5.0 MUSIKINSTRUMENTE  IN   DREIECKIGER   FORM

 

Während andere Saiteninstrumente, wie z.B. die Violine, ausgeklügelte gerundete und kurvenreiche Korpusformen besitzen, präsentiert sich die Balalaika in einer puristischen   D r e i e c k s f o r m .

Diese Form hat eine lange Tradition. Sie verweist auf 2 uralte Musikinstrumente:

 

A :  H a r f e           ( Winkelharfe   und  Rahmenharfe )

B :  D r e i e c k s - P s a l t e r i u m   ( Brett  und  Kasten ).

 

Die "Musikdreiecke" Winkelharfe und Rahmenharfe gehören zu den ältesten archäologisch bezeugten Musikinstrumenten. Das nachfolgende Bild zeigt eine Rahmenharfe.

 Ein  "Musikdreieck"

         aus dem

3.Jahrtausend v. Chr.

 

Rahmenharfe

Figur (Idol) eines Harfenspielers, Marmor, 22,5 cm groß. (Archäologisches Nationalmuseum Athen)

Fundort: Kykladeninsel  Keros ( griech. Κέρος), nahe der Stadt Keos.

Idol aus der Kykladen- kultur Griechenlands.

Ca. 28. - 23. Jhd. v. Chr.

 

Der Harfenspieler von Keros ist einer der ältesten Darstellungen eines Musikers über- haupt. 

Die dreieckige Rahmen- harfe ist auf dem rechten Schenkel aufgestützt und wird von der rechten Hand gehalten. Die linke Hand zupft die Saiten.

 

Harfenspieler  von  Keros.

Idol (=abstrahiertes Bildwerk) aus der Kykladenkultur der Bronzezeit des 3. Jahrtausend v. Chr.

Bildnachweis:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AHarp_player%2C_Cycladic_civilization_-_Greece.JPG

 

Mit dem Dreiecksinstrument "Harfe" verbindet die Balalaika außer der Dreiecksform und der Feststellung, daß beides Zupfinstrumente sind, wenig Gemeinsames.

Mehr Gemeinsamkeiten  gibt es  mit einem anderen Typ von "Musik-Dreieck": dem Psalterium.


Dreiecks-Kästen :  Psalterium  und  Balalaika     

 

Balalaika, Psalterium (Gusli) und Harfe sind drei grundsätzlich verschiedene Instrumententypen.  Gemeinsam ist ihnen das  Dreieck.  Beschreibung:

 

Harfe:           dreieckiges Saitenfeld    i n   einem  dreieckigen  Rahmen

Psalterium : dreieckiges Saitenfeld  ü b e r  einem dreieckigen Kastenkorpus

Balalaika:     rechteckiges Saitenfeld  ü b e r einem dreieckigern Schalenkorpus.

 

Bei Harfe und Psalterium  ist die Umrissform des Gesamt-Instruments  auf das  Saitenfeld bezogen:

Das Saitenfeld ist dreieckig, der Korpus-Umriss nimmt an dieser Form Maß.

Die Balalaika hat kein dreieckiges Saitenfeld. Sie ist eine Laute , und hat deshalb ein lang-rechteckiges Saitenfeld gleich-langer Saiten (wie die heutigen Lauten: Gitarre, Mandoline, Violine, Banjo, Ukulele u.a.).

 

Ein langgestrecktes Saitenfeld mit Saiten gleichlanger Mensur macht einen Dreieckskorpus nicht bautechnisch zwingend erforderlich.

Der Dreieckskorpus der Balalaika kommt aus einer "anderen Welt". Er entspricht dem dreieckigen Korpus des Gusli-Psalteriums und hat an ihm Maß genommen. Er ist von der Gusli übernommen worden, um die Klangeigenschaften der Gusli für die Balalaika zu übernehmen. Es entstand ein Hybrid-Instrument mit den Eigenschaften sowohl der Laute als auch des Psalters.

