1.4. DOKUMENTATIONEN IN BILD UND TEXT
Die Andrejew-Balalaika ( seit 1884 )
und historische Balalaikaformen vor Andrejew.
("The pre-Andreyev period")
Die Balalaika, wie wir sie heute kennen (als 3-saitiges Zupfinstrument mit breitem dreieckigem Korpus), ist die
von Wassili Andrejew 1883 modifizierte Balalaika.
Das 1. Modell dieser "Andrejew-Balalaika" wurde 1884 in Bezetsk in einer Tischler-Werkstatt angefertigt.
Diese Bezetsker Balalaika baut auf d e m Instrument auf, das Wassili Andrejew 1883 auf dem elterlichen Gut in Marjino (im Gouvernement Twer) kennenlernte, studierte, weiterentwickelte und weltweit bekannt machte
(z.B. Weltausstellung in Paris).
Andrejew gilt als "Vater" der modernen Balalaika", obwohl er erst 23 Jahre alt war, als er die ersten Veränderungen an dem Instrument vornahm. Er verbesserte das alte russische Volksinstrument dahingehend, daß er (- um es auf eine poetische Art auszudrücken - ) durch bauliche Modifikationen die der Balalaika innewohnende "Klangseele" strahlender aufleuchten ließ.
Sein Ziel war primär die Maximierung des Klanges, nicht die Veränderung der Form.
In der "Klangseele" der dreieckigen Balalaika schwingt der Dulce-melos-Klang der Gusli mit. Der Klang der Gusli, der alten russischen Kastenzither, wurde von den Russen über alles geliebt. Im 12. Jhd. gab es in Nowgorod berühmte Guslispieler. Die Gusli war das russische Nationalinstrument. Andrejew machte die Balalaika gusli-ähnlicher in Klang und Form.
Die Gusli ist eine Kastenzither in Flügelform (krylo). Besonders die breit-dreieckige Form (gusli schlemovidnye) hatte einen sehr voluminösen Klang und war in Russland außerordentlich beliebt. Andrejew trug dazu bei, daß die schmal-dreiecksflüglige Balalaika ihre Flügel wie ein Schmetterling ausbreitete, gusliähnlicher wurde und so zu ihrer vollkommenen Endgestalt gelangt
DIE FORMVERÄNDERUNG DES BALALAIKAKORPUS :
Vom schmalen Flügel zum breiten Helm
Die weiter unten folgenden Bildbeispiele von Balalaiken des 19. Jhds. v o r Andrejew belegen einen s c h m a l e n Dreieckskorpus der Balalaika. Die alte Paddelform hat sich bereits vor dem 18.Jhd. zu einer erkennbaren schmalen Dreiecksform gewandelt.
Der Korpus dieser schmal-dreieckigen Balalaika erinnert an die nordrussische karelische Kantele, die ebenfalls einen schmalen Dreieckskorpus besitzt.
Ein solcher schmaler Dreieckskorpus begegnet heute in den Streichpsaltern.
Die Kantele ist eine Gusli, genauer gehört sie zum Typ der krylovidnye gusli, der
"Flügel-Gusli" (russ. krylo = der Flügel).
Die Urform der Kantele besitzt 5 Saiten und ist dementsprechend schmal.
Spätere Kantelen mit 10 und mehr Saiten besitzen ein ausgefächerteres Saitenfeld und sind dementsprechend breiter.
Diese breiteren Formen ähneln in ihrer Proportion den Korpora der in der folgenden Bilderschau gezeigten Balalaiken des 19.Jhds.
5 Saiten - 5 Bünde
Noch eine weitere Übereinstimmung zwischen Kantele und Früh-Balalaika: die Fünfsaitigkeit der Kantele fand ihre Entsprechung in der Fünfbündigkeit der Balalaika.
5 Bünde auf einer zweisaitigen Balalaika, die in e - a gestimmt ist, bedeuten
aber einen Tonvorrat von 9 Tönen (= 1 Oktave plus 1 Ganzton): ein Vorteil gegenüber der Kantele.
(Siehe dazu: Die Stimmung der Balalaika)
Krylovidnaja balalaika (= schmalflüglige Balalaika)
Die Balalaiken des 19. Jhds vor Andrejew hatten eine schmale Dreiecksform. Diese Form begegnet bei der nordrussischen Kantele und allgemein bei vielen Ausfüh-rungen der Gusli. Weil dieses schmale Dreieck an einen Vogelflügel erinnerte, wurden Guslis in dieser Form als "krylovidnyje gusli" benannt.
