Gudok (Rebec)

4.5    B  A  L  A  L  A  I  K  A    &    G  U  D  O  K

 

In dem bekannten russischen Volkslied "Wo polje berjosynka stojala" werden Balalaika und Gudok in unmittelbaren Zusamenhang miteinander gebracht:

beide sind aus gleichenm Holz geschnitzt.

 

Das  Birken-Instrument  GUDOK  im  russischen Volkslied 

"Wo polje berjosynka stojala . . ."

Die Reihenfolge des Instrumentenbaus in dem genannten russischen Volkslied ist folgende:


1. GUDOK   ("tri gudotschka")  

2. BALALAIKA


Das  bekannte russische Volkslied  " Wo  polje  berjosynka  stojala "  ( "Auf dem Feld stand eine Birke" ) wurde bereits im Kapitel "BALALAIKA  UND  BIRKE" erwähnt, zitiert und ausführlich besprochen.

Das Lied stammt aus  dem Dorf  Nikolsk, KreisTichwin und  ist eines der bekanntesten russischen Volkslieder.

Über das Alter dieses Liedes und seines Textes gibt es keine genauen Angaben. Tichwin gehörte als Ujesd seit  1773  zum Gouvernement Nowgorod (Weliki Nowgorod), heute Leningradskaja Oblastj.

In  der  Stadt  Tichwin  wurde  1844  der  Komponist  und  Volksliedsammler  Nikolai  Rimski-Korsakow  geboren, der dieses  Lied als  Lied  Nr. 39  in seine  Sammlung  alter  russischer Volkslieder  ( "100 russ. Volklieder" ) aufgenommen hat.

 

In dem Lied wird  folgendes erzählt:

 

Eine junge Frau geht in den Wald, um dort eine Birke zu fällen. Aus dem Holz der Birke fertigt sie 4 Musikinstrumente:

Drei  Gudok  ( tri gudotschka ) und  eine  Balalaika. Diese Instrumente will sie spielen, um damit ihrem Liebsten eine Freude zu machen.

 

Gudok und Balalaika wurden auf gleiche Art gefertigt: sie wurden aus dem Holz der Birke herausgehauen, so wie Michelangelo seinen David aus dem Marmorblock aus  e i n e m  Stück heraushieb.

Links Gudok - Mitte Birke - Rechts Balalaika

Die beiden Instrumente, Godok und Balalaika, müssen sehr schmal gewesen sein und einen sehr kleinen Korpus besessen haben. Der Gudok wurde, wie es in dem Lied heißt, aus einem  prut  (wörtlich "prutotschek") der Birke geschnitzt, die Balalaika ebenfalls aus einem Ast oder dem Stamm der Birke.

Ähnliche Instrumente werden auch heute gebaut: vgl. strumstick (stick = Stock)

Die Verwendung des Diminutiv "prutotschka" drückt - wie oft im russischen Diminutiv - nicht die geringe Größe eines Gegenstandes aus, sondern die liebevolle Absicht, die mit dem Gegenstand verbunden ist oder die herzliche Verbundenheit.

 

"Prut" bedeutet "Zweig" oder "dünner Ast".

Eine interessante Wortverbindung:

Im Russischen bedeutet "prutovaya ryba" ein an der Luft getrockneter Fisch. Das kann bedeuten: ein Stockfisch: ein an Stöcken (Zweigen, Ästen) zum Trocknen aufgehängter  Fisch, kann  aber  auch  auf  die  F o r m  des  Fisches  hinweisen:  ein Fisch, der einem Stock gleicht, hart und schmal.

Die Form eines Fisches ist in dem abgebildeten Gudok unschwer erkennbar.



Der Name " Gudok "

Gudok. Rekonstruierte altrussische Form. Andere Namen: Rebec, Gadulka, Lyra, Gyge, Geige, Gigot (= Schinken). Auch die Form des Flaschenkürbisses ist zu erkennen.

2.2.8.2. "Gudok" bezeichnet alles, was brummt, summt und tönt:

Geige, Flöte, ...


Das russische Verbum "gudetj" bedeutet allgemein "summen, brummen", also einen Bordun-Ton. Dieser kann sowohl von einer Flöte als auch von einer Geige hervorgebracht werden. Das entsprechende Begriff im Deutschen lautet "Hummel",

der aus dem Französischen abgeleitete Begriff lautet "Bordun".