 

Druck und Zug auf die Decke

 

Harfe und  Laute (Balalaika) gehören zwei verschiedenen Instrumententypen an, die  auf verschiedene Art eine Instrumentendecke zum Schwingen bringen:


Psalterium und Balalaika :  Die Saiten  d r ü c k e n  auf die Decke

                               Harfe :   Die Saiten  z i e h e n  an der Decke


Vom Instrumententyp her ist die Balalaika mit dem Psalterium, also der Gusli, mehr verwandt als mit dem Dreiecksinstrument Harfe. Die Harfe hat eine gänzlich andere Schwingungserzeugung als Psalterium und Laute.

Bei der Harfe laufen die Saiten von der Resonanzdecke weg: sie "ziehen" an der Decke und versetzen sie so in Schwingung.

Bei Psalterium und Balalaika laufen die Saiten parallel zur Resonanzdecke über einen Steg. Durch diesen "drücken" die Saiten auf die Decke.

Auch der  Klang der Harfe ist von anderer Art als der von Psalterium und Balalaika, weil hier die angezupfte Saite mit so großer Kraft auf die Deckenmembran wirkt, dass die schwingende Deckenmembran die anderen, nicht gezupften Saiten mit in Schwingung versetzen.  Dadurch entsteht ein "Chaos-Klangbild", das den typischen Harfenklang ausmacht und als schön empfunden wird.

Bei Psalterium und Balalaika wird die Saitenschwingung  p e r   S t e g  auf die Decke übertragen - und nicht direkt.  Gemäß dem Kräfteparallelogramm ist hier die Kraftwirkung auf die nicht gezupften Saiten sehr gering. Psalterium und Balalaika werden deshalb nie das Klangbild einer Harfe erreichen.

 

Das  Harfen-Dreieck

 

Die  Winkelharfe

Sie besitzt nur 2 Dreiecksseiten und hat die Form des Buchstabens V.  Das  Dreieck  wird gebildet durch ein  o f f e n e s   dreieckiges Saitenfeld.  Ein Schenkel des Winkels ist meist als Hohlkasten ausgebildet (Resonator) oder es wird an einen Schenkel ein Resonanzgefäß (z.B. Kürbis) angesetzt.


Die Rahmenharfe

Manche Harfen bestehen nur aus einem dreieckigen Rahmen, eine Resonanzdecke im Rahmen ist nicht vorhanden. Die Saiten sind direkt am starren Rahmen befestigt.

 

Von der Rahmenharfe zum Psalterium

Es gibt einen sehr einfachen Weg, diese Harfe in ein Psalterium zu verwandeln: Man legt das Instrument auf ein Brett, z. B. eine Tischplatte, die mit umlaufenden Zargen versehen ist. Diese Platte stellt einen offenen Resonanzkasten dar.

Will man die Harfe dauerhaft als Psalterium verwenden, so fertigt man einen eigenen Resonanzkasten in der Umrißform der Harfe, also in dreieckiger Form, an und verbindet diesen mit der Harfe.

Die Saiten dieses so entstandenen Psalteriums laufen parallel zur Kastenoberfläche.

 

Auf die echte Harfe, bei der die Saiten eine  Zugkraft  auf die Resonanzdecke ausüben, soll hier nicht weiter eingegangen werde. Sie ist nur interessant wegen ihrer Dreiecksform, hat aber sonst mit der Balalaika wenig zu tun.

 

Anders verhält es sich beim Psalterium. Hier läßt sich ein Zusammenhang mit der Balalaika feststellen.

Der Hinweis auf die Ähnlichkeit der Korpora beider Instrumente ( dreieckige Decke!) ist zuerst eine rein akademische Feststellung. Sie gibt  in keiner Weise  das Recht, auch einen historischen Zusammenhang zu behaupten.

 

Darf man zwischen Balalaika und Psalterium außer der Formähnlichkeit eine weitere Beziehung postulieren?

Gesetzt den Fall, ein dreieckiges Psalterium wäre nur auf der Insel XY  im Südpazifik bekannt, die mit Russland keinerlei Verbindungen kennt, dann verbietet es sich, einen Einfluss auf die russische Balalaika anzunehmen oder den Gedanken eines Zusammenhangs auch nur in Erwägung zu ziehen, nur weil zufälligerweise beide Instrumente dreieckig sind.

