2.2.7. Balalaika und Trumscheit - Instrumente in Dreiecksform
Balalaika und Trumscheit (tromba marina)
2.2.7.1. Häufiger als man vermuten will, werden in der Fachliteratur die Balalaika und das Trumscheit miteinander in Verbindung gebracht.
Das Trumscheit ist seit dem 15. Jhd. bekannt.
Das, was Balalaika und Trumscheit äußerlich gemeinsam haben, ist ihre dreieckige Form. Allerdings sind die Proportionen des Dreiecks und die Größe beider Instrumente sehr verschieden. Das Trumscheit ist sehr groß (bis zu 2 Meter), die Balalaika eher ein kleines Instrument (67 cm).
Trumscheit ohne Hals
Ältere Formen des Trumscheit besaßen einen kompakten Korpus in Form einer spitzen Pyramide. Ein solches Trumscheit war nichts anderes als ein Monochord, ein 1-saitiges "Psalterium". Gemeint ist die Bauform des Psalteriums (Kastenzither mit darüber gespannter Saite), nicht die Spielart. Ein Psalterium ist von der Wortbedeutung her ein Zupfinstrument. Das Trumscheit dagegen wurde mit dem Bogen gestrichen.
Das Trumscheit war aller Wahrscheinlichkeit nach ein Bordun-Instrument, d.h. die Saite "brummte" immer auf dem gleichen Ton, sie wurde nicht gegriffen.
Das Trumscheit wurde also als Rhythmus-Instrument eingesetzt, ähnlich wie in der indischen Musik die Tanpura, eine Bordun-Sitar.
Der Klang der 1 ungegriffenen Saite wurde oft verstärkt durch das Anbringen von sympathetischen Saiten sowohl a u f dem Korpus als auch i n n e r h a l b des Korpus.
Trumscheit mit Hals
Bei späteren Ausführungen wurde an die Spitze dieser Pyramide ein schmaler Instrumentenhals angesetzt, wohl um die Saite zu verlängern und dadurch einen tieferen Ton zu erreichen: das Zeitalter des Barock liebte die tiefen Töne, im Gegensatz zur Musik der Renaissance, die eine hohe Stimmung bevorzugte. Das Anfügen des Halses war sozusagen eine "Theorbisierung" des Trumscheits. Im Barock wurden sehr häufig Lauten durch eine Halsverlängerung (oft in seitlich abknickende Form) zu einer tief klingenden Laute, einer Theorbe, umgestaltet.
Das Ansetzen eines Halses an das Scheitholt hatte auch noch einen anderen Zweck: der schmale Hals ermöglichte das Greifen der Saite. Es konnte also "Melodie" gespielt werden.
Der angesetzte Hals veränderte das Trumscheit von der Bordun-Zither zur Laute.
(siehe nebenstehende Skizze: Trumscheit mit Hals)
Ein solches Trumscheit mit Hals erinnert sehr entfernt an eine Balalaika. Wegen der großen Länge muß man allerdings eine Kontrabass-Balalaika zum Vergleich heranziehen. Aber eine solch schmale Ausführung der KB-Balalaika kommt im Balalaikabau nicht vor.
Die Balalaika - ein Zupfinstrument
Das Trumscheit - ein Streichinstrument
Ein wichtiger Unterschied besteht zwischen Trumscheit und Balalaika:
Die Balalaika ist ein Zupfinstrument mit 3 Saiten, das Trumscheit ein Streichinstrument mit meist nur 1 Saite.
Die Heimat des Trumscheit - Osteuropa ?
Eine interessante (wenn auch nicht belegte) These der Verwandschaft von Trumscheit und Balalaika vertritt der Begründer der wissenschaftlichen Musikinstrumentenkunde, Curt Sachs.
2.7.1.1.
Curt Sachs schreibt im Jahre 1913:
"Gerade für die osteuropäische Herkunft
( des Trumscheit )
würde aber auch der dreieckige Körperumriß sprechen;
seine Analoga sind nur dort, von den kirgisisch-tatarischen Tanburinstrumenten bis zur russischen Balalajka, zu finden."
( Handbuch der Musikinstrumentenkunde S.161 ).
Das nebenstehende Bild zeigt ein Instrument, das in seiner schmalen Dreiecksform ein Nachbau einer historischen holzgeschnitzten Balalaika sein könnte. Konzessionen an die Moderne sind die fest eingelassenen Bünde und die Wirbelmechanik.