Frz. "bourdon" = bordun = (das Insekt) Hummel.

Das englische Wort lautet "drone". Die Bordunpfeife des schottischen Dudelsacks, die den langen Halteton erzeugt, wird so genannt (Tenor Drone, Bass Drone).

 

Das Musikinstrument   H u m m e l  

Wenn in alten schriftlichen Quellen von einem Musikinstrument "Hummel" die Rede ist, kann ein zweifaches gemeint sein. Mit "Hummel" kann sowohl bezeichnet sein

1. eine  Sackpfeife mit Dauerton-Pfeifen

2. ein Saiteninstrument mit Dauerton-Saiten. Genauer:

   das Scheitholt, eine Zither (Psalterium) in länglicher Form.

 

(Ich empfehle zur weiteren Information über die Hummel und deren Namensverwirrung die sehr interessante Website von Wilfried Ulrich,

Die Hummel)    www.ulrich-instrumente.de

 

Niedriger  Saitensteg des Gudok

 

Die Abbildung zeigt einen Gudok mit sehr niedrigem und wenig gekrümmtem Saitensteg. Erklärung:

Es wurden mit dem Sreichbogen alle drei Daiten gemeinsam und gleichzeitig gestrichen. Gegriffen aber wurde nur die eine Melodiesaite.

Für gezieltes Streichen einzelner Saiten muss der Steg eine bogige Form haben und erhöht werden.

Rebec nach Michael Praetorius Bildnachweis: wikipedia

          Der Gudok  -  eine  Geige

           . . .    oder  eine  Flöte ?

 

Bei der Übersetzung des Liedtextes gibt es eine Unsicherheit. "Gudok" kann mehrere  Bedeutungen haben.

Man muß  sich entscheiden:

Ist der im Lied  genannte Gudok mit  " G e i g e " zu übersetzen  oder mit " F l ö t e " ?  Denn Gudok bezeichnet beides. Darüber hinaus gibt es noch mehr Bedeutungen ( z.B.  einen  Sirenenton  oder auch ein gewisses Brummgeräusch, das der menschliche Körper selber im Unterleib hervorbringen kann).

"Gudok" ist jedenfalls ein alter terminus technicus für "Smyk", also für ein Streichinstrument.

(Im heutigen Russisch aber dominiert die Bedeutung "Blasinstrument".)

 

Im Fall des Gudok im alten Volkslied "Die Birke" schließe ich mich  ( obwohl ich mir letztlich nicht sicher  bin )  der  Übersetzung  "Geige" im  "Russischen  Liederbuch"  1963 ( Hrsg. von Prof Dr. Wolfgang Steinitz, Volk und Wissen Verlag Berlin) an. Dieses Buch gehörte zu den Lehrbücherm im Russisch-Unterricht an den Schulen der DDR. Prof. Steinitz hat eine erste Übersetzung des Liedtextes revidiert.

 

Russisches Liederbuch an DDR-Schulen. Links: Auflage von 1951. Rechts: Auflage von 1953. Übersetzung von 1951: "gudok" = Flöte. 1953: "gudok" = Geige (revidierte Übersetzung)

Übersetzung von 1951:  Gudok  =  Flöte

In der 1. Auflage dieses Liederbuches von 1951 hat W. Steinitz das Instrument  "Gudok"  mit  "Flöte"  übersetzt und so erklärt.

( Fußnote zum Lied  " Wo polje  berjosynjka stajala ... " , Seite 63 )

 

Übersetzung von 1953:  Gudok  =  Geige

In der Auflage von 1963 hat er sich revidiert und "Gudok" erklärt als "dreisaitige Geige" ( Fußnote auf S.85 ).  Wer wagt es , der Autorität des  berühmten Steinitz (+1967) und seiner Letztentscheidung zu widersprechen !?

Die Gudok-Geige  ist mindestens seit dem Jahr 1000 in ganz Europa und im asiatischen Kulturraum in fast identischer Form überall verbreitet gewesen: unter dem arabischen Namen  Rebec ( so bei Michael Praetorius)  und vielen anderen Bezeichnungen.



               Ein Gudok ( russische Geige ) :

           Archäologischer  Fund  in  Nowgorod

Gudok. Typ: Rebec nach dem Vorbild der historischen Nowgorod-Lira des 12. Jhds.

 

Die älteste in Russland gefundene Gudok-Geige stammt aus Nowgorod.