 

Wenn man aber den Beweis erbringen könnte, daß das Psalterium in Russland bekannt oder verbreitet oder vielleicht sogar dort gespielt wurde, dann ist aufgrund der regionalen Nähe eine historische Verbindung gegeben und eine gegenseitige Einflussnahme zwischen Balalaika und Psalterium sehr wahrscheinlich.

 

Psalterium :   Russisches Nationalinstrument

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Das Psalterium war in Russland bekannt und dort viel gespielt.  Unter dem Namen Gusli war es das verbreitetste Saiteninstrument, ja mehr noch: es war  d a s  russische Nationalinstrument im 12. Jhd. und auch noch (oder wieder) im 19. Jhd.

Die Gusli trat in einer großen Formenvielfalt auf, ihre Grundform aber war stets das Dreieck.

Wie kam die Gusli zu ihrer Dreiecksform?

 

Wieso  ist  das  Psalterium  dreieckig ?

 

Exakt dreieckige Psalterien sind sehr selten, denn Saiten von 1 cm Länge werden nicht gebraucht.  Die Normalform des Psalteriums ist das Trapez, also ein "gekapptes" Dreieck.  Das Dreieck ist die Idealform, in die das Psalterium einbeschrieben ist.

Гусли. Psalterium (Gusli). Trapezform eingefügt in ein Dreieck

Das dreieckige Saitenfeld

 

Aussage  1:   Die Physik bestimmt die Form des Saitenfeldes

Aussage  2:   Das Saitenfeld bestimmt die Korpusform

Aussage  3:   Die Korpusform beeinflußt den Klang


Aussage 1: Die Physik bestimmt die Form des Saitenfeldes

Zwei Dreiecks-Saiteninstrumente haben eine sehr lange Geschichte: 

Die Harfe

Die Zither.

Man nimmt an, daß die Harfe das ältere Instrument ist. Die Harfe gibt es  in den Ausführungen  Bogenharfe, Winkelharfe und Rahmenharfe. Die Winkelharfe kann als Sonderform bzw. Weiterentwicklung der Bogenharfe angesehen werden.

Die Bogenharfe wiederum ist aus dem Musikbogen entstanden.

Alle drei Harfen-Formen weisen ein dreieckiges Saitenfeld auf:

die  Bogenharfe :     gleichseitiges Dreieck,

die  Winkelharfe :    rechtwinkliges Dreieck,

die  Rahmenharfe :  variable  Dreiecksform.

 

Das dreieckige Saitenfeld ist funktional bedingt.

Es folgt dem physikalischen Prinzip der Tonerzeugung schwingender Saiten.

Auf eine einfache Formel gebracht  lautet es:

 

             kurze Saite   -   hoher Ton, 

             lange Saite   -   tiefer Ton.


Mehrere Saiten, die in abnehmender Länge (von tief nach hoch)  parallel nebeneinander angebracht sind, bilden ein Dreiecksfeld:

Die Physik, in diesem Fall die Gesetze der Akustik,  bestimmt die Geometrie. 

Das Klangdreieck kann gebildet durch Röhren, die angeblasen werden oder durch  Stäbe, die angeschlagen werden:

 

Pfeifen:                    Orgelpfeigen und Panflöte (Ton durch Anblasen der Röhren)

Klingende Stäbe:     Stäbe aus Holz (Xylophon), Metall, Glas, Wachs, Plastik  u.a.

Klingende Röhren:   Tubular bells (Tonerzeugung durch Anschlagen der Röhren)

 

 

Panflöte. Dreieckiges Röhrenfeld

 

Saitenfeld -  Korpusform - Deckenform

Bei der Panflöte formen die tonerzeugenden Röhren selber den Gesamt-Klangkörper. Bei Saiteninstrumenten ist dies anders. Die Form des Instrumentenkörpers  braucht nicht immer der Dreiecks-Form des Saitenfeldes zu folgen oder sogar mit dem Dreiecksfeld deckungsgleich zu sein.

