Lira". Ein traditionelles russisches Instrument (seit dem 12. Jhd.), aus Birkenholz geschnitzt. Die Decke ist aufgeleimt. Der Gudok ist ein Streichinstrument: eine 3-saitige Rebec-Geige

     Balalaika-Grammatik

Wie  muß  es  heißen:    Balalaikas   oder   Balalaiken ?

Beide Pluralformen sind möglich.  Ich  verwende  die  traditionelle, durch  den deutsch-russischen "Musikinstrumenten-Zaren" Julius Heinrich Zimmermann eingebürgerte Schreibweise  "Balalaiken".  Zimmermann  ging  1876  von Mecklenburg nach St. Petersburg. Dort eröffnete er eine Musikinstrumenten- werkstatt, die zu den bedeutendsten Russlands zählte. Er war Hof-Lieferant für den Zaren und für die russische Armee. Weitere Werkstätten folgten in: Moskau, London, Riga.  Später ging er nach  Deutschland, wo er Reichstagsabgeordneter wurde. Weitere Musikinstrumentenwerkstätten und -handlungen gründete er in  Berlin, 1900 in Leipzig und 1919 in Markneukirchen.

In Markneukirchen wurden viele Balalaiken gebaut von dem bekannten Instrumen- tenmacher  Paul Fischer. In den Musikinstrumentenkatalogen der Fa. Zimmermann wurden am Anfang noch "Balalaikas" angeboten. In der Niederlassung in Leipzig stand aber auf dem  Firmenschild der Fa. Zimmermann:

"BALALAIKEN  UND  DOMREN".

 

Willst  Du  all  deine  Zeit  verlieren

und  weißt  nicht  wie ?

Greif´ zu  alten  Musikinstrumenten

und  restauriere  sie .

 

Mein Kaminzimmer. Rechts neben dem Kaminofen: 3/4 Kontrabass-Balalaika, 1,60 Meter hoch.

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