Nowgorod war die bedeutendste europäische Handelsstadt des Ostens. Man nannte sie Gospodin Nowgorod weliki. Im Jahr 859 wurde sie zum erstenmal urkundlich erwähnt. Nowgorod, das seit dem 12. Jhd. eine Stadt der Hanse war, unterhielt enge Handelsverbindungen mit wichtigen europäischen Handelsstädten wie Lübeck und Brügge.

Nowgorod hatte 8 Marktplätze, die berühmt waren. Alles gab es da zu kaufen. Zu den Handelsgütern gehörten gewiß auch die zu dieser Zeit bekannten und verbreiteten Musikinstrumente wie: Psalterium (russ. Gusli), Geige (russ. Gudok) und Laute (russ. Balalaika).

 

Die Geige, also der Gudok wird - wie alle Musikinstrumente - nicht nur in  einer einzigen einheitlichen, sondern  in  vielen verschiedenen Formen im Handel auf den russischen Märkten erhältlich gewesen sein:

nicht nur in der Ausführung kurz und rundlich, sondern auch in der Bauart lang und schmal.

Das archäologische Fundstück aus Nowgorod belegt die kleine rundliche Form.

Das Lied "Wo polje" aus dem Nowgoroder Gebiet läßt wohl mehr eine längliche schmale Form vermuten, wie ein Baum-Ast sie vorgibt.

 

Eine Balalaika aus dem 12.Jhd. wurde in Nowgorod (noch) nicht gefunden.

Die  auf dem nachfolgenden Foto gezeigte neuzeitliche "Balalaika" läßt einen Eindruck entstehen, wie eine damalige Balalaika ausgesehen haben könnte, wenn sie wie der Gudok  aus einem einzigen Holzstück herausgeschnitzt wurde ("wydolbljonaja balalaika"). Wenn sie aber als zweiteilige Spießlaute gefertigt worden ist, würde sie mehr der alten persischen Tanbur geglichen haben.

 

Zum Bild:

Wie die  historische russische Dolbljonaja-Balalaika hat der Nachbau  Löffelform bzw. Schaufelform ("Lopata)". Beide historische Varianten (ovale Löffelforn und dreieckige Schaufel/Paddelform) sind in der Korpusform dieses Instrumentes angedeutet.

Die Mensur beträgt 43,3 cm = 17 Zoll ( =inches ) : das entspricht fast der historischen Andrejew-Mensur von 9 6/8 Werschok  (= 43,89 cm).

Das Foto zeigt die Unterseite der Balalaika, die übrigens im Handel für ca. 100 Euro erhältlich ist.  Die Sicht auf die  Unterseite  läßt am besten erkennen, dass das Instrument wirklich aus einem einzigen Stück Holz herausgeschält ist.

Dieser moderne Nachbau besitzt eine Wirbelmechanik. Die alte Balalaika hatte Steckwirbel, vermutlich in einem wirbelbrettlosen Instrumentenhals: so wie heute noch bei der persischen Tanbur und der türkischen Baglama (siehe Bildleiste links).

Neuzeitlicher Nachbau einer Dolbljonaja Balalaika (dolbljonaja = aus einem einzigen Stück Holz herausgeschält ), wie sie früher ausgesehen haben könnte, jedoch ohne Griffbrett. Die Wirbel waren wie bei der Baglama direkt in den Hals eingesteckt.

 

Gudok  und  Smyk  ( Гудок  и  Смык )

 

Smytschok  =  der Streichbogen.

Der Gudok begegnet bisweilen auch auch unter dem Namen SMYK.

Die Herleitung dieses Wortes ist einfach. Der Gudok ist in Zupfinstrument,

auf Russisch: smytschkowy instrument  ( смычковый инструмент ).

Smytschok bedeutet der Streichbogen.

 

Zu Grunde liegt das Verbum "smykatj"

smykatj  ( smyknutj )  =  rupfen, reißen, melken.

Diese Bedeutung deutet zwar auf ein Zupfinstrument hin, bei dem die Saiten mit dem Finger "gerupft" und angerissen werden, aber gemeint ist das schnelle Anreißen (Anrupfen) der Saiten durch die Sägezahnstruktur der Tierhaare des Streichbogens ("Stick-Slip-Effekt").

Smyk bedeutet deshalb ganz allgemein ein Saiteninstrument, das mit einem Bogen gespielt wird, also ein "Streichinstrument".

