GESCHICHTLICHE GESAMTSCHAU:
EINE KURZE HISTORIE DER BALALAIKA
Von der persischen Tanbur
im Achämenidisches Weltreich ( 550 - 330 v.Chr. )
zur russischen Andrejew-Balalaika (seit 1884).
Die Geschichte der russischen Balalaika/Tanbur ist so alt wie die Geschichte Russlands. Im Jahr 882 wurde in Nowgorod das erste russische Reich gegründet, das später (nach seiner 2. Hauptstadt Kiew) "Kiewer Rus" genannt wurde.
Die Stadt Nowgorod (genannt: "Gospodin Nowgorod Weliki"), bedeutender Handelsplatz, und eine alte Zeugin russischer ( ostslawischer ) Musikkultur, beging im Jahr 2009 die 1150-Jahrfeier ihrer ersten urkundlichen Erwähnung 859.
Die Geschichte Russlands umfaßt also einen Zeitraum von über 1100 Jahren.
Die Geschichte der Balalaika (Tanbur) ist noch älter.
Der russische Historiker Karamsin (1766 -1826) zitiert eine schriftliche Quelle, die von einem Ereignis aus dem Jahre 590 n.Chr. berichtet: von Byzantinern gefangen genommene ostslawische Gesandte tragen Musikinstrumente ihrer Heimat bei sich. Diese werden als frühe Balalaikaformen gedeutet. (so: P. von Goetze, Stimmen des russischen Volkes)
Seit dem 8. Jahrhundert n. Chr. unterhielten die Waräger Handelsverbindungen zwischen der Ostsee (Baltisches Meer) im Norden und den beiden südlichen Meeren Schwarzes Meer und Kaspisches Meer. Diese Verbindungen führten mitten durch das Gebiet der Ostslawen, dem Gebiet des späteren russischen Reiches.
Diese Handelsrouten waren Flüsse, aber auch Landwege, über die Schiffe von
Fluss zu Fluss gezogen wurden.
Siehe Karte im Kapitel 1.4.4. Historie der Balalaika
Viele ostslawische (russische) Städte verdanken ihre Existenz diesen Handelsstraßen, denn sie sind aus Kaufmannsansiedlungen hervorgegangen.
Gardarike. Das Reich der Städte
Das Gesamtgebiet der slawischen Burgstädte wurde von den Warägern Gardarike genannt (gard = gorod = Stadt; rike= das Reich), das "Reich der Städte".
Russisches Siedlungsgebiet (Waräger und Slawen)
bis zum 13. Jhd. (Mongolen-Invasion) ohne Musikinstrumente ?
In manchen Darstellungen wird dies behauptet. Allerdings ohne Beweise zu liefern.
Auch wenn schriftliche Quellen und archäologische Funde aus dieser Zeit rar sind oder gänzlich fehlen:
In diesen Städten wurde gewiß auch musiziert. Zu dem großen Warenangebot,
das es in den Kaufmannssiedlungen gab, gehörten gewiß auch Musikinstrumente. Seit dem 6.Jhd. werden die Ostslawen als ein musikliebendes, musikmachendes und Musikinstrumente besitzendes Volk geschildert.
Nicht erst die Turkvölker und Reiternomaden aus der Pontisch-Kaspischen Steppe (Steppengebiet nördlich des Schwarzen und des Kaspischen Meeres) oder die Mongolen im 13.Jhd. brachten Musikinstrumente nach Russland. Deren Interesse lag nicht in der Ausdehnung ihrer Märkte und im Bringen von Handelsgütern, sondern in der kriegerischen Eroberung und im Plündern und Rauben von Kulturgütern.
Waräger und Ostslawen waren eng miteinander verbunden, handelsmäßig, politisch und kulturell. Anfangs unter warägischer Dominanz, dann unter slawischer Vorherrschaft. Diese Entwicklung ist durch die Namensforschung (zunehmende Slawisierung von Personen- und Ortsnamen) gut belegt.