Da viele der frühen Balalaiken eine solche Gusliform aufweisen, können sie als "Flügelgusli-Balalaika" oder "krylovidnaja balalaika" bezeichnet werden.
Schlemovidnaja balalaika (= breitflüglige Balalaika)
Andrejew verbreiterte 1884 den schmalen flügelförmigen Dreiecks-Korpus der Balalaika. Nach dem Vorbild der Schlemovidnye gusli (Helm-Gusli) gestaltete er die Balalaika zu einem breiten Dreieck. Dieses so vergrößerte Instrument hatte einen volleren Klang, vergleichbar mit dem Klang der schlemovidnye gusli.
Die Andrejew-Balalaika kann dementsprechend als Helmgusli-Balalaika oder als Schlemovidnaja balalaika bezeichnet werden.
BALALAIKAFORMEN VOR ANDREJEW
Balalaika mit langem Hals und kleinem Dreiecks-Korpus (ca.18.Jhd.)
Historische Tanbur-Balalaika
(Bildausschnitt von folgender Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4e/%D0%90%D1%85%2C_%D0%B1%D0%B0%D1)
DOKUMENTATION :
Historische Balalaiken des MIMO-Projektes.
Balalaiken vor Andrejew 1883
("The pre Andreyev period")
Die ersten 4 Abbildungen der folgenden Bilderserie zeigen Balalaiken des
19. Jahrhunderts, die im MIMO-Projekt dokumentiert sind.
(MIMO) Musical Instrument Museums Online
ist ein Gruppenprojekt der europeana.eu mit dem Ziel, einen zentralen Zugang zu digitalen Informationen über Musikinstrumente in Europäischen Museen bereit zu stellen.
Provider: MIMO - Musical Instrument Museums Online
Die Verwaltung in Edinburg erteilte die Erlaubnis zur Wiedergabe der Instrumente mit der Auflage der Quellenangabe.
Das Verzeichnis der B a l a l a i k e n im Mimo-Projekt ist zu finden unter:
http://www.mimo-db.eu/mimo/infodoc/Ged/search.aspx?QuickSearchField=balalaika&SearchIndex=%40fulltext_default_ifd_refdoc
(Achtung: Es gibt immer wieder Probleme beim Aufrufen der Mimo-URLs und beim korrekten Darstellen der Seiten !)
Historische Balalaika des 19. Jhds.
Dokumentation 1: ( MIMO-Projekt )
Musee de la musique, Paris
Longueur totale 648 mm.
Largeur 324 mm
Hauteur 80 mm.
Photographe: Germain, Claude
Besonderheiten:
1. Kein Schalloch, sondern kleine Bohrungen in der Instrumentendecke, so wie sie bei vielen historischen Saiteninstrumenten üblich sind.
2. Man beachte die große Brettdicke
der Sadinka!
http://www.mimo-db.eu/mimo/infodoc/Ged/View.aspx?eid=OAI_CIMU_ALOES_0968749&searchId=b5c0014a-27a1-4adc-a2ad-b1f370345090
Historische Balalaika des 19. Jhds.
Dokumentation 2: ( MIMO-Projekt )
Leider ist nur die Ansicht auf die D e c k e dokumentiert.
Man beachte das kleine Schallloch !
Länge: 680 mm
Breite: 265 mm
Halsmensur: 335 mm
Gesamtmensur: 504 mm
Schallloch Durchmesser:
6 mm
Saitenzahl: 3 Darmsaiten.
Anzahl der Bünde: 5 (?)
4 Bünde sind vorhanden
Abbildung und Beschreibung der Balalaika sind folgender Quelle entnommen:
Balalaika,
Inventarnummer 673
Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig.
:
Georg Kinsky, Katalog des Musikhistorischen Museums von Wilhelm Heyer in Cöln, Band II, Cöln 1912, S. 227.
http://www.europeana.eu/portal/record/09102/9F2DD383FE58C41471D78E8541D8C51ADFFFD8DE.html?start=15&query=balalaika&startPage=13
Provider: MIMO - Musical Instrument Museums Online
Historische Balalaika des 19. Jhds. Dokumentation 3: ( MIMO-Projekt )
Balalaika von 1869
Inventar-Nr.: V.Mi.437.