 

Die historische Gudok-Spieltechnik:

Der  Bogen  streicht  über  alle 3 Saiten  gleichzeitig

 

Der historische Gudok ist sehr wahrscheinlich aus dem persischen "Barbat" hervorgegangen, dessen Korpus die Form einer Keule ("Hammelkeule") hatte.

(siehe die schwarz/weiß-Skizze unten). Wie aus der Skizze ersichtlich ist, war

der Barbat kein Streich- sondern ein Zupfinstrument. Aus dem Zupfinstrument "Barbat" ist das russische Streichinstrument "Gudok" geworden. Die chinesische "PIPA" aber ist bis heute ein Zupfinstrument geblieben unter Beibehaltung der alten Barbat-Korpusform.

Überhaupt ist die Grenze zwischen Zupf- und Streichinstrument oft fließend:

Viele Instrumente wurden sowohl gezupft als auch mit dem Bogen gestrichen.

Wenn ein Zupfinstrument dauerhaft als Streichinstrument benutzt wird, wird aus spieltechnischen  Gründen der flache Saitensteg gegen einen hohen Steg umgetauscht. Der Geigenbogen hat jetzt eine größere Bewegungsfreiheit.

Und noch eine zweite Veränderung wird am Steg vorgenommen: der Steg erhält an seiner Oberseite eine Krümmung.

 

Zupfinstrumenten haben meist einen geraden Saitensteg: die Saiten verlaufen

auf  e i n e r   Ebene.  Wenn ein solches 3-saitiges Zupfinstrument mit dem Bogen gestrichen wird, können nur die erste und dritte Saite solo gespielt werden. Die mittlere Saite kann nicht  einzeln  mit dem Bogen gespielt werden: Es klingen immer die beiden anderen Saiten mit.

Um das Einzelspiel auf der mittleren Saite zu ermöglichen. wird folgende Veränderung vorgenommen:

Der Steg wird gerundet, damit der Streichbogen  gezielt jede einzelne der drei Saiten tangieren kann.

 

Bei vielen Spielarten aber werden absichtlich alle drei Saiten  gleichzeitig  mit

dem Bogen gestrichen. Gegriffen (bzw. tangiert) wird nur die eine Melodiesaite. Die anderen beiden Saiten klingen als Bordune mit.

 

Diese Gudok-Spielart hatte auch die alte Balalaika: 

es wurden immer alle  drei Saiten gleichzeitig angeschlagen; gegriffen wurde nur die Melodiesaite. Die beiden anderen waren Bordune.

Gudok. Variante2: Saitenaufhängung an einem senkrecht stehenden Zapfen. Besonderheit: Der Steg ist nicht gerundet, denn alle Saiten wurden gleichzeitig gestrichen.

Der Gudok und seine Spielweise im 18. Jhd. :

Eine Beschreibung aus dem Jahre 1769

 

Jakob von Stählin , Professor an der St.Petersburger Akademie der Wissenschaften,  beschreibt in seinen 1769 herausgegebenen "Nachrichten von der Musik in Russland" eine Gudok.

Im Anschluss an das Kapitel über das Kuh-Horn schreibt er in § 13 auf S.66.

 

"In gleichem Grad bei dem Pöbel, und sonderlich bei den Matrosen, steht auch der Gudok, eine Art von Geigen von rauhem unangestrichnem Holz, nur etwas größer und von plumperer Figur als eine Violin, mit drei Saiten bespannt, und mit einem kurzen Fidelbogen zu spielen.

Die gemeinen Liebhaber dieses ziemlich schnarrenden Instruments, spielen es entweder sitzend auf den Knien, oder stehend an den Leib anhaltend, nie aber wie eine Violin an der Brust oder unter dem Kinn.

Da sie nichts als ihre sehr einfache allgemeine Melodie daruf spielen, so befingern sie auch selten mer als die erste Saite:

die übrigen zwo befährt der Fidelbogen nichts destoweniger immer fort, so daß sie wie auf einer Leier beständig mit schnarren, ihr Ton mag sich schicken oder nicht; genug es klingt in ihren Ohren lustig, ohne und mit dem Gesang, und so auch zum Tanz."

(In § 14 folgt das Kapitel über die Balalajka)

Neuzeitlicher Nachbau einer Rebec (Gudok). "Tenor-Rebec", 71 cm lang. Decke gewölbt ("Archtop").