Schwarzes Meer bedeutete Anbindung (verkehrstechnisch und kulturell) an das Byzantinische Reich (Griechen), Kaspisches Meer bedeutete Verbindung zu Persien.
Heute hat Russland (" Russische Föderation") seine Grenze bis an diese beiden Meere vorgeschoben. Es ist das einzige Land, das sowohl an das Schwarze Meer
als auch an das Kaspische Meer grenzt.
Die Balalaika ist vom Instrumententyp her eine Langhalslaute. Bei den Griechen waren Langhalslauten nicht verbreitet (dort liebte man Lyren und Harfen).
Bei den Persern dagegen zählten Langhalslauten zu den wichtigsten Saiteninstrumenten: bis heute.
Als Alexander der Große im Jahr 331 v. Chr. das persische Weltreich militärisch eroberte und in der Epoche des Hellenismus eine griechisch-persische Kulturverschmelzung einleitete, wurden auch im griechischen Kernland Lauteninstrumente populär.
Die heutige griechische Bouzouk i legt von dieser Entwicklung Zeugnis ab.
Die Bouzouki ist vom Instrumententyp her eine Langhals-Laute, ebenso wie
die russische Balalaika.
Die russische Langhalslaute Balalaika ist (wie die griechische Bouzouki) eine Weiterentwicklung der in Persien verbreiteten Langhalslaute Tanbur, die bereits im 1. persischen Großreich (550-330 v.Chr.), dem "Achämeniden-Reich" bekannt und in Gebrauch war. Jedoch hatte diese Laute noch nicht die für die heutige Balalaika typische dreieckige Form.
Die im alten russischen Reich ("Kiewer Rus") verbreitete Tanbur-Balalaika
konnte sowohl aus einem Kürbis gefertigt als auch aus einem Stück Holz
geschnitzt sein. Das zur Verfügung stehende Ausgangsmaterial bestimmte die Form des Instruments.
Die Kürbis-Tanbur ("Kürbis-Balalaika") konnte - je nach Art des Kürbis -
rund bis oval sein. Die Schnittrichtung (quer- oder längs geschnitten) war hier
form-entscheidend.
Bei den aus einem massiven Holzstück herausgeschnitzten Tanburen bestimmte
der Stamm- oder Astdurchmesser die Breite der Tanbur.
Lauten (Tanburen) dieser Art (mit schmalem und kleinem Korpus) sind schon in
der Zeit vor dem persischen Achämenidenreich bezeugt: In der persischen Stadt Susa wurden Tonfiguren aus vorpersischer Zeit gefunden, von denen eine einen Tanburspieler zeigt. Datierung der Figuren: 2. Jahrtausend v.Chr.
(Quelle: wikipedia "Iranische Musik")
Bildnachweis: http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AIran_bastan_-_12.jpg
Das persische Achämenidenreich erstreckte sich nach Norden bis zur Donau und um das südliche Schwarze Meer herum.
Das Schwarze Meer, bei den Griechen pontos axeinos genannt, trägt einen persischen Namen. Das alt-persische Wort "axaina" bedeutet "schwarz". ("Schwarz" war die Bezeichnung für den Norden, die Himmelsrichtung, aus der keine Sonne scheint. Für Persien war das Schwarze Meer das "Nordmeer", es liegt nördlicher als das Kaspische Meer)
(Zu Persien und das Schwarze Meer, siehe:: Hermann Sauter, www.kimmerier.de)
Das südlichste Herrschaftsgebiet des persischen Achämenidenreichs war Ägypten. Der persische Herrscher war zugleich ägyptischer Pharao.
Alexander der Große war Pharao von Ägypten.
In Ägypten sind Langhalslauten bereits vor 1500 v.Chr. bezeugt. (Siehe Bild "Ägyptische Grabmalerei" 1422-1411 v. Chr.: 1.2 Historie der Balalaika.)