Oft ist dies der Fall, aber die Form der Instrumentendecke ist frei wählbar.

 

Es muss  unterschieden werden zwischen Korpusform und der Form der Decke.,

Oft überragt die Decke den Korpus. Das nachfolgende Bild zeigt ein Instrument, bei dem dies der Fall ist: eine in Russland sehr beliebte Form der  Flügel-Gusli mit geschweifter Deckenform.


Die Deckenform dieser krylovidnyje gusli  gleicht einem Rechteck, aber der Resonanzkasten auf der Unterseite besitzt Dreiecksform und folgt dem Saitenfeld.

Die finnisch/karelische Kantele dagegen hat auch auf der Deckenseite die Dreiecksform stets beibehalten (siehe Foto weiter unten).

Гусли. Russisches Psalterium. Eine beliebte russische Form des Psalteriums: die Flügel-Gusli. Auf der Unterseite verbirgt sich ein dreieckiger Resonanzkasten.
Kantele. Finnisches Psalterium. Eine Gusli mit schmaler Dreiecksform. Finnland. Karelien. Nord-Russland

Geometrisches Bild  und  Klangbild

Das flache dreieckige kastige Psalterium präsentiert nicht nur ein unverwechselbares geometrisches  Bild,  sondern erzeugt  auch ein ebenso unverwechselbares  Klangbild: den  "Dreiecks-Kasten-Klang", den typischen Zitherklang.

 

Die Klangfarbe eines dreieckigen Kastens  ganz anders geartet als z.B. der Klang eines gerundet-taillierten "Lemniskat-Kastens" , wie ihn Violine  und Gitarre besitzen oder der  Kastenklang  einer  rechteckigen Trogzither.

 

Der "Dreiecksklang" ist Teil der  russischen Musiktradition. Im 12.Jhd. hat dieser Klang in Nowgorod das russische Gehör geprägt, die Sinne betört und die Herzen erobert. Es war der Klang der Gusli, des russischen Psalteriums. Die Gusli wurde  d a s russische Nationalinstrument.

 

3.Die dreieckige Korpusform formt zugleich auch den Klang  (Psalterium)

Der Klang-Charakter des dreieckigen Psalteriums übte immer schon auf die Ohren der Zuhörer eine Faszination aus. Das Klangbild wurde als schön empfunden und als "dulce melos" beschrieben ("süßer Klang").

Die engliche Terminologie verwendet heute noch für das (geschlagene) Psalterium die Bezeichnung  " hammered  dulcimer ".

In Russland wurden wahre Lobeshymnen auf den Klang der Gusli  (so wurde das Psalterium dort genannt) angestimmt. Im 12. und im 19. Jhd. galt es als das russische Nationalinstrument. Auch heute wird es wieder immer häufiger gespielt. Das Gusli-Psalterium verzaubert(e)  alle  seine  Zuhörer.  Sein Klang mit dem langen "sustain" erinnert an Glocken und besonders an die in Russland sehr beliebte Art des Glockenspiels mit  handgesteuertem Spiel-Klöppel.

 

In der Dreieckskorpusform des Psalteriums ist sogar eine Glockenform erkennbar. Die  schlemovidnye  gusli, die   helmförmige Gusli  könnte ebenso als   glockenförmige  Gusli  bezeichnet werden.

Auch die Balalaika mit ihrem gusliförmigen Korpus stellt eine stilisierte Glocke dar:

Das Dreieck ist der Glockenkelch, der Hals der Glockengriff.

 

4.Der "Dreiecks-Klang" erfordert einen Dreiecks-Korpus  (Balalaika)

Die Balalaika ist ein Lauteninstrument mit ehemals ovalem oder rundem  Korpus. Sie ist  entstanden aus der persischen Tanbur, die anfangs aus einem Kürbis gefertigt war. Als die Balalaika aus Holz geschnitzt wurde, veränderte sich ihre Korpusform: sie wurde mehr und mehr zu einem Dreieck und damit von der Form und vom Klang her dem Psalterium ähnlicher.