Die nebenstehende Umrisszeichnung (aus wikipedie "barbat") nach einer im zentralasiatischen Khotan ausgegrabenen Terrakottafigur wird als möglicher Vorläufer der sassanidischen Kurzhalslaute barbaṭ  angesehen.

Das Reich von Khotan ( im heutigen Nordwesten von China) existierte vom 1. bis 10. Jhd.n.Chr.

Die  Abbildung des Gudok (oben) soll die Ähnlichkeit der Form von Barbat und Gudok deutlich machen. Noch einmal zur Erinnerung: Der Barbat wurde gezupft (wie auf der Skizze zu sehen ist), der Gudok wird mit dem Boden gestrichen.

 

Bildnachweis der Skizze der Terrakottafigur:

von Marc. Aurel. Stein (Encyclopædia Britannica, 11th ed., Vol. 22, p. 949) [Public domain].  http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ABritannica_Rebab_Pear-shaped_Rebab_from_Khotan.jpg

Post Sasanian era silver plate. 7th century. The British Museum. Photo by user Zereshk. (wikimedia commons)

Gezupfter  Barbat


Der nebenstehend abgebildete persische Silberteller aus dem 7. Jhd.n.Chr. (Nach-sassanidische Epoche) zeigt im rechten Teil einen Barbat-Spieler.

Die Form des Barbat gleicht der Form der ebenfalls kurzhalsigen Instrumente Rebec, Lira und Gudok.

Rebec, Lira und Gudok sind Streich- Instumente.

Der frühe persische Barbat wurde jedoch gezupft.

Man beachte die Spielhaltung des Instruments.

Gudok und Balalaika- zwei Instrumente aus einer Birke

Gadulka. Die bulgarische Gadulka entspricht dem russischen Gudok

2.6.5. Die Balalaika, aus Holz geschnitzt, hatte damals eine dem Godok vergleichbare Form. Beide hatten ja auch die gleiche Herkunft: ihre Ausgangsform war ein aus einem Stück Holz herausgeschälter "Holzlöffel".  Dennoch sind beide sehr unterschiedliche Instrumente.

Gudok ist ein Streichinstrument, Balalaika ist ein Zupfinstrument.


Der Gudok konnte aus 1 Stück geschnitzt werden: Hals und Korpus waren eins.

Bei der Balalaika musste ein separater Hals an den Korpus angesetzt werden.


Gudok -  kurzer Hals 

Der Gudok wurde mit der linken Hand gehalten, die zugleich auch - auf einem bundlosen Hals - die Saiten abgriff. Der Hals der Gudok mußte deshalb sehr kurz sein, damit die Griffe mit der linken Hand, die zugleich auch das Instrument hielt, möglich waren. Der Hals konnte sehr kurz sein, weil der Gudok 3 Saiten hatte und ein Tonwechsel von einer Saite zur anderen auf kurzem Wege möglich war.

 

Balalaika - langer Hals.

Die Balalaika hatte am Anfang nur 2 Saiten, wovon die eine nur eine mitklingende, nicht gegriffene Bordunsaite war.

Die Melodie wurde nur auf 1 Saite gespielt. Russische Lieder haben oft einen sehr großen Melodieumfang, der manchmal über 1 Oktave hinausgeht. Damit der gesamte Melodieumfang auf dieser 1 Saite gespielt werden konnte, mußte die Saite sehr lang sein. Das erforderte auch einen langen Hals.

 

Mehr Informationen über den Gudok:  2.2. Balalaika und Birke

"Altai-Balalaika" Topschur ( Топшур ), 78cm.Korpusform ähnlich wie Gudok, aber Langhals

 

Der Gudok in Europa und Asien

Die fischförmige oder bootsförmige Gusli-Geige ist in fast alter historischer Form in vielen Ländern lebendig.  Sie wird auch heute noch gebaut, sie wird in der Volksmusik vieler Länder (nicht nur zur Tanzbegleitung) gespielt.

Das russische Ensemble "Rusichi" z.B. baut ihre Streichinstrumente Gudok und Jouhikko (gestrichene Gusli) selber und setzt sie als dominante Instrumente in ihrer Musik ein. Russische Volksmusik  o h n e  Balalaika.  Unbedingt anhören:

 

Ансамбль Русичи » РУСИЧИ — Два сокола

 

Der Godok braucht nicht selbst gebaut zu werden.  Dieses  Rebec-Instrument ist unter verschiedenen Namen und vielen Formvarianten in Musikalienhandlungen im Angebot. Häufig kann es in den Touristenshops (in Bulgarien, Montenegro, Kreta, Italien, u.v.a.)  käuflich erworben werden. 