Die persische Kultur übernahm diese Instrumente und tradierte sie. Noch früher
als in Ägypten sind Langhalslautenformen in Mesopotamien (1800 v.Chr.), bei
den Babyloniern, den Assyrern und noch früher bei den Sumerern nachweisbar.
Persien nahm sie in sein eigenes Instrumentarium auf. Aus diesen Einflüssen zusammengenommen entstand die persische Tanbur, die bis in unsere heutige Zeit hineinwirkt und in vielen Ländern Asiens in fast unveränderter alter historischer Form anzutreffen ist.
Im spätantiken persischen Sassanidenreich ("Neupersisches Reich") (224 -651 n.Chr.), das sich nach Norden bis zum Kaukasus und bis zum Aralsee ausdehnte, und Handelsverbindungen bis zur Ostsee unterhielt, war die Tanbur eines der meistgespielten Instrumente. Auch die Kurzhalslaute "Barbat", ein Streichinstrument, wurde im neupersischen Reich gespielt. Einige meinen,
der Name "Barbat" sei der Name ihres Erfinders, des Musikers Barbat.
Der Barbat ist vom Instrumententyp her eine Rebec, eine Geige, die in Russland "Gudok" genannt wurde und dort lange Zeit zu den beliebtesten Volksinstrumenten gehörte.
Das bekannte Ensemble "Rusichi" (Ensemble für alte russische Musik), setzt den Gudok sehr häufig ein (und weniger die Balalaika). "Rusichi" ("Русичи" oder auch "русици" : das Wort wird auf der 1.Silbe betont) ist ein alter poetischer Name für die Bewohner des alten Russland (Rus´)
Das Ensemble "Rusichi" besteht aus 3 Musikern, die historische russische und karelische Musikinstrumente selber bauen und spielen.
(Auf Youtube eingeben: Русичи, два сокола 2013)
Die Tanbur (ich wage die anachronistische Bezeichnung "persische Balalaika": also das Instrument, das später in Russland "Balalaika" genannt wurde) hat sich sehr früh von Persien aus, dem ersten Weltreich der Geschichte, über ganz Asien ausgebreitet; in vielen Regionen und Kulturen hat sie Eingang gefunden. Auch heute noch wird sie in vielen Ländern gespielt. Ihre Darstellung auf den Briefmarken dieser Länder zeigt, wie populär und landestypisch dieses Instrument dort heute ist.
Die nebenstehend angebildeten Bilder zeigen zwei Beispiele: eine Tanbur aus Aserbaidschan auf einer Briefmarke und eine Tanbur aus Kasachstan.
In Aserbeidschan trägt das Instrument seinen alten persischen Namen "Tanbur".
In Kasachstan heißt heißt sie Tanbur "Dombyra". Man beachte den Unterschied: die aserbaidschanische Tanbur hat die alte Form: Hals ohne Wirbelbrett. Die kasachische Donbra besitzt ein (wenn auch sehr schmales) Wirbelbrett.
(Bildnachweis für beide Bilder:
wikimedia commons "Tanbur", "Dombra")
Die Vielfalt historischer Balalaika-Formen
Zuerst aus einem Kürbis gefertigt, wurde die persische Tanbur später auch aus Holz gebaut. Während die Kürbisbauweise auf die Wuchsform des Kürbisses festgelegt war, ermöglichte die Holzbauweise den Bau in jeder möglichen Form. Vielfach aber wurde aus alter Tradition die Kürbisform nachgebaut. In Persien (im heutigen Iran) geschieht das bis heute (runde Kürbisform). Aber in anderen Regionen erhielt die Tanbur die verschiedensten Ausformungen:
runde Form, ovale Form (lat. ovum = Ei) , abgeschnittenes Ei, Paddelform, rechteckige Holzscheit-Form, taillierte Form , ...
Die taillierte Form ist im Kaukasus in Georgien anzutreffen. Dort heißt die Tanbur Tschonguri. Die kasachische Tanbur, die Dombra, untrerscheidet sich wieder von der türkischen Tanbur, der Baglama. Letztere besitzt eine sehr tief eingewölbte Korpusschale, die an das Becken einer Kesselpauke erinnert.