An der historischen Vorlage orientiert ist die Form und Bauart des Korpus. Das gesamte Instrument ist aus e i n e m Stück Holz geschnitzt, der ausgehöhlte dreieckige Korpus ist mit einem aufgeleimten dünnen Holzbrett verschlossen.
In dieser Art und Form waren asiatische Saiteninstrumente gestaltet. So ungefähr muß auch die alte asiatische Dombra/Balalaika ausgesehen haben, die in dem russischen Lied
""Bо поле берёэынька стояла" (Wo polje berjosynjka stojala") erwähnt wird.
Siehe dazu: Balalaika und Birke
Höchstwahrscheinlich meint Sachs eine solche Balalaika bzw. Dombra, wenn er von "kirgisisch-tatarischen Tanburinstrumenten" spricht, mit denen er das Trumscheit in Zusammenhang bringt.
Ich selber würde das Trumscheit eher als Weiterentwicklung des westeuropäischen Monochord ( von Pythagoras entwickelt ) und als Sonderform des Scheitholt ansehen.
Beide, Monochord und Scheitholt, wurden in Klöstern verwendet, das Trumscheit besonders in Nonnenklöstern, weshalb es auch den Namen "Nonnentrompete" erhielt.
2.2.7.2. Ein Saiteninstrument in Trompetenform

Nonnentrompete
2.7.2. Das auch "Nonnentrompete" genannte Scheitholt besitzt eine sehr schlanke und spitze dreieckige Form. Diese Form des symmetrischen gleichseitigen Dreiecks bzw. Trapezes ist entwickelt worden, um den Schalltrichter einer Trompete zu imitieren:
Das Instrument sollte den Klang einer Trompete hervorbringen, also mußte es auch das Aussehen einer Trompete bekommen.
Auf dem nebenstehenden Bild ist ein modernes Scheitholt zu sehen, in dem man die Form des alten Trumscheits erkennen kann.
Daß es sich nicht als ein solches darstellen will, beweisen die beiden Schallöffnungen, die sich a u f der Decke befinden.
Ein echtes Trumscheit will sich als Trompete präsentieren und hat die Schallöffnung - wie bei einer echten Trompete - am unteren Korpusende.
Eine Besonderheit des Scheitholt ist das Griffbrett auf dem Korpus. Diese Anordnung erscheint unpraktisch, hängt aber mit der Spielhaltung des Instruments zusammen. Die Hand des Spielers greift nicht um das Instrument herum - das wäre wahrhaftig unbequem -, sondern berührt die Saiten von oben her wie die Tasten eines Klaviers. Das ist möglich, weil das Scheitholt waagerecht vor dem Spieler auf den Knien oder auf dem Tisch liegt. So kann auf das Griffbrett bequem von ober her zugegriffen werden.
Beim Trumscheit laufen zwar auch die Saiten über dem Korpus, sie werden aber (in der Regel) nicht gegriffen, was auch sehr umständlich wäre, denn das Trumscheit, wenn es auf der Schulter des Spielers aufliegt, muß mit dem Arm gehalten werden: ein Greifen ist unmöglich. Auch bei der anderen Spielhaltung, bei der das Trumscheit schräg auf dem Fußboden steht (wie ein Alphorn), wäre ein Greifen der Saite(n) sehr umständlich. Hier hat man später eine Lösung gefunden, indem an das obere Ende des Trumscheit ein schmaler Hals mit Griffbrett angefügt wurde. Das Trumscheit konnte so wie ein Cello oder Kontrabass gespielt werden.
Wenden wir uns der Etymologie des Wortes "Trumscheit" zu.
Wortbedeutung "Trumscheit"
Das Wort "Trumscheit" setzt sich zusammen aus
"Trum(p)" = Trompete und
"Scheit" = Holzstück, Holzscheit.
Ein Trumscheit ist also eine Holztrompete. Holztrompeten kennen wir vom Orgelbau. Dort gibt es Metallpfeifen ("Metalltrompeten") und Holzpfeifen ("Holztrompeten"). Diese werden durch einen Luftstrom angeblasen.
Holztrompete mit Saite
Ein Trumscheit ist aber kein Blasinstrument, sondern ein Saiteninstrument mit der Form eines Blasinstrumentes. Meist hat das Trumscheit nur 1 Saite, es gibt aber auch Ausführungen mit mehreren Saiten.