Die Dreiecksform wurde nicht durch die Schnitztechnik bewirkt: diese war an anderen Vorbildern und Formen orientiert: Rechteckige Tröge, ovale Löffelform, trapezförmige Schaufelformen (lopata-Formen).

Vorbild für den Dreieckskorpus war das Psalterium.  Anknüpfend an die Schaufelform wurde das Trapez der Schaufel zum Dreieck des Psalteriums verbreitert.

Die Balalaika sollte so klingen wie das Psalterium, die Gusli.

 

Das Saitenfeld der Balalaika war für diese Umgestaltung nicht maßgebend. Seine Form ist ein langgestrecktes schmales Rechteck.

Die Dreiecksform der Balalaika ist nicht funktional, sondern tonal zu erklären. Die Tonalität des Psalterium war das Maß.

Die Balalaika wolllte nicht hinter dem "Dreiecks-Klang" des Psalteriums, der Gusli, zurückstehen, sondern diesen Klang erreichen und - ebenso wie das Psalterium -  einen  " dulce melos "  hervorbringen, mit dem das Psalterium die Ohren und Herzen seiner Zuhörer von jeher verzauberte.

 

Der "dulce melos-Klang" war in Russland eindeutig assoziiert mit der Gusli. Sie besaß einen flachen Korpus mit annähernder Dreiecksform.

Die kleinen Oval- oder Paddelformen der persisch/kaukasischen/asiatischen Lauten erwiesen sich  für das Hervorbringen dieses dulce melos als ungenügend.

Aber diese Langhalslauten waren beliebt, waren einfach zu bauen und  gut zu handhaben. Es mußte nur die ovale Form der persischen Tanbur der klangvertrauten Form der Dreieckszither "Gusli" angeglichen werden.



Der Klangkörper des Psalteriums

Das Psalterium ist ein Zither-Instrument, ein flacher Kasten, bestehend aus Deckbrett, Bodenbrett und umlaufender Zarge. Die Saitenzahl des Psalteriums beträgt 5 bis 36 (und mehr). Die Saiten sind über die Oberfläche des Kastens gespannt und verlaufen parallel zur Decke.

Zueinander verlaufen die Saiten entweder parallel oder sie streben strahlenförmig auseinander. Letzteres ist bei der Kantele der Fall.

 

Der Kasten kann verschiedene Umriß-Formen haben. Die Grundformen sind: Trapez,  Halbtrapez,  Flügelform,  Halbkreis, Dreieck.

 

Die Klangerzeugung

Die Saiten des Psalteriums werden

1. gezupft  ( mit Fingern, mit Plektrum )

2. mit Hämmern angeschlagen, so wie eine Glocke geschlagen wird

   ( so der persische Santur und das deutsche Hackbrett )

3. mit dem Bogen gestrichen  ( sog. Streichpsalter )

Das deutsche Wort  "Zither"

Das Wort Zither ist abgeleitet aus dem griechischen "kithara"= Brusthöhle.

Kantele. Eine Gusli mit schmaler Dreiecksform. Nordrussland und Karelo-Finnland.
Griechisch-deutsches Schulwörterbuch von Valentin Rost, 1823

Das griechische Wort "kithara" selber ist ein Lehnwort aus dem Chaldäischen.

 

Die Chaldäer regierten im 6. Jhd v.Chr. das Babylonische Reich. Sie waren nachweislich ein sehr musikliebendes Volk:  die Israeliten, die von ihnen nach Babylon deportiert worden waren, mußten ihnen ihre Lieder vorspielen und - singen. (Davon spricht der  Psalm 137 aus der Bibel. Der Text dieses Psalms ist durch seine Übersetzung ins Englische und seine Musikvertonung sehr bekannt geworden:

"By the waters of Babylon").

539 v. Chr.  wurde das chaldäische babylonische Reich vom Perserkönig Kyros II. erobert und wurde Teil des persischen Weltreiches.

Dieses wiederum wurde 331 v. Chr. (in der Schlacht bei Gaugamela) von Alexander

dem Großen erobert, der  das griechisch/persische Weltreich  begründete.