Musée municipal Auguste Grasset (Varzy, Frankreich)
Länge: 63 cm
Larg au bas de la caisse: 34 cm
http://www.europeana.eu/portal/record/09102/AF8BA7383700342C33B7DF8E001D5E1B68F5D1B2.html?start=27&query=balalaika&startPage=25
Historische Balalaika des 19. Jhds. Dokumentation 4: ( MIMO-Projekt )
Balalaika, vor 1866
Inventar Nr. 270
Muziekinstrumentenmuseum
Koninklijke Musea voor Kunst en Geschiedenis
Brüssel, Belgien
Länge: 63.0 cm,
Breite: 33.0 cm,
Höhe: 7.0 cm
KMKG-MRAH
http://carmentis.kmkg-mrah.be/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection&objectId=117032&viewType=detailView&lang=nl
( Ende der Dokumentation aus Quelle: MIMO-Projekt )
Dokumentation Nr. 5
Historische Balalaika vor Andrejew
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/b/be/Russian_balalaika.jpg
Historische Balalaika des 19. Jhds.
Dokumentation 6: Museum in Krasnojarsk
Балалайка кустарного изготовления. XIX в, Енисейская губерния. Красноярский краеведческий музей.
A 19th century amateur-made balalaika from the Yeniseysk Governorate. The Krasnoyarsk Krai museum.
Bildnachweis:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3ASiberian_Balalaika.jpg
By Efenstor (Own work) [CC0], via Wikimedia Commons
Dokumentation 7:
Balalaika des 19. Jhds. Illustration aus dem schwedischen Konversationslexikon
"Nordisk familjebok"
Dieses Bild stammt aus der ersten (1876–1899) oder zweiten (1904–1926) Version des Nordisk familjebok. Das Werk ist gemeinfrei.
Quelle: wikipedia commons.
From http://runeberg.org/nfbb/0407.html {{PD-Ugglan}}
Dokumentation 8:
Eine Balalaika aus dem 19.Jhd., gezeigt auf dem
Gemälde "Polnischer Balalaikaspieler" von E. Jerichau
Nicht nur in Russland wurde die Balalaika gespielt. Hier porträtierte die dänische Malerin Elisabeth Jerichau-Baumann einen polnischen Balalaikaspieler.
Wegen der Bordunsaite des Instruments wurde die Balalaika in Polen, wohl in Unkenntnis ihrer russischen Herkunft, "polnische Hummel" genannt.
Der Balalaikaspieler hier auf diesem Bild scheint a l l e Saiten zu greifen.
Also kein Bordunspiel, keine "Hummel-Balalaika". Kein Daumenspiel:
Der Spieler benutzt nicht den Daumen zum Greifen der äußeren tiefen Saite.
Beschreibung:
Balalaika, Vor-Andrejew-Periode
Schmaler dreieckiger Korpus
Schmales Wirbelbrett, kaum breiter als der Instrumentenhals
Quellenangabe des Bildes:
von Villy Fink Isaksen (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Dokumentation 9:
Balalaika des 19.Jhds,gezeigt auf dem Bild
"Russian family" des Künstlers
Wilhelm Amandus Beer ("Russen-Beer")
Beer (* 9. August 1837 in Frankfurt am Main; † 19. Januar 1907 ebenda).
Beer war ein Kunstmaler, der vor allem über Motive fremder Länder Beliebtheit erlangte. In seinem Werk überwiegen Darstellungen aus Russland und Darstellungen aus dem russischen Volksleben – dies trug dem Maler den Beinamen Russen-Beer ein. (Zitat aus wikipedia.de "Wilhelm A. Beer")
Beschreibung:
Das Bild zeigt eine typische Balalaika des 19. Jhds. der Vor-Andrejew- Periode:
Schmaler dreieckiger Korpus
Langer Hals
Schmales Wirbelbrett, kaum breiter als der Instrumentenhals
Bildnachweis:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/e/eb/Beer%2C_Russian-family.jpg
Dokumentation 10:
Skizze einer Balalaika aus dem Enzyklopädischen Wörterbuch von
F. A. Brockhaus und I. A. Jefron, St.Petersburg 1890 -1907
Энциклопедический словарь Ф.А. Брокгауза и И.А. Ефрона
Энциклопедический словарь Ф.А. Брокгауза и И.А. Ефрона.
— С.-Пб.: Брокгауз-Ефрон. 1890—1907.
Dokumentation 11:
Dokumentation einer Balalaika mit rundem ( ! ) Korpus.