Die Saite des Trumscheits wird nicht gezupft, sondern - wie eine Geige - mit dem Bogen gestrichen. Deshalb wird das Trumscheit auch Trompetengeige genannt.
Bordun-Instrument
In der Regel wird die Saite nicht gegriffen, sondern sie erklingt immer im gleichen Ton. Das Trumscheit ist also ein Borduninstrument. Die gestrichene Saite gibt den Rhythmus an.

2.2.7.3. Trumscheit -
Streichinstrument mit Trompetenklang
Die älteste Darstellung des Trumscheit stammt von Sebastian Virdung (1465-1511). Er war kath. Pfarrer, Sänger und Komponist. Sein Werk "Musica getutscht und außgezogen" ist das älteste gedruckte Handbuch der Musikinstrumente ( siehe: wikipedia "Musica getutscht und außgezogen")
(getutscht = geschrieben in deutsch) (außgezogen = Auszug, Kurzfassung)
Virdung verwendet für das beschriebene Instrument den Begriff "Trumscheit".
Obwohl "trum" Trompete heißt, wird der Ton des Trumscheits nicht - wie bei der Trompete - durch Blasen in den "Hals" (in das obere Ende) erzeugt, sondern durch eine schwingende Saite. (Das Trumscheit ist oben geschlossen.)
Die Saite ist sehr lang und verläuft über der Oberfläche des Instruments - vom oberen Wirbelbrett der Holztrompete bis zu ihrem unteren Trichterrand oder einer Saitenaufhängung nahe des Trichterrandes. Die Saite wird über einen beweglichen Schnarrsteg geführt. Wenn der Streichbogen die Saite zum Schwingen bringt, entsteht ein tiefer schnarrender Ton ähnlich dem Klang eines Nebelhornes auf einem Schiff. Das Truschscheit wurde als Signal- und Rhythmusinstrument benutzt, das nur 1 Ton erzeugte: es wurde die leere ungegriffene Seite gespielt. Erst später wurde(n) die Saite(n) durch Anfügen eines Halses an den Korpus greifbar gemacht.
2.2.7.4. Tromba marina - Schiffstrompete ?
Diese Klangähnlichkeit soll auch den anderen Namen dieses Instrumentes hervorgebracht haben: "Tromba marina", d.h. Meeres-Trompete, Marine-Trompete, Schifffahrts-Trompete. Das Trumscheit - ein Instrument der Matrosen? Die Behauptung wird aufgestellt, aber ist von der Realität sehr weit entfernt. Es hätte sich herumgesprochen, daß zum gewöhnlichen Alltag der Matrosen das Spielen von Maxi-Geigen auf dem Schiff gehört.
Eine Illustration des Münchener Malers Kaspar Amort d. Ä. von 1662 zeigt Menschen, die auf dem Deck eines Schiffes stehen und lange Trumscheite mittels langer Bögen spielen. Hier handelt es sich aber nicht um ein Bild aus dem Alltag von Seeleuten, sondern um ein Festspektakel.
2.2.7.6. Tromba marina - ein Wirbelsturm auf dem Meer
Ein Wirbelsturm in Trichterform
Es gibt eine noch eine andere Erklärung des Beinamens "marina", die wahrscheinlicher ist als die Herleitung aus dem Umstand, dass das Instrument auf einem Schiff gespielt wurde.
"Tromba marina" ist die Bezeichnung für einen Wirbelsturm, einen Tornado, eine "Wasserhose", einen strudelartigen "Twister", der sich über dem Meer bildet: eine seltene, aber bei den Seefahrern gefürchtete Naturerscheinung. Das Wasser des Meeres wird in Form einer langen schmalen trichterförmigen Röhre, bestehend aus Wasser, Gischt und Luft, durch einen Luftwirbel aus dem Meer gesogen. Der Luftwirbel heult. Er sieht also nicht nur so aus wie eine Trompete, er gebärdet sich auch wie ein Blasinstrument.
Die Röhre des Twisters verbreitert sich nach oben hin in Form eines Trompetentrichters. Es entsteht eine "Meerestrompete".
Die Form des Trumscheits gleicht dem Trichter dieses Wirbelsturms, das Trumscheit ist also eine "Meerestrompete" (Tromba marina) aus Holz.