Abendland und Morgenland gingen eine Symbiose ein (Hellenismus). Das Alexanderreich markiert den Beginn der Globalisierung.  Das Griechische wurde Weltsprache und bestimmte die  Leitkultur. Die Leitkultur aber grenzte Fremdes nicht aus, sondern integrierte es: "Leitkultur" im Sinne von "Hineingeleiten" fremder Kulturen.

Die griechisch-makedonische  Kultur nahm viele Einflüsse der orientalischen Sprachen und orientalischer Kulturen in sich auf und  integrierte sie:

es entstand der Hellenismus.  Im Jahr 30.v.Chr. ging die hellenistische Epoche zu Ende: das römische Weltreich übernahm sein Erbe.

Das russische Psalterium :  die Gusli

 

In Russland trägt das Psalterium die Bezeichnung " Gusli". (Die Wortbedeutung wird unten erklärt.)  Die Gusli wird stets gezupft.

Das russische Ensemble für alte russische Musik "Rusichi" allerdings verwendet eine 5 saitige Gusli auch als Streichinstrument. (Siehe Youtube "Rusichi" Two falcons.) Es handelt sich hier um eine Abwandlung der finnischen Jouhikko, die aber zwei, drei oder höchstens vier Saiten besitzt. Rusiche hat zudem den Steg ihrer Jouhikko-Kantele als Crotta-Steg ausgeführt.

Die Formenvielfalt der Gusli ist die gleiche wie die beim Psalterium allgemein beschriebene. 

 

Die Gusli wird im Russischen auch mit folgenden Doppelnamen bezeichnet: 

 

"Гусли-псалтырь"  ( Gusli-psaltyrj ) ( Gusli-Psalter ), oder

"гусли-цитры"       ( Gusli-Zither ).

 

3.4. Der russische Name "Gusli" in verschiedenen Sprachen

 

Russisch:           Гусли  (das Wort ist eine Pluralform)

Ukrainisch:        Гуслі

Weißrussisch:    Гуслі

 

Die Gusli ist ein Psalterium. "Psalterium" ist ein griechisches Wort. Das Verbum,von dem es abgeleitet ist, lautet:  psallein = zupfen.

Das  Psalterium ist also  -  von der Wortbedeutung her  -  ein Zupfinstrument.

Vom griechischen Wort "Psalterium" abgeleitet sind folgende andere Namen für das Instrument:

 

Bulgarisch:        Псалтира (Psaltira)

Serbisch:           Псалтира (Psaltira)

Makedonisch:    Псалтира (Psaltir)

Polnisch:           Psałterion

Tschechisch:     Žaltář

Slovakisch:        Žaltár

Kroatisch:          Psaltira

Persisch:           Santur, Santoor

Deutsch:            Psalter,

                          Zither (bezeugt seit dem 14. Jhd.)

Italienisch:        Salterio

Spanisch:           Salterio

Portugiesisch:    Salterio

Englisch:            Psaltery

 

 

Der persische Santur 

nimmt in der obigen Auflistung eine besondere Stellung ein:

1. Er ist das älteste bezeugte Psalterium

2. Er ist kein Zupfinstrument, sondern seine Saiten werden angeschlagen: mit 

    Schlägeln, Klöppeln oder Hämmern.

 

Das Wort  "Psalterium" hat also einen Bedeutungswandel erfahren: es bezeichnet nicht mehr allein die Art der Tonerzeugung (psallein=zupfen), sondern ein kastiges Saiteninstrument in Trapezform, auch wenn seine Saiten nicht gezupft werden.

 

Andere trapezförmige Psalterien,

deren Saiten ebenfalls "gehämmert" werden, sind:

 

Hackbrett                  (deutsch)

Zimbalon 

doulcemer                 (französisch)

hammered dulcimer  (englisch)

Цимба́лы                   (russisch  )

 

In  E u r o p a   ist das Psalterium seit  dem  9. Jhd. nachgewiesen. Der Weg, auf dem es nach Europa kam, ist nicht eindeutig geklärt.