Der russische Maler Петр Ефимович Заболотский (1803—1866)
(Pjotr Jefimowitsch Sabolotski) malte das Bild
"Junge mit Balalaika" im Jahr 1835.
Der Bildtitel beweist, dass "Balalaika" am Anfang des 19. Jhds. auch ein Lauten-Instrument mit rundem Korpus bzw. mit gerundetem paddelförmigem Korpus bezeichnen konnte.
Die genaue Form des Korpus-Umrisses ist nicht zu erkennen. Ersichtlich ist
auch nicht, ob die Korpusschale aus einem Kürbis besteht, oder aus einer aus einem massiven Holzstück herausgeschnitzten Holzschale oder aus einzelnen Holzteilen (Spänen) zusammengefügt ist.
Die Korpusdeckenform könnte sowohl oval als auch paddelförmig sein.
Beides sind historische Balalaikaformen.
Das Instrument hat 3 Saiten und scheint 4 oder 5 Bünde zu besitzen.
Dokumentation 12:
Balalaika aus der Werkstatt Iwan A. Sjusin (И.А.Зюзин)
St. Petersburg, ca.1900
Diese Balalaika ist eine frühe Form des Typs "Andrejew-Balalaika".
Über ihre Herkunft gibt der papierene Innenaufkleber Auskunft:
Sie stammt aus der Werkstatt des Balalaikabauers Iwan Sjusin in St. Petersburg, Zagorodnyj Prospekt 9. Dort arbeitete auch Galinis, der später nach seiner Lehrzeit bei Sjusin seine eigene Werkstatt eröffnete: vier Häuser weiter auf dem Загородный проспект 13.
Die oben gezeigte Balalaika besitzt noch keine Wirbel-Mechanik, sondern drei unterständige Steckwirbel (Geigenwirbel).
Des weiteren weist sie 2 Merkmale auf, die besonders bei Galinis-Balalaiken sehr häufig anzutreffen sind. Diese Merkmale betreffen Spänezahl und Mensur:
1. Sieben-Späne-Korpus
Die Korpusschale ist aus s i e b e n Spänen zusammengesetzt.
Diese ungradzahlige Spänemenge ist ein Merkmal von Passerbski-Balalaiken.
Nalimow dagegen baute Balalaiken mit einer gradzahligen Spänezahl.
Als Galinis nach dem Tod Nalimows 1916 die Leitung der Andrejewschen
Balalaikawerkstatt in Marjino übernahm, baute er dort wieder Balalaiken nach
altem Passierbski-Vorbild.
Passierbski- Balalaiken betonen durch ihren parallel zur Instrumentendecke
verlaufenden Mittelspan den K a s t e n - Korpustyp. Balalaiken mit Kasten-
korpora orientieren sich an der flachen kastigen Bauweise der Gusli.
Die Balalaiken von Mark Kupfer besitzen ebenfalls 7 Späne. Kupfer erkannte,
dass die flache "Mittelspan-Balalaika"-Bauart dem ursprünglichen Klang der
historischen Balalaiken am meisten entspricht.
2. Andrejew-Mensur
Die Mensur der Balalaika besitzt das Maß von 9 7/8 Werschok (43,89 cm).
Das ist die alte, von Andrejew bevorzugte Mensur.
1 Werschok = 4,445 cm = der 16. Teil des Arschin, der russischen Elle.
Die Balalaika ist ein sehr einfaches Modell, sie ist aber sehr sorgfältig gearbeitet: die geleimten Verbindungsnähte zwischen den Spänen sind absolut lichtdicht.
Weitere Besonderheiten:
Sehr dünner Hals (2,5 cm stark). Geringes Gewicht: 500 Gramm.
Eine vergleichbare Balalaika (Tschernigow 077/118) wiegt 700 Gramm,
Der Saitensteg ist wohl original. Es gibt auf der Korpusdecke keine Abdrücke von anderen Stegen. Der Steg scheint original zu sein. Er ist ungewöhnlich klein und schmal. Er besitzt nur eine geringe Auflagefläche auf der Korpusdecke. Die Steghöhe ist ebenfalls sehr gering. Sie beträgt 1 cm.
Die Maße der Balalaika sind:
Länge: 65 cm
Breite: 40 cm
Höhe: 9 cm
Halsbreite: 2,5 cm am Obersattel
3,3 cm am 16. Bund
Halsstärke: 2,5 cm