Die Formen variieren je nach Herkunft und Region. Die Wirbel stecken entweder direkt seitlich im Hals, sind oberständig in einem meist dreieckigen Wirbelbrett untergebracht oder seitenständig in einem Wirbelkasten mit Schnecke.

Hier eine kurze Liste der verschiedenen Bezeichnungen der Rebec:

 

Die Rebec

 

Die Rebec wird heute meist als Streichinstrument gespielt. Ursprünglich war sie wohl ein Zupfinstrument (Zupflaute).

 

1. Die Rebec als Streichinstrument:

Rebec          (Arabische Bezeichnung, von Michael Prätorius verwendet)

Gudok         (Russland)

Gadulka      (Bulgarien)

Kylkubys     (Russ. Republik Baschkortostan) (древне-башкирский Кыл-кубыз)

Lyra            (Kreta)  (Kretische lyra) ( gr. λύρα )

Lira             (Kalabrien)   ( lira calabrese)

Rabögli        (Schweiz)

Rabeca        (Brasilien)

Hegedu        (Ungarn)

Kamanga     (Arabien) (von altpersisch: kamanca = mit einem Bogen (gespielt)

Kementzes   (Griechenland)

Kemenche    (Türkei)

Gigot           (Frankreich) (vgl. irish " Jig", Tanz  zur  Geige, "Gig" Aufführung)

Gyge           (Deutschland)

clein geigen (Deutschland)  im Unterschied zur  "Gross geigen" = Fidel

Quanbus      (Jemen)

Khushtar    (China. Die Uiguren spielen die 4-saitige Geige "Khushtar".

                  Tar = Saite, Khush = der Vogel. Der Wirbelkasten ist mit einem

                  geschnitzten Vogel geschnückt)

 

2. Die Rebec als Zupfinstrument:

Barbat          (Persien)

Pipa             (China)

Hasap         (Sumatra) ( Siehe nachfolgendes Bild )

Die Hasapi: Indonesische gezupfte Rebec

Hasapi, Sumatra, gezupfte Rebec (wikimedia commons)

 

Der Kylkubys: baschkirischer Gudok

 

(башкирский Кылкубыз) (Кыл-кубыз)

 

Die Baschkiren sind eine turksprachige Ethnie im südlichen Uralgebirge. Sie leben überwiegend in der russischen Republik Baschkortostan (Hauptstadt Ufa). Der südliche Nachbar ist Kasachstan.

Bei den Baschkiren ist das Spiel auf dem Gudok (Rebec) sehr verbreitet. Der aus einem Stück Holz herausgeschnitzte Gudok  heißt dort "Kylkubys" und ist wie der russische Gudok ein Streichinstrument. Bei den Baschkiren sind verschiedene Formen des Kylkubys in Gebrauch. Eine historische Form wurde von dem bekannten Musikinstrumentenforscher W. Schugajupow rekonstruiert.

Die Skizze zeigt eine solche alte rekonstruierte historische Form des baschkirischen Kylkubys. Seine Form gleicht den bekannten Rebec-Formen, die auch in  Russland und in vielen anderen Ländern verbreitet sind: Kretische Lira, bularische Gadulka, brasilianische Rabeca, ... , jedoch mit einem Unterschied:

der  holzgeschnitzte Korpus des historischen Kylkubys ist  mit Tierhaut bespannt (Haut von Ziegen, Schaf, Kamel, Schwein). Die Bespannung aber bedeckt nicht die gesamte Öffnung des Korpus,  sondern nur den hinteren Teil.

 


Baschkirischer Kylkubys, histor. Bauform. (древне-башкирский Кылкубыз), rekonstruiert. Der rechte Bereich des Korpus ist mit Tierhaut (Ziege,Kamel,Schaf) bespannt, der linke Teil zum Griffbrett hin ist eine offene Schale.

Persischer Barbat  und  Gudok

 

Die Form des Streichinstrumentes Gudok und der Rebec allgemein geht zurück  auf den  alten  persischen  Barbat, der  allerdings  ein Zupfinstrument war.

Der Barbat ( "Mutter der Kurzhalslauten" ) hatte eine sehr kompakte Form und war aus  e i n e m  Stück Holz  geschnitzt. 