Wohl durch die Araber kam es nach Spanien und gelangte von dort weiter nach Osten und Norden. Die Araber wiederum haben das Psalterium sehr wahrscheinlich von den Persern übernommen. Dort war es zur Zeit der Sassaniden (224 -642) als trapezförmiges Kasteninstrument bekannt unter dem griechisch beeinflussten Namen Santur (abgeleitet von "Psalter"). Der Santur war bei den Persern ein sehr verbreitetes und beliebtes Instrument. Es ähnelt sehr stark unserem heutigen Hackbrett. Der persische Santur wurde aber nicht gezupft, sondern die Saiten wurden mit Hämmern geschlagen.

Im 7. Jhd verlor Persien im Zuge der von den Arabern betriebenen Islamischen Expansion seine Unabhängigkeit.

 

Persien  -  Das  Land  von  Laute  und  Psalterium

Persien ist also das Land, in dem die beiden Instrumentenarten, aus denen die heutige Balalaika entstanden ist, zu Hause waren:  LAUTE  und  PSALTERIUM.

Jedoch ist anzumerken, daß sowohl Laute als auch Psalterium nicht "leibliche" Kinder Persiens sind, sondern "adoptierte Kinder", denen die Liebe Persiens dennoch in großem Maße galt.

Die genaue Herkunft Von Santur und Tanbur zu ergründen bemüht sich die Wissenschaft seit langem. Viele interessante Quellen und archäologische Funde werden bestimmt noch erschlossen werden. Folgende Meinungen sind heute zu hören:

Die Santur, die in Persien sehr verbreitet war, stammt von den Sumerern, der ersten greifbaren Zivilisation der Menschheit.

Ebenfalls stammt die Tanbur aus der sumerischen Kultur. In Ägypten ist die Tanbur seit dem 15. Jhd. v. Chr. nachgewiesen. Höchstwahrscheinlich wurde sie von den Hyksos, die im 17. Jhd. v. Chr. für 100 Jahre in Ägypten herrschten, nach Ägypten gebracht. Die Hyksos wiederum stammten aus Kleinasien und dem östlichen Mittelmeergebiet.

 

Das Psalterium in der mittelalterlichen Buchmalerei

In zahlreichen Buchmalerei-Darstellungen des Mittelalters werden Menschen und Engel mit dem Psalterium abgebildet, oft erscheint es sogar als Musikinstrument des biblischen Königs David.

 

Die Bauformen des Psalteriums

 

Das Psalterium ist eine Zither, die in  verschiedenen  Bauarten und Bauformen existiert. Hauptformen sind:

 

die Brettzither

die Trogzither

die Kastenzither

die Rahmenzither

 

Die Hornbostel-Sachs-Systematik verwendet  "Zither" als Sammelbegriff für viele weitere Instrumente. ("Einfache Chordophone") Außer den oben genannten werden noch folgende andere Zither-Instrumente aufgeführt:

 

Das Klavier ist eine gehämmerte Zither

Stabzither 311), Röhrenzither (312), Flosszither (313), Schalenzither (315). Zur Kastenzither (314) gehören die eigentliche Zither, das Hackbrett und das Klavier.

Die Grundform des Psalteriums ist ein Dreieck ( gleichseitig, gleichschenklig  oder rechtwinklig ), bzw. ein Trapez (symmetrisches Trapez oder Halbtrapez), als eine seltene historische Form ist auch das Rechteck bezeugt. Hier werden die unterschiedlich hohen Töne nicht durch die Saitenlänge, sondern durch die unterschiedliche Saitenspannung erzeugt.

 

Das nachfolgende Bild zeigt eine sehr beliebte und heute weit verbreitete Gusli:

Die  detskije gusli (Kinder-Gusli) "Perepjolotschka", die eine symmetrische Trapezform besitzt.

Diese hier ist sogar künstlerisch bemalt ("detskije gusli raspisnye"). Die einfache, unbemalte Ausführung findet man oft bei Ebay angeboten (vielfach als "Zimbalon"). Genau genommenist aber ein Zimbalon eine gehämmerte Zither, ein Hackbrett. Die Detskije gusli aber wird gezupft.