Von der "Dutar-Balalaika" zur "Setar-Balalaika"
Bei den Tanbur-Instrumenten gibt es nicht nur unterschiedliche Korpusform, auch die Anzahl der Saiten variiert.
Die einfachste Tanbur, die Dutar, hat 2 Saiten ( persisch "du" = 2 ), die 3-Saiten-Tanbur heißt Setar ( persisch "se" = drei).
Die russische Balalaika folgte hier ihrem persischen Vorbild nach: anfangs besaß die Balalaika, wie die Tanbur, 2 Saiten, dann wurde sie zu dem uns heute bekannten 3-saitigen Instrument.
Jakob von Stählin berichtet 1770, dass ein blinder ukrainischer "Pandurist" (wohl: Tanbur-Spieler) der erste war, der das zweisaitige Instrument mit einer dritten Saite versah. (siehe: Kapitel 5)
Balalaika und Holzsarg: keine lange Lebensdauer unter der Erde
Archäologische Funde intakter Tanburen, Dombren oder Balalaikan sind nicht vorhanden. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, daß Musikinstrumente aus Kürbis oder Holz, und nicht aus beständigerem Material wie Keramik, Stein oder Metall hergestellt wurden.
Als Grabbeigaben erleiden Holz- oder Kürbisinstrumente das gleiche Schicksal wie Holzsärge: nach wenigen Jahren sind sie verrottet.
Wie oben bereits erwähnt, hat die persische Tanbur nicht nur in Ländern Zentralasiens, sondern auch in Nord-und Osteuropa Eingang gefunden, auch in den slawischen Siedlungsgebieten. Dies geschah durch Handelswege.
Das ostslavische Stammesgebiet, aus dem später Russland hervorgehen sollte, lag zwischen dem Baltischen Meer (Ostsee) und dem Kaspischen Meer (dem persischen Meer), zuerst im Norden in kleiner regionaler Begrenzung, dann in immer weiterer Ausdehnung die Wolga abwärts.
Im Norden, in Finnland und Karelien, war mehr das vielsaitige Kasten-Psalterium, die Kantele (Gusli), verbreitet, im Süden dagegen die aus Persien stammende zweisaitige HalsLaute Tanbur-. Beide Instrumente, Psalterium und Laute, existierten in Russland und auch in der Ukraine nebeneinander - bis heute. Psalterium und Laute beeinflussten sich aber auch gegenseitig und brachten zwei neue Instrumente hervor:
die ukrainische Bandura und russische Balalaika. Bei beiden verlief die Entwicklung in entgegengesetzter Richtung:
Die Bandura ist ein Psalterium mit der Korpusform der Hals-Laute,
die Balalaika ist eine Hals-Laute mit der Korpusform des Psalteriums.
Балалайка сочетает признаки лютни и цитры
Бандура сочетает признаки цитры и лютни
Ein langer Weg :
Von der persischen Tanbur zur russischen Balalaika
Es sei daran erinnert, daß die Wolga Russland mit Persien verbindet. Es gab im 9. Jhd. nicht nur den berühmten "Weg von den Warägern zu den Griechen", von dem die Nestorchronik berichtet, sondern auch einen Weg zu den Persern. Russland war sowohl mit den Griechen als auch mit den Persern verbunden. Persische und griechische Kultur waren jedoch nicht voneinander isolierte Welten: durch Alexander dem Großen, also bereits seit 331 v. Chr., sind beide Kulturen miteinander verbunden worden, ja sogar "verheiratet" worden (sog. "Massenhochzeit zu Susa"). Auch auf dem Gebiet der Musik fand ein Austausch statt. Die persische Halslaute "Tanbur" jedoch wurde in Griechenland nie heimisch. Es gibt kaum Abbildungen von Lauten in der griechischen Kunst. Bei den Griechen griff man lieber zur viel-saitigen Lyra und Harfe statt zur wenig-saitigen Tanbur.