2.2.7.7. Trumscheit oder Monochord ?
Der Jesuit und Universalgelehrte Athanasius Kircher (1602 -1680) skizziert in seinem Werk Musurgia Universalis (Buch VI, Kapitel II, Bildtafel 8, zwischen den Saiten 486 und 487 ) aus dem Jahre 1650 ein zweisaitiges Trumscheit unter dem Namen Monochord.
Das Instrument hat eine lange halslose dreieckige Form. Die Korpustiefe wird durch 2 Späne hergestellt. Daraus ergibt sich ein Querschnitt, der ebenfalls dreieckig ist.
Das Instrument besitzt zwei Saiten, und für je eine Saite einen Schnarrsteg, der beim Streichen der Saite vibriert und dadurch den schmetternden Trompetenton erzeugt.
Da dieses Trumscheit keinen Hals besitzt, sondern der Korpus aus einem kompakten Kasten besteht, trägt es die Bezeichnung Monochord zu recht.
Ein Monochord ist eben nicht nur ein hohler Kasten in Quaderform mit nur einer Saite, sondern die Korpusform kann variieren und die Saitenzahl braucht auch nicht "mono" zu sein, sondern vielzahlig mehrchörig - wie bei den heutigen modernen Therapie-Monochorden, die 22 Saiten (gleichgestimmt) haben oder mehr.
Die beiden Saiten des Kirchner-Monochord scheinen gleichgestimmt zu sein:
eine lange Saite und eine zweite oktavierende Saite.
Bildnachweis:
http://commons.wikimedia.org/wiki/File%3AMonochord.jpg
By Athanasius Kircher [Public domain], via Wikimedia Commons from Wikimedia Commons
2.2.7.8. Das Trumscheit - ein Instrument der Engel

Instrument der Engel
2.2.7.8. Musizierende Engel gibt es viele. Die Instrumente der Engel sind : Geige, Harfe, Cister. Das nebenstehende Bild zeigt eine Engelsdarstellung aus dem Kreuzgang des Klosters Himmelkron: einen Trumscheit spielenden Engel.
Das ist kein Einzelfall. Es gibt noch viele andere Darstellungen, die das Trumscheit als Instrument der Engel zeigen.
Das Trumscheit des Engels aus dem Kloster Himmelkron sowie die Trumscheite von Virdung (1511) und Kirchner (1650) (und andere) haben eines gemeinsam:
Ihr Korpus besteht aus e i n e m Stück , d.h. : sie besitzen keinen an den Korpus angesetzten Hals.
Das Greifen der Saite ist bei dieser Ausführung des Instruments schwierig, zumal wenn die zu greifende Saite m i t t i g über dem Korpus verläuft. Das Himmelkron-Scheitholt zeigt, wie man sich hier beholfen hat: das Saitenfeld wurde asymmetrisch auf dem Korpus angeordnet, so daß die Greif-Saite nahe am Korpusrand liegt, wo sie gut erreichbar war und mit dem Daumen gegriffen werden konnte. Auch bei der Balalaika wird die oben liegende (e-)Saite mit dem Daumen gegriffen.
Die beste Greifbarkeit aber ermöglicht ein schmaler Instrumentenhals. So ist es erklärlich, daß auch beim Trumscheit ein Hals angesetzt wurde.
Es sind viele Trumscheitformen mit Hals bezeugt. Der schmale Hals dient bei diesen Instrumenten als Griffbrett, das das Greifen der Saiten(n) sehr erleichterte. Das Griffbrett war bundlos.
Durch den angesetzten Hals wurde das Trumscheit, das vorher ein Monochord war, umgewandelt in eine Laute. Wenn man will: in eine Balalaika mit langem schmalem spitz-dreieckigem Korpus.
Aber ein anderer Nebeneffekt war mehr beabsichtigt:
Der Hals als schmale, schlanke Korpusverlängerung verlieh dem Trumscheit das Aussehen einer Posaune oder Trompete mit langem spitz zulaufenden Blasrohr.
Es erinnert - wegen seiner Größe - an ein Alphorn, jedoch ohne Krümmung des Schalltrichters. Im Längsschnitt zeigt das Trumscheit die Form eines langen geraden gleichschenklig-symmetrischen spitzwinkligen Dreiecks.