Trapezförmige Gusli (fälschlich "Harfe" oder "Zimbalon" genannt) Ein Psalterium.

Die russische Gusli

ist keine Harfe und kein Zimbalon

 

Das Psalterium in der Form einer Brett- oder Kastenzither wird oft fälschlicher- weise als "Tischharfe" bezeichnet, so auch die oben gezeigte Gusli.  Eine Harfe ist aber ein gänzlich anderes Instrument. Bei der Harfe streben die Saiten vom Resonanzkörper weg, bei der Zither laufen sie dicht über dem Resonanzkörper, parallel zu ihm.



Das oben abgebildete Psalterium (eine Kinder-Gusli) wird im Handel (auch bei Ebay) oft auch als "Zimbalon" angeboten ( russisch  Цимба́лы ).

Ein "Cimbalon" (cymbal) hat zwar die gleiche Trapezform, wird aber gänzlich anders gespielt. Das Zimbalon ist ein Hackbrett, dessen Saiten gehämmert bzw. geschlagen werden. Das Schlagen geschieht mit Handklöppeln wie bei einer Glocke. Das griechische Wort "kymbe" bedeutet "Topf, Becken, topfförmige Glocke". Mit "Kymbalon" wird ein Instrument bezeichnet, das aus zwei hellklingenden Metallbecken besteht, die aneinander geschlagen werden.

 

Aus dem Saiteninstrument Cymbalon (dem Hackbrett) hat sich das Cembalo entwickelt. Das Cembalo, eigentlich "Clavicembalo" ist ein Tastenpsalterium, bei dem die Saiten aber nicht mit Klöppeln oder (wie beim Klavier) mit Hämmern angeschlagen werden, sondern mittels einer Zupfmechanik mit Kielen (z.B. Federkielen) angerissen werden.

Zimbalon:   Trapezform. Saiten werden mit Hammerklöppeln geschlagen

Cembalo:    Trapezform. Saiten werden gezupft

Kymbalon:  2 runde Metallteller werden aneinander geschlagen

 





Gusli und Gusla:

Nicht miteinander verwechseln !



Die Gusla. Streichinstrument mit nur 1 Saite. Только одна струна из конского волоса. Korpusdecke: Tierhaut, angenagelt

Die Gusli ist ein mehrsaitiges Zupfinstrument, eine Zither, deren Saiten mit den Fingern oder mit einem Plektrum angeschlagen werden.

Die Gusla ist ein 1-saitiges Streichinstrument. Sie ist eine Halslaute, eine Fidel, deren Saite mit einem Bogen aus Roßhaar gestrichen wird.

Das  Wort  "gusli"  ist  im Russischen eine  Pluralform und bezeichnet ein Instrument mit  vielen  Saiten. (Gusli = "mehrere Stimmen"). Zur gleichen Wortfamilie gehören auch:

glas = die Stimme, und auch: golos = die Stimme.

Die Gusla findet man  hauptsächlich in Bulgarien und Montenegro, in Russland ist sie ungebräuchlich.

Bei Ebay-Versteigerungen wird die osteuropäische Gusla regelmäßig irreführend als "afrikanisches" exotisches Musikinstrument angeboten.

 

Die Worte "gusla" und "gusli" sind abgeleitet vom Verbum gudetj = tönen, brummen, summen.

Das bulgarische Wort guscha bedeutet "Kehle, Hals".

(Vgl. die deutsche Redensart "Halt die Gusche!" =  "Sei still")

 

Eine Gusla wird gerne von Bulgarien-Touristen als beliebtes Souvenir mitgebracht: ein aus einem Stück massiven Holzes gearbeitetes Instrument, eine Langhals-Laute.  Der  Korpus, der wie eine große Holzkelle aussieht, ist mit zahlreichen kunstvollen Schnitzereien versehen. Die Höhlung des Korpus ist  mit  Ziegenhaut  bespannt. Ein besonderes Merkmal der Gusla ist der geschnitzte Pferdekopf (oder gehörnter Widder- oder Ziegenkopf) am oberen Halsende.