Die heutige chinesische  Pipa , ein großes Zupfinstrument, das ebenfalls aus einem Stück gearbeitet ist, steht in der Tradition des persischen Barbat.

Kasachische Kobys (Briefmarke)wikimedia commons "Кобыз"

Der kylkubys hat - wie viele holzgeschnitzte Instrumente - Löffelform bzw. Schöpfkellenform (ковшеобразный ). Die konkav ausgeschälte Öffnung bleibt auf ca. 2 Drittel der Länge (vom Griffbrett aus gerechnet) unbedeckt. Nur das letzte Drittel ist mit Tierhaut bespannt. Auf dieser Membran (wie beim Banjo) sitzt der Saitensteg, über den die drei Saiten des Instruments laufen.

Die kasachische Kobys

Die heutige Form des Kubys ähnelt der Form des kasachischen Kobys (Кобыз).

Die nebenstehend abgebildete kasachusche Briefmarke zeigt dieses Instrument.

Der kasachische Kobys hat nur 2 Saiten.

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3b/Kobyz.png

 

 

Bild- und Informationsquellen:

N. Starostin. http://borgo.ucoz.ru/publ/drevne_bashkirskij_kyl_kubyz_kak_varietet_smychkovykh_instrumentov_raznykh_stran/1-1-0-18

Auch: http://ru.wikipedia.org/wiki/Шугаюпов,_Вакиль_Шакирович


Gusli:

Die finnische Jouhikko

Vom  Zupfinstrument  zum  Streichinstrument

Jouhikko, fünfsaitig. Eine von vielen Bauformen. Die Saitenauflage des Steges ist gerundet. Verwendet (mit Crotta-Steg) vom Ensemble "Rusichi", entwickelt aus einer Zupf-Kantele.

Daß ein Zupfinstrument zu einem Streichinstrument wird (und umgekehrt), ist eine Erscheinung, die sehr häufig vorkommt.

Bei der finnischen Jouhikko ist dies so geschehen.

Die  Jouhikko-Kantele ist ein  finnisch/karelisches Saiteninstrument, das ebenso bekannt wie das finnische/karelische Zupfinstrument Kantele. Die traditionelle Jouhikko wird aus Birkenholz geschnitztwie früher die Balalaika.

Weil die Jouhikko ein Streichinstrument ist, wird sie auch bezeichnet als "карельская скрипка" (karelische Geige). Weil sie ein "Spielfenster" besitzt, das ihr ein Lyra-ähnliches Aussehen verleiht  (der Teil des Deckbrettes, der die Wirbel trägt, erscheint wie das Querjoch einer Lyra) , heißt sie auch "карельская лира" (karelische Lira).

Die Form der Jouhikko ist dieselbe wie die der russischen "Liraförmigen gusli krylovidnyje", die ebenfalls ein Spielfenster" besitzt.

"Spielfenster" bedeutet: Eine fensterartige Öffnung in der Instrumentendecke, und zwar in dem Teil, der weit über den Resonanzraum, den Trog-Korpus, hinausreicht.

Diese ausgesägte Öffnung dient als  Durchgriff  für die Spielfinger der linken Hand, die  v o n   u n t e n  durch das Fenster hindurch die Saite(n) angreifen.

Die Finger wirken als Tangenten (wie die Tangentenfähnchen der Drehleier), die die Spielsaite(n) der Jouhikko berühren und damit verkürzen.

Die Jouhikko ähnelt der russischen Gusli sehr. Der niedige Saitensteg der Gusli ist jedoch erhöht und gerundet, damit der Streichbogen besser auf die einzelnen Saiten zugreifen kann.

"Jouhi" heißt auf finnisch "Pferdehaar". Gemeint ist das Pferdehaar des Streichbogens.

Die Saitenzahl der Jouhikko beträgt 2, 3, oder 4. Sehr selten ist die 5-saitige Jouhikko.

Das Musikensemble für alte russische Musik, "RUSICHI", benutzt eine solche fünfsaitige, die von der fünfsaitigen Kantele abgeleitet ist.

Siehe nachfolgende Skizze:

Jouhikko1. Ein "Bein"des Saitenstegs steht auf dem Instrumentenboden: "Crotta-Steg". Korpus: Schiffsform
Jouhikko2 mit erkennbarer eckiger Holztrogform. Besonderheit: der asymmetrische Crotta-Steg