Um im "Trompetenbild" zu bleiben: der Trichterrand der Trompete ist die kurze
Basis des Dreiecks, das "Blasrohr" bzw. das "Mundstück" der Trompete ist die
Spitze des Dreiecks. Beim Trumscheit ist die Spitze geschlossen ( es ist ja kein Blasinstrument ) und meist künstlerisch gestaltet durch eine dekorative Schnitzfigur.
2.2.7.9. Das Trumscheit -
ein Streichpsalter
Streichpsalter mit 1 Saite
Das alte Trumscheit und der moderne Streichpsalter des 20. Jhds. haben die gleiche spitzwinklige Dreicksform.
Man könnte also das Trumscheit als ein übergroßes Streichpsalter mit nur 1 Saite ( bzw. mit nur wenigen Saiten ) auffassen.
Oder korrekter formuliert: Das Trumscheit könnte begriffen werden als eine Vorwegnahme des modernen Streichpsalters.
Ein Psalter (psalterium) ist, das sagt schon der Name (psallein=zupfen), ist ein Zupfinstrument. Das Trumscheit ist also ein Beleg dafür, daß man schon im 15.Jhd. begonnen hat, die Saite(n) eines Psalteriums mit dem Boden zu streichen.
Die Ähnlichkeit zwischen altem Trumscheit und dem modernen Streichpsalter ist besonders erkennbar, wenn man die Trumscheit-Skizze von Virdung (16.Jhd.) mit einem heutigen Streichpsalter vergleicht (siehe Bild).
2.2.7.10. Ein spitzes Dreieck:
Die finnische Kantele
Wie das Trumscheit besitzt auch die Kantele eine sehr spitze schlanke Dreiecksforn.
Allerdings ist die Kantele viel kleiner als das Trumscheit.
Ein Trumscheit kann über 2 Meter lang sein, die Kantele dagegen ist in ihrer ursprünglichen 5 saitigen Ausführung 65 cm lang.
Außerdem:
das Trumscheit wird mit einem Bogen gestrichen, die Kantele wird stets mit den Fingern gezupft.
Während der Streichpsalter eine Neuentwicklung des 20. Jhd. ist, hat die gezupfte finnische Kantele eine lange Tradition. Sie ist das älteste Instrument Finnlands. Ihre Geschichte geht 2000 Jahre zurück. (www.finnland-institut.de)
Vielleicht hat Curt Sachs auch dieses Instrument im Sinn gehabt, als er die Dreiecksform des Trumscheit mit Dreiecksformen osteuropäischer Saiteninstrumente in Verbindung brachte.
(siehe oben 2.7.1.)
2.2.7.11.
Ein pyramidaler Resonanzkörper -
der Schallkasten der Harfe
Die Form des Resonanzkastens
Der Resonanzkörper des Trumscheits läuft nach oben hin spitz zu. Er hat eine pyramidale Form. Eine ebensolche Form weist ebenfalls der Schallkasten der Harfe auf.
Die Harfe kann unter diesem Aspekt als ein Trumscheit mit nach vorne abgeknicktem Hals aufgefaßt werden.
Die Saitenanordnung
Die Saitenanordnung bei Harfe und Trumscheit ist allerdings eine völlig verschiedene. Bei der Harfe sind die Saiten an der vorderen Resonanzdecke angebracht und streben von ihr weg. Beim Trumscheit läuft die Saite parallel zur Decxke.
Die Position der Schallöffnung
Bei der Harfe befindet sich die Schallöffnung in der hinteren Resonanzdecke des Instruments.
Das Trumscheit hat die Schallöffnung unten am Korpus - wie bei einer Trompete.
2.2.7.12. Balalaika und Holztrompete

Das Trumscheit
Das Trumscheit hat die Form einer Trompete, ist aber ein Saiteninstrument.
Das Streichinstrument Trumscheit will eine Trompete und den Trompeten-
klang imitieren .
Bei einem anderen Instrument, beim Saxophon, liegen die Verhältnisse genau umgekehrt: ein Blasinstrument imitiert ein Streichinstrument.
Das Saxophon
Das Blasinstrument (übrigens ein H o l z -Blasinstrument) will ein
Streichinstrument nachahmen, das C e l l o, nicht im Aussehen, sondern
im Klang. Zu diesem Zweck ist das Saxophon von seinem Erfinder Adolphe
Sax konstruiert und nach ihm benannt worden. Es sollte den Klang des Cello
imitieren.