Anders in Russland. Dort fand die Tanbur begeisternde Aufnahme, ebenso wie die beiden anderen aus Persien stammenden Instrumente Barbat (Kurzhalsgeige, die in Russsland Gudok genannt wurde) und das Psalterium , eine dreieckige Zither, die in Russland Gusli genannt wurde.
Die persische Tanbur hat im Laufe ihrer Geschichte und auf ihrer Wanderung durch die Völker Asiens und Osteuropas viele Veränderungen erfahren: verändert hat sich ihr Name. In Russland wurde sie "Balalaika" genannt " wahrscheinlich ab dem 13. Jhd., zur Zeit der Zeit der Tatarenherrschaft. Verändert hat sich ihre Herstellungsart (aus Kürbis, aus Holz geschnitzt), verändert hat sich ihre Form (kalebassenförmig, oval, rund, rechteckig, trogförmig, paddelförmig, schaufelförmig, (....) .
In Russland nahm sie mehr und mehr eine dreieckige Form an und wurde dem Psalterium ähnlich.
Glasnostj und Perestroika im Balalaikabau
Die russische Version (bzw. Weiterentwicklung) der Tanbur, die schmal-dreieckige aus Holzteilen gezimmerte Balalaika, wurde, beginnend mit dem Jahr 1884, grundlegend umgestaltet.
Das Flügel-Dreieck
Der Korpus dieser Langhals-Balalaika, der die schmal-dreieckige Form der nordrussischen Kantele (Gusli krylovidnyje) besaß, "entfaltete" sich, und bekam mehr und mehr die Form eines großen, fast gleichseitigen Dreiecks.
Die Seiten dieses Dreiecks wurden b o g i g gestaltet, genauer: sie erhielten eine konvexe Wölbung nach a u ß e n.
Das Helm-Dreieck
Dieses Merkmal der bogigen Seiten und die Gesamtproportion des so veränderten Korpus orientierten sich an der Gusli schlemovidnye (Russisches Psalterium mit halbrundem Korpus und dreieckigem Saitenfeld mit parallel laufenden Saiten quer zum Korpus).
Das Schweinekopf-Dreieck
Es gibt auch einige wenige Balalaiken, deren Dreiecksform sich an der sog. "Russischen Cythara", dem Schweinskopf-Psalterium, orientiert. Bei diesem sind die beiden Dreiecksflanken konkav eingezogen, also nach innen gewölbt.
(siehe Bildleiste links)
Der Klangcharakter der Balalaika wurde durch die Umgestaltung (perestroika) in Richtung auf die Gusli schlemovidnye dem Psalterium ähnlicher und bekam das "dulce melos" der Gusli, von dem das russische Ohr seit jeher fasziniert war.
Glasnost bedeutet in diesem Zusammenhang das Sichtbarmachen (genauer: Hörbarmachen) der "Psalteriums-Seele" der Balalaika.
Die "Gusli-Seele" der Balalaika, die in ihr, seit sie ihre Dreiecksform bekam, mitklang, wurde durch die Proportionsveränderung ab dem Jahr 1884 zum stärkeren Durchscheinen ("Glasnostj") und hellerem Aufstrahlen gebracht.
Perestroika = Die Umgestaltung der Instrumentenform
Die "Perestroika" ("Umgestaltung") des Instruments wurde betrieben durch den jungen russischen Musiker Wassili Andrejew aus dem Gouvernement Twer. Er schuf die heutige Form der Balalaika: die "Andrejew-Balalaika".
Andere Balalaikabauer führten seinen Weg der Entwicklung der Balalaika fort.
Exkurs: Dreiecks-Korpus
Psalterium und Balalaika : Zwei "Musik-Dreiecke"
Ähnlicher Korpus - verschiedene Spielhaltung
Beim Dreiecks-Psalterium ruht die lange G r u n d s e i t e des Dreiecks auf dem Schoß des sitzenden Spielers, die (gekappte) Spitze ist gegen seine Brust gelehnt.
Bei der Balalaika ist es umgekehrt: Hier ruht die S p i t z e des Dreiecks auf dem Schoß des Spielers, genauer: zwischen den Beinen - die Seite des Dreiecks zeigt in Richtung der Brust des Spielers.
Auch bei der Kontrabass-Balalaika ist dieses Bild gleich: das Dreieck ruht auf der Spitze.
Diese dem Psalterium gegenüber "verdrehte" Spielhaltung der Balalaika ist dadurch bedingt, daß der Korpus der Balalaika einen Hals besitzt der nicht an der Seite, sondern an der Spitze des Dreiecks angesetzt ist. Da der Hals - wie bei allen Zupflauten- in der Spielhaltung fast waagerecht ausgerichtet ist, bilden die zwei freien Spitzen des Dreiecks eine Senkrechte.
Die Spielhaltung der Balalaika ist somit gegenüber der Spielhaltung des Psalteriums um 60 Grad verdreht.
Balalaikaähnliche Instrumente mit ovalen, runden, rechteckigen oder anders geformtem Korpus werden heute nicht (mehr) als Balalaika bezeichnet.
Es handelt sich um z.B.
Dutar (2-saitige Laute mit ovalem Korpus, oft unten abgeschnitten)
Dombra (Laute mit ovalem Korpus, früher oft in Schaufelform)
Domra (Laute mit halbkugelförmigem Korpus "runde Balalaika")
Mongolische Pferdekopfgeige (gestrichene Laute inTrapezform).
Mit der dreieckigen Bauart (4.C.) begann ein n e u e r W e g der Balalaika:
die Festlegung des Instruments "Balalaika" auf ein d r e i e c k i g e s Instrument.
Den Zugang zu diesem Weg eröffnete Wassili Wassiljewitsch Andrejew
im Jahr 1883 im Dorf Marjino im damaligen Gouvernement Twer (heute Oblast Twer).
Die heutigen Balalaiken weisen alle die Bauart der Andrejew-Balalaika auf.
Außerdem führte Andrejew die Balalaika weg vom primitiven Volksinstrument
( " Bauerninstrument " ) und holte sie hinein in den renommierten Kreis der gesellschaftsfähigen westeuropäischen Instrumente Violine, Mandoline und Gitarre.
Die Balalaika - Ein Hybrid-Instrument
Schalenlaute & Kastenzither
Die Balalaika (gemeint ist die Andrejew-Balalaika) ist entstanden aus der Verbindung von Hals-Laute und dreieckiger Kasten-Gusli.
Sie ist somit ein Hybrid-Instrument, das die Klangwelten z w e i e r verschiedener Instrumente in e i n e m Instrument miteinander vereinigt.
Der Balalaikabauer kann entscheiden, ob sein Instrument einen ausgewogenen Charakter besitzen soll, oder ob er eine der beiden Identitäten der Balalaika besonders hervorheben möchte.
6-saitige Balalaika: Gusli-Klang
Will er die Gusli betonen, wird er eine kastige Form wählen und zudem noch die Balalaika doppelchörig ausführen, also eine 6-saitige Balalaika bauen.
Auf der 6-saitigen Balalaika kann man besonders gut Gusli-Klangeffekte erzeugen und sogar die ukrainische Bandura imitieren.
Eine 6-saitige Gusli ist sogar aus dem Nowgoroder Gebiet historisch bezeugt.
Renaissance historischer Balalaika-Bauarten und -formen heute:
Dulcibanjo, Strumstick, Fluke Ukulele, Strumbly, Luka-Gitarre, ...

Dulcibanjo
Die alte Tanbur-Balalaika (Dombra-Balalaika), also eine Balalaika mit schmalem bootspaddel förmigen bzw. schaufelförmigen Korpus aus einem einzigen massiven
Stück Holz herausgeschält, die nur in Museen anzutreffen oder in Büchern als Abbildung zu sehen ist, erlebt heute eine überraschende Renaissance,
allerdings unter anderen Namen.
Ein solches Balalaika-Instrument, aus einem einzigen Stück Holz herausgeschält, wie in dem alten russischen Lied "Во поле берёэынька стояла" berichtet, ist bei Folkfriends erhältlich unter der Phantasiebezeichnung
" Dulcibanjo C-Dur ".
Anderswo erscheint dasselbe Instrument unter der ebenfalls irreführenden Bezeichnung
" 3 string dulcimer guitar ".
Das Instrument besitzt eine Mensur von 43,3 cm ( 17inches ). Das entspricht einer Balalaika-Mensur von 9 6/8 Werschok !
Die Länge des Instruments beträgt 64 cm
( die Prim-Balalaika ist 64 bis 68 cm lang) , die Breite ist 11,5 cm. Es handelt sich also um eine verschmälerte Prim-Balalaika.
Verkauft wird das Instrument unter dem irreführenden Namen "Banjo".
Hier gilt, was schon i. J. 1914 Hornbostel und Sachs, die Pioniere der wissenschaftlichen Instrumentenkunde, im Vorwort zu ihrer "Systematik der Musikinstrumente" beklagt haben:
"In der Umgangssprache gehen die Bezeichnungen kunterbunt
durcheinander;
Dasselbe Instrument wird bald Laute, bald Gitarre,
bald Mandoline, bald Banjo genannt;
den Unkundigen führen Spitznamen und Volksetymologien
in die Irre; ( ... )"
(Hornbostel/Sachs 1914)
Mehr über die Masssivholzbalalaika ("Dulcibanjo") in :
"Balalaika und Birke 2.2." ( 2.2.11. )
Fluke-Ukulele
Die Bootspaddel-Form (oder Schaufel-Form) der Balalaika erlebt heute eine weitere Renaissance im "Strumstick" und in der "Fluke-Ukulele"
(siehe Bild oben)
Die Fluke-Ukulele hat wie das Dulcibanjo die Balalaikamensur von 43,3 cm. Weitere Daten: Länge der Fluke-Ukulele = 58 cm, Breite = 19cm.
Korpus = gepresst aus schwarzem Faser-Kunststoff-Verbundmaterial in sehr dünner Materialstärke.
Besonderheit: Griffbrett und Bünde sind aus e i n e m Stück gepresst, ebenfalls aus schwarzem Kunststoff. Obwohl es billig aussieht: das Instrument ist nicht billig. Es ist zudem ein absolutes Kult-Instrument. Erhältlich ist es mit verschiedenen Designs in identischer Form. Made in USA.
(Namensherkunft: fluke= Schwanzflosse des Wals.)
Strumbly
Das von "The Musicmakers" in Stillwater (Minnesota), USA "Strumbly" genannte Instrument ist ähnlich konstruiert wie die Fluke-Ukulele und hat die gleiche schmal-dreieckige Korpusform wie die historische dolbljonaja balalaika (=aus einemStück Holz gefertigte Balalaika). (Ob gewollt oder zufällig, ist nicht bekannt.) Wie die alte Tanbur ist der Strumbly griffbrettlos.
Der (oder die) "Strumbly" hat eine diatonische Bundierung (sog. "Dulcimer-Skala"). Info:
http://www.harpkit.com/mm5/merchant.mvc?
E-Gitarre "Luka" von GoAir: Balalaika-Design
Auch in der Kollektion der von der Gitarrenwerkstatt "GoAir" entworfenen Design-Gitarren taucht die alte Dombra-/Balalaikaform, die auch schon die Fluke-Ukulele beeinflußt hat, auf. Ausdrücklich nimmt das Designer-Team auf seiner Homepage auf die Balalaika als Vorbild Bezug. Der Name der Gitarre "Luka" wird erklärt als eine Wortzusammensetzung aus "Laute" und "Balalaika".