Die Balalaika - nicht Trompete, sondern Psalterium
Bei der Balalaika liegt der Fall völlig anders.
Es keinen Beleg dafür, daß die Balalaika mit ihrer Trichterform ein ebenfalls trichterförmiges Blasinstrument imitieren will.
Die Balalaika will durch ihre Dreiecksform ( anders als das Trumscheit) keine trompetenähnlichen Töne hervorbringen.
Die Balalaika orientiert sich an einem anderen Vorbild: sie will den Klang des Psalteriums erreichen, an dem das russische Ohr jahrhundertelang gewöhnt war.
Das Psalterium, die Gusli (gusli-psaltirj), war das russische Nationalinstrument.
Die Dreiecksform der Balalaika ist eine breite Dreiecksform. Es ist die Dreiecksform des mehrsaitigen russischen Psalteriums, der gusli schlemowidnye.
Was die Verbindung Balalaika-Blasinstrument anbelangt: Es gibt nur eine ganz kleine "piccolo"- Verbindung zwischen beiden:
Der Name der kleinsten Balalaika "Piccolobalalaika" ist von der kleinsten
Querflöte, der "Piccoloflöte" entlehnt worden. Das ist alles.
Kontrabaß-Balalaika und Trumscheit
Ein Trumscheit hat - von der Form und Größe her - mit einer Subkontrabaß-Balalaika eine gewisse Ähnlichkeit.
Ein Trumscheit ist ca. 2 Meter lang, eine Kontrabassbalalaika 1,45 Meter, eine Subkontrabass-Blalaika ist noch größer.
Trumscheit und Subkontrabaß-Balalaika ergeben (wegen ihrer Größe) in der Spielhaltung ein ähnliches Bild.
Allerdings besitzt die Balalaika eine sehr viel größere Korpusbreite.
Weitere Unterschiede: Das Trumscheit hat nur 1 Saite, die Balalaika drei. Die Schallöffnung ist bei der Balalaika in der Decke, beim Trumscheit im unteren Teil des Korpus.
2.2.7.13. Die Baglama- "Trompete"
Ein ( gar nicht so entferner ) Verwandter der Balalaika, die türkische Baglama-Saz, ein Langhals-Dombra-Instrument, besitzt (ganz entfernt) das
A u s s e h e n einer Trompete. Der lange dünne Hals mit dem Griffbrett stellt das lange gerade Blasrohr dar; der Schallkörper , der wie eine konische Verbreiterung des Halses wirkt, stellt den Trompeten-Schalltrichter dar.
Und nun das Wichtigste: die S c h a l l a b g a b e dieses Saiteninstrumentes geschieht wie bei einer Trompete durch ein vorderes Schallloch, nämlich durch eine runde Öffnung an der Unterseite des Korpus ( im Unterklotz-Bereich).
Eine solche "Trompeten"-Schalloch-Position ist bei der Balalaika nicht nach- gewiesen. Dort ist das Schalloch stets auf der I n s t r u m e n t e n d e c k e angebracht, in ganz wenigen Fällen an der Korpusseite.
Da die Baglama (über die Dombra) ein unmittelbarer Vorfahr der Balalaika ist
- die Baglama ist die türkische Ausführung der Dombra- , muß diese Verbindung der Vollständigkeit halber genannt und in Bildern gezeigt werden.
Die Baglama besitzt nur andeutungsweise und zufällig eine Trompetenform, beim Trumscheit ist die Trompetenform deutlich ausgeprägt und beabsichtigt.
2.2.7.14. Das Trumscheit - eine Kombination von
Gudok ( Geigeninstrument) und
Gudok ( Blasinstrument)
Das Wort Gudok kann im Russischen zweierlei Instrumente bezeichnen: das Streichinstrument Smyk und ein Blasinstrument, z.B.eine trichterförmige Signaltrompete, die einen gleichbleibenden Bordunton erzeugt.
Vgl. "Hummel" (= Gleiche Bezeichnung für Dudelsack und für Bordunzither)
Das Trumscheit spiegelt beide Instrumententypen wieder. Seine Form ist die einer Trompete mit geradem, langgezogenem Trichter, die Tonerzeugung aber, der Bordunton, wird durch Streichen mit dem Bogen auf der Saite erzeugt:
ein Gudok im doppelten